Guten Geschmack kann man nicht kaufen. Den besten Beweis dafür lieferte Viktor Janukowitsch. Nachdem der gestürzte Präsident der Ukraine Anfang 2014 fluchtartig das Land verlassen hatte, strömten Tausende Schaulustige zur Datscha Meschigorje, dem Anwesen, von dem der Regent selbst sagte, es sei «bescheiden», bezahlt von seinem durchschnittlichen Politikergehalt. Die Bilder der Villa geisterten durch sämtliche internationalen Medien. Sie wurden zum Sinnbild des durch Korruption und Diebstahl erlangten Reichtums.

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Vergoldete WC-Schüsseln, Marmorböden, Kristall-Kronleuchter, ein weisser Steinway-Flügel von John Lennon. Zusätzlich hatte Janukowitsch seine Villa mit Gemälden, Skulpturen und anderen Kunstgegenständen vollgestopft. Viele davon soll der Präsident nur erstanden haben, um Schwarzgeld zu waschen. Der Kunsthandel steht im Ruf, sich dafür besonders gut zu eignen. Mangelnde Regulierung, intransparente Preisbildung und die Möglichkeit, auch hohe Beträge bar zu bezahlen, schafften Misstrauen gegenüber der Branche.

Ruf des Kunsthandels hat gelitten

Nicht nur korrupte Kleptokraten wie Janukowitsch, sondern auch Kriminelle oder Steuerhinterzieher festigten diese öffentliche Wahrnehmung in den vergangenen Jahren. Auch in der Schweiz. «Für viele Laien ist der Kunsthandel gar nicht mehr weit entfernt von organisierter Kriminalität wie Drogen- oder Menschenhandel», so Kunstexperte Christian von Faber-Castell. Das soll sich ändern. Das revidierte Geldwäschereigesetz gilt ab dem 1. Januar 2016 nicht nur zusätzlich für den Immobilien-, Schmuck- oder Uhrenhandel, sondern auch für Kunsthändler. Mit den neuen Regeln will der Bund die Schweizer Standards den internationalen anpassen.

Doch die Regeln, so kritisieren die neu Regulierten, schössen am Ziel vorbei und belasteten vor allem kleinere Galeristen und Händler, die sich mit mehr Bürokratie und komplexeren Strukturen herumschlagen müssten. «Es ist eine zeitliche und finanzielle Belastung», so Sylvia Furrer Hoffmann, Geschäftsführerin des Verbandes Kunstmarkt Schweiz.

Eigentlich scheint es sinnvoll, dass auch der Kunsthandel mit in das Geldwäschereigesetz eingeschlossen wird: Denn dieser ist einer von sehr wenigen Branchen, in denen Barzahlungen von hohen Beträgen noch Usus sind. Und das wiederum eröffnet viele Möglichkeiten für die Geldwäscherei. Der Bundesrat hatte Bargeldzahlungen von über 100’000 Franken daher eigentlich ganz verbieten wollen. Es gebe «keinen redlichen Grund» dafür, argumentierten die Befürworter. Eine Mehrheit im Parlament fand sich dafür nicht.

Amtlicher Ausweis verlangt


Also ergab sich der Kompromiss. Neu müssen Kunsthändler, die einen Barbetrag über 100’000 Franken entgegennehmen, einen amtlichen Ausweis des Käufers verlangen, diesen prüfen und kopieren. Vertritt eine andere Person den Käufer, muss sowohl diese als auch der Käufer identifiziert werden. Die Dokumente müssen die Händler aufbewahren.

«Wir beschäftigen uns intensiv damit, wie wir unseren Mitgliedern helfen können, mit den neuen Aufgaben so gut wie möglich umzugehen», sagt Furrer Hoffmann. Das Thema gehöre momentan zu ihrer täglichen Arbeit. Die wenigsten Kunsthändler hätten Erfahrung damit.

Kleine Galerien beherrschen den Markt

Für die Vorgänge brauche man teils umfassendes juristisches Verständnis. Und das nötige Know-how ist bei vielen Händlern nicht vorhanden: 90 Prozent des Kunstmarkts werden von kleinen Unternehmen wie etwa Galerien mit 2 bis 20 Mitarbeitern beherrscht. Compliance-Abteilungen gibt es bei ihnen nicht. «Wir wollen die Leute daher schulen, wie man mit heiklen Fällen umgeht und die neuen Regeln umsetzt», so Furrer Hoffmann.

Für akute Fälle, in denen ein Händler nicht weiss, wie er reagieren soll, wenn gerade ein Kunde in seinen Räumlichkeiten steht, erwägt der Verband, eine Hotline anzubieten. Es fehle noch das Okay des Vorstands, doch man habe bereits Offerten von Anbietern eingeholt. «Uns wird das einiges kosten», so Furrer Hoffmann.

Tätigkeiten erschwert

David Zollinger, der frühere Leiter der Geldwäschereibehörde im Kanton Zürich, glaubt, dass kleinere Händler den Nichtbarzahlungen den Vorzug geben werden. «Die mit den Abklärungen und der Dokumentation verbundenen Unsicherheiten sowie den zusätzlichen Administrationsaufwand werden sie scheuen.»

Er hält das Gesetz für «nur bedingt zielführend«. «Man erschwert primär die Tätigkeit des regulären Handels, aber man wird nicht den Schwarzmarkt ausschalten.» Einen Einfluss auf Steuersünder, die so Schwarzeinnahmen in Gegenstände umtauschen, würden die Neuerungen zwar sicher haben. «Es wird aber so sein, dass die richtig schweren Jungs problemlos diese Normen umgehen können und eigentlich nur die kleinen Kunden im Netz hängen bleiben.» Denn: Wer wirklich kriminell ist, der erwirbt seine Kunstanlagen meist gar nicht über offizielle Kanäle, sondern auf dem Schwarzmarkt. Oft handelt es sich dabei um gestohlene Kunst.

Auch positive Seiten

Für Kunstexperte Christian von Faber-Castell hat das neue Gesetz aber auch positive Seiten. Zum einen sei es ein Schritt hin zu einem besseren Ruf des Schweizer Kunstmarktes. «Ausserdem beschleunigen sich Entwicklungen, die überfällig waren», fügt er an. «Es wird sicherlich zu mehr bargeldlosem Zahlungsverkehr kommen.» Noch würde man aber bei den Verkäufern nicht einsehen, dass Kreditkartenzahlungen von Kunden gewünscht sind. Bei vielen Käufern sorge das für Unmut. «Nicht jeder hat ja immer Tausende Franken in bar dabei.»

Was sich wohl dadurch nicht lösen lässt: Auch Kreditkarten helfen nicht gegen schlechten Geschmack.

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