Deutschland hat in Europa das Image, etwas langweilig, aber grundsolide und politisch stabil zu sein. Seit der Bundestagswahl hat sich dies etwas geändert. Denn obwohl im klassischen Parteienspektrum rechnerisch zwei Koalitionen möglich sind, gestaltet sich eine Regierungsbildung auch mehr als zwei Monate nach der Wahl als sehr schwierig: Die FDP will lieber in die Opposition als auf die Regierungsbank. Und die SPD ist zerrissen in der Frage, ob sie erneut in eine große Koalition mit Kanzlerin Angela Merkel gehen soll. Das führt zu einer Vielzahl an Varianten, wie die weitere Entwicklung aussehen könnte.

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Koalitionsverhandlungen
Grosse Koalition (GroKo)

Dies gilt in der deutschen Politik als der «normalste» Weg: Am Mittwochabend gibt es ein erstes Gespräch der Partei- und Fraktionschefs von CDU, CSU und SPD. Die SPD will ergebnisoffen reden über Möglichkeiten der Regierungsbildung. Sollten die Teilnehmer des Gesprächs den Eindruck haben, dass die gegenseitige Kompromissbereitschaft ausreicht, soll es voraussichtlich Anfang Januar Sondierungsgespräche geben - vorausgesetzt, dass der SPD-Parteivorstand am Freitag grünes Licht gibt. Aus Sicht der Union ist die Regierungsbildung kein Problem. Aber in der SPD gibt es große Vorbehalte, so dass unsicher ist, ob die Sozialdemokraten diesen Weg gehen wollen.

Kooperations-Koalition (KoKo)

Dies ist ein Modell, das der Vorsitzende der SPD-Linken, Matthias Miersch, ins Gespräch gebracht hat. Die SPD träte in eine Regierung ein und besetzte auch Ministerposten. In einem internen Papier zählt Miersch beispielhaft konkrete Projekte auf, die vereinbart würden - etwa Solidarrente, Bürgerversicherung oder Reichensteuer - und somit Vorhaben, die bei der Union derzeit auf Ablehnung stossen. «Im zweiten Kapitel vereinbart man, dass bestimmte Dinge, wie zum Beispiel der Haushalt, gemeinsam verabschiedet werden», sagte Miersch am Dienstag. «Im dritten Kapitel vereinbart man ein gemeinsames Kabinett. Und im vierten Kapitel, und das ist entscheidend, sagt man, all das, was nicht in dieser Vereinbarung drin ist, obliegt dem Parlament. Das heisst die Fraktionen sind frei, sich Mehrheiten im Parlament zu den einzelnen Sachfragen zu suchen.» Dies stösst bei der Union mit dem Argument auf Widerstand, dass man nicht Regierung und Opposition gleichzeitig sein könne.

Martin Schuld und Andrea Nahles
Angela Merkel im Bundestag
Minderheitsregierung

Eine Unions-geführte Minderheitsregierung ist eine weitere Option. Dabei gibt es verschiedene Varianten: CDU und CSU könnten als der mit Abstand stärkste politische Block im Bundestag ohne Partner versuchen, themenbezogen Mehrheiten zu organisieren. Alternativ könnte es eine schwarz-gelbe oder eine schwarz-grüne Minderheitsregierung geben - oder eine vereinbarte «Duldung» durch die SPD. Kanzlerin Angela Merkel hält davon wenig und strebt eine «stabile Regierung» an. Am deutlichsten wurde CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt: «Eine Minderheitsregierung kann nur ein kurzer Übergang zu Neuwahlen sein», sagt er. Eine Minderheitsregierung müsste «schnellstmöglich» beendet werden.

«Jamaika 2»

Sollten alle Gespräche mit der SPD scheitern, könnte es eventuell auch einen zweiten Anlauf zur Bildung einer Jamaika-Koalition aus CDU, CSU, Grünen und FDP geben. FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat darauf verwiesen, dass die Liberalen in einer solchen Lage neu überlegen müssten. FDP-Chef Christian Lindner schliesst dies allerdings bisher aus.

Jamaika-Gespräche
Wahlunterlagen
Neuwahlen

Schaffen es die im Bundestag vertretenen Parteien wirklich nicht, eine Regierung zu bilden, bliebe Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kaum ein anderer Weg als Neuwahlen einzuleiten. Vieles von dem, was derzeit passiert, hat bereits mit der Aufstellung für eventuelle Neuwahlen zu tun. Glaubt man den Meinungsumfragen, könnte eine Partei wie die FDP, die sich der Regierungsbildung verweigert, eher abgestraft werden. Union und Grünen schneiden in den Umfragen indes besser ab als bei der Bundestagswahl. Als grosse Unbekannte gilt, welche Ergebnisse die SPD und die AfD nach einem Scheitern der Gespräche zwischen Sozialdemokraten und Union erzielen würden.