Filippo Pignatti Morano di Custoza. Der Name klingt nach edlen Pferden und altem Porzellan. Der Mann kommt aber nicht hoch zu Ross angeritten, sondern auf einer Vespa. Er residiert auch nicht in einem venetischen Schloss, sondern in einem nüchternen Büro in der Zürcher Altstadt. Immerhin, Besprechungen startet Filippo Pignatti typisch italienisch: «Erst mal einen Cappuccino?»

Seine Familie stammt aus Modena, alter italienischer Adel mit viel Grundbesitz. Modena markiert das Epizentrum der südeuropäischen Kunst des Sportwagenbaus: Nahe der Stadt, gleich auf der anderen Seite der Autostrada del Sole, liegt die Ferrari-Heimat Maranello, und Richtung Nordosten führt eine Provinzstrasse aus Modena nach Sant’Agata Bolognese, wo sich Traktorenbauer Ferruccio Lamborghini einst zum Konkurrenten von Enzo Ferrari aufschwang.

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Vom Drogenbekämpfer zum Banker. Natürlich hatten auch die Pignattis schöne Autos, seinerzeit. Die Familie aus Modena gehörte zu den wohlhabenden Italiens. «Meine Grossmutter», sagt Filippo Pignatti, «war Hofdame der Königin Margherita», sie gehörte zum engsten Kreis der Herrscherfamilie. Von der Zugehörigkeit vieler Pignattis zum Malteserorden leitet sich das Motto von Pignattis Count of Custoza Family Office her: «Wir sind nicht nobel durch unsere Geburt, sondern durch unsere Taten.» Noch Grossvater Ludovico Gentiluomo di Palazzo befand zwar, ein echter Gentleman könne keinesfalls einer geregelten Arbeit nachgehen. Doch die Realteilung beim Erben zersplitterte das Familienvermögen immer mehr. Heute, sagt Pignatti, sei praktisch nichts mehr da. Einen der Familiensitze, die Villa Pignatti, erwarb der berühmte Operntenor Luciano Pavarotti, dessen Witwe das Anwesen bis heute bewohnt. Ein Schloss, das ebenfalls zum Besitz gehörte, kaufte Romano Prodi, der frühere italienische Regierungschef und Präsident der EU-Kommission.

Pignattis Vater hatte zunächst Chemie studiert und den Rest der familiären Landwirtschaft verwaltet, bevor er in den diplomatischen Dienst Italiens einstieg – deshalb wurde Filippo Pignatti, als jüngstes von sieben Kindern, in Johannesburg geboren. Der älteste Bruder, Lodovico, arbeitet als Fotograf, andere als Grafiker oder Softwareentwickler, die einzige Schwester, Elena, lebt in Wien.

In Wien begann auch Filippo Pignattis Laufbahn. Dort besuchte er, nach den ersten Jahren in Johannesburg, die Schule. Nach einem Politikwissenschafts-Studium in der traditionsreichen Universitätsstadt Bologna ging er zurück nach Wien, um beim Drogenbekämpfungsprogramm der Vereinten Nationen zu arbeiten. Die umfangreiche Bürokratie dort trieb ihn zum Umstieg ins Bankwesen: zunächst bei Crédit Lyonnais in Wien, dann beim kleinen Privatinstitut AlpenBank in Innsbruck («von da aus ist man schnell in Italien»). Für die Deutsche Bank baute er deren Filiale in Innsbruck auf und für den renommierten Vermögensverwalter Dr. Jens Ehrhardt schliesslich einen neuen Standort in Zürich. «Wir siedelten uns am Limmatquai an», erinnert sich Pignatti. «Die ersten Möbel habe ich bei Ikea gekauft und am Wochenende zusammengeschraubt.»

Ein Auto-Schrauber ist Pignatti allerdings nicht. So sehr hat Modena dann doch nicht auf ihn abgefärbt. Zu Oldtimern hat der 43-Jährige ein professionelles Verhältnis: Er besucht Auktionen und Events der Classic-Car-Szene. Zwar bewundert auch er die opulenten, mutig geschwungenen Karosserien aus früheren Jahrzehnten, wie den Bugatti 57 oder den Alfa Tipo 33 Stradale. Aber eigene Oldtimer hat er nicht: Die Autos, ohne Lenkhilfe und meist ohne Bremskraftverstärker, sind schwer zu fahren – wer einen Oldie nicht in die Kurve wuchten oder keinen Vergaser einstellen kann, lässt es besser bleiben. Um in die Berge zum Skifahren zu kommen, fährt Pignatti einen Jeep. Nicht nur in diesem Punkt, lacht er, sei er vielleicht kein typischer Italiener: Fussball und Politik lassen ihn eher kalt.

Zwölf Prozent Rendite. Dass er dennoch den Classic Car Fund aufgelegt hat, begründet Pignatti ökonomisch: langfristige, krisenfeste Wertsteigerung. Branchenindizes wie «Hagi Top» oder der Deutsche Oldtimer-Index (DOX) lassen nicht nur klassische Aktienindizes wie den S&P 500 weit hinter sich, vor allem kennen sie nur eine Richtung: aufwärts. Einziges Risiko: Man setzt eines der teuren Schätzchen gegen die Mauer. Aber fahren sollen die Autos, die der Fonds erwirbt, ohnehin nicht wirklich – maximal 100 Kilometer im Jahr, möglichst auf Laufrollen in einer sicheren Halle. Hier stehen sie ansonsten gut geschützt vor Witterungseinflüssen. Und sollen im Wert steigen, wie es etwa alte Bentleys aus den fünfziger Jahren vormachen. Der S1 Continental Drophead Coupé von 1956 stieg im Wert von unter 100 000 britischen Pfund auf über 325 000, der futuristische R-Type Continental Fastback legte sogar auf über 350 000 Pfund zu – eine Wertsteigerung um gut 200 Prozent, die Kosten für Service, Versicherung und artgerechte Haltung bereits abgezogen.

Mit über zwölf Prozent Wertzuwachs pro Jahr rechnet und wirbt Pignatti für seinen Fonds. Unabhängige Experten, auf die sich auch die Versicherer verlassen, taxieren den Wert der Autos alle sechs Monate, auch Anbieter wie Classic Car Tax der beiden Oldtimer-Spezialisten Jochen Strauch und Frank Wilke liefern wertvolle Daten. Einen wichtigen Anhaltspunkt bieten Auktionsergebnisse – zusammengefasst etwa im jährlichen Kompendium, das Adolfo Orsi, der «Gott der Classic-Car-Welt» (Pignatti), mit seiner Firma Historica Selecta zusammenstellt. Insider wissen allerdings, dass maximal ein Fünftel aller gehandelten Top-Oldtimer den Besitzer via öffentliche Auktion wechselt. Bei Auktionen kaufen eher professionelle Händler und das «neue Geld»: Banker, Unternehmer, Anwälte. Ausserdem sind hier die Kommissionen hoch: Käufer und Verkäufer zahlen gemeinsam bis zu 20 Prozent der Kaufsumme an Gebühren. Die echten Sammler verkaufen ihre Schätzchen daher lieber persönlich, und oftmals liegen die Preise dabei höher als bei Versteigerungen. Liebhaber zahlen nun einmal Liebhaberpreise.

Konkurrenz von Pink Floyd. Seltene und deshalb wertvolle Oldtimer sind ein Luxusgut – wie Uhren, Gemälde oder Skulpturen. Allerdings mit einem bedeutenden Unterschied: Das Angebot an Autos im obersten Bereich, die schon zu Lebzeiten stark nachgefragt sind, ist endlich. Auf «vielleicht 150 Fahrzeuge» schätzt Pignatti dieses Reservoir: idealerweise einwandfrei erhalten mit spiegelndem Lack, flexiblen Dichtungen, neuwertigen Reifen und komplett überholtem Motor. Wertsteigernd sind auch eine «Historie» als Teilnehmer oder besser noch Sieger wichtiger Rennen sowie ein prominenter Vorbesitzer, sei es ein gekröntes Haupt oder ein bekannter Sammler wie Modeschöpfer Ralph Lauren.

Wie wichtig die Historie eines Oldtimers ist, zeigt das Auktionsergebnis des Bugatti Brescia von 1925, den sein letzter Besitzer im Lago Maggiore versenkte, angeblich um Zollgebühren zu sparen. Gerüchte um einen Bugatti unter Wasser hatten in Ascona immer wieder kursiert. 2009 wurde die Ruine geborgen. Dass sie jemals wieder fahren wird, gilt als ausgeschlossen. Dennoch ersteigerte sie wenige Monate nach der Bergung ein Niederländer für erstaunliche 260 500 Euro.

Das limitierte Angebot an echten Classic Cars trifft auf eine stetig zunehmende Nachfrage – und das treibt die Preise dauerhaft in die Höhe. Es ist chic, Altes zu fahren. Und zu den Reichen, die sich das schon immer leisten konnten, drängen immer mehr Neureiche, auch Russen, Inder oder Asiaten, die sich die Preziosen locker leisten können.

Gute Aussichten also für Pignattis Fonds. Umso mehr, als an den Weltbörsen und damit in den Depots der Investoren derzeit riesige Werte verbrannt werden. «Viele suchen zur Absicherung nach Tangible Assets, nach handfesten Werten», sagt der Fondsmanager. Neben den Anlagegütern Wein, Kunst und Immobilien, die alle relativ viel Expertise und Verwaltungsaufwand benötigen, sind Autos hier eine von Profis bisher unterversorgte Anlageklasse. Blasen wie im Immobilienmarkt kennen die Classic Cars ebenfalls nicht. Allenfalls kleine Übertreibungen: Exemplare des Jaguar E-Type sind aufgrund seines 50-Jahr-Jubiläums derzeit oft überteuert auf dem Markt, genau wie viele alte Mercedes SL.

Neben Pignattis Fonds ist nur ein anderer bekannt, IGA Automobile, der den Autosammler und Schlagzeuger der Band Pink Floyd, Nick Mason, als Galionsfigur engagierte. Dieser Fonds funktioniert allerdings eher nach dem Private-Equity-Modell: Eingesammelt werden sollen 50 Millionen Dollar, möglicherweise bis zu 150 Millionen, das Mindestinvestment liegt bei einer halben Million, das Geld soll sieben Jahre im Fonds verbleiben.

Pignattis Classic Car Fund ist im Sommer gestartet, formal an eine Liechtensteiner Investmentgesellschaft angehängt und an der Wertpapierbörse Hamburg kotiert (Wertpapierkennnummer LI0117063490). In der Schweiz wird der Fonds aus Kostengründen nicht aktiv angeboten, kann aber natürlich dennoch hier gekauft werden. Geplant ist, rund 30 Prozent der Gelder im Fonds als Liquidität und eventuell kleinere Anteile an Aktien autonaher Unternehmen zu halten – einerseits zur Diversifizierung, anderseits um bereit zu sein, wenn sich Kaufchancen bieten. Ab 100 Euro Anlagesumme kann man einsteigen – Pignatti sagt, er wolle «auch Kleinanlegern ein Vehikel bieten, um in diese Anlageklasse einsteigen zu können». Ausserdem hat er einen Club für Liebhaber, der exklusive Events anbietet, angedacht.

Die Unterhaltskosten für die Oldtimer im Fonds – Wartung, Pflege, Bewegung – kalkuliert er mit 5000 Euro pro Jahr, die Autos werden von professionellen Garagisten gewartet und höchstens 100 Kilometer gefahren, zwölf Prozent Wertsteigerung jährlich hält er für gut erzielbar. Den Fonds empfiehlt er als Beimischung: «Ich würde 15 bis 20 Prozent meines Vermögens darin anlegen.» Derzeit liegt das Fondsvermögen noch bei unter 500 000 Euro – «aber das macht nichts». Er wolle lieber langsam wachsen, sagt Pignatti, und nicht unter Druck Autos für den Fonds suchen müssen. Dafür hat er als unabhängige Berater, die selber nicht mit Oldtimer handeln, Dirk Boll und Peter Blond engagiert. Boll ist Chef von Christie’s Schweiz und Youngtimer-Fan. Blond war beim Auktionshaus Sotheby’s für das Oldtimer-Departement verantwortlich. Pignatti selber hat allerdings auch schon Expertenstatus erreicht: Die «Financial Times» bat ihn, für einen Führer in Buchform, der Investments in emotionale Güter abhandelt, das Kapitel über Classic Cars zu verfassen.

Brezelkäfer und Samba. Für Oldtimer-Interessierte, die ihr Investment nicht im Bankdepot, sondern lieber aktiv verwalten – denen aber die Millionen für einen Aston Martin DB4, einen Ferrari 250 oder einen Lamborghini Miura fehlen –, hat Pignatti einige Empfehlungen: Satte Wertsteigerungen erzielt derzeit der VW Käfer. Insbesondere jener mit ovalem Heckfenster, Ovali genannt, und sein berühmterer Bruder mit geteiltem Fenster, der sogenannte Brezelkäfer. Ausserdem gut erhaltene Exemplare des Citroën 2CV, der «Ente» also, und des VW-Bus vom Typ Samba (der mit den kleinen Fenstern in der Dachschräge). Wer mehr ausgeben kann, findet in alten Porsche 911 oder in der deutschen Wirtschaftswunder-Limousine Mercedes 600 lukrative Lustobjekte.

Mit dem Count of Custoza Family Office, das im Zürcher Niederdorf residiert, verwaltet Pignatti die Vermögen einer Handvoll Kunden, auch einiger Familienmitglieder. Er investiert konservativ, setzt viel auf Edelmetalle, passiv gemanagte Fonds und Substanzaktien, legt Wert auf Dividendenrenditen. Die Performance der Investments, die er mittels Kontoauszug auf der Website ausweist, sieht jedenfalls hochklassig aus.

Ansonsten macht Filippo Pignatti einen bodenständigen Eindruck. Am liebsten spricht er von seinen beiden Söhnen Federico und Filippo Guido, 12 und 14 Jahre alt. Als Armbanduhr trägt er eine Citizen Eco-Drive mit Solarantrieb, und seine neueste Investition ist ein Schrankfach in einem Weinkeller im Zürcher Niederdorf: Dort kann man günstig seine Weine einschliessen und temperiert lagern. Ab und an bucht er den kerzenbeleuchteten Vorraum, wo Tische und Bänke stehen, und köpft mit Freunden eine Flasche. Aber jetzt schwingt er sich auf die Vespa und knattert zu einem Termin.