Finanzwissenschafter und Währungsexperten sind entzückt über die drei von der Nationalbank. Seit Hans Meyer 1996 Markus Lusser als obersten Hüter des Schweizer Frankens ablöste, ist die Nationalbank-Politik keine One-man-Show mehr, sondern Teamwork. Meyer gibt den klassischen Primus inter pares ab, wobei er selber an Statur gewonnen hat. Stur und steif schalten ihn seine Gegner. Heute erweist er sich als relativ beweglich und überrascht mit Ideen wie jener der Solidaritätsstiftung. Dabei sieht sich das Direktorium mit Altlasten wie der Raubgoldproblematik konfrontiert. Nach anfänglichem Abwiegeln rang es sich zu einer konzisen Haltung durch. Standhaft blieb Meyer gegenüber den Banken. Hätte ihn der Bankrat nach dem Deal von New York desavouiert, wäre er zurückgetreten. Die grösste Herausforderung steht dem Euro-Skeptiker am 1. Januar 1999 mit der Einführung der europäischen Einheitswährung noch bevor.

Der Einzelgänger
Er pflegt kaum Freundschaften. Der «lange Meyer» (1,91 Meter) ist kein Vereins-Meyer, meidet Cocktailpartys aus Prinzip und lebt praktisch inkognito in Zollikon. Den Big shots hofiert er nicht. Viele empfinden es fast als Strafe, mit dem wortkargen Währungshüter einen Abend verbringen zu müssen. Einer seiner engsten Freunde ist der ähnlich strukturierte Kurt Hauri, Präsident der Bankenkommission. Auffallend ist die Nähe des autoritätsgläubigen SNB-Chefs zu Kaspar Villiger. Der Finanzminister schätzt seine Systematik und Verlässlichkeit. Als Meyer wandernd die Idee einer Solidaritätsstiftung gebar, weihte er zuerst Villiger ein. Gute Kontakte pflegt der freisinnige Aargauer mit FDP-Präsident Franz Steinegger, ein Bewunderer ist der frühere Zürcher Bankenprofessor Ernst Kilgus. Bleibenden Eindruck vermochte er 1985 beim damaligen russischen Präsidenten Michael Gorbatschow während des Gipfeltreffens mit Ronald Reagan in Genf zu hinterlassen: Der Nationalbank-Oberst, der Churchills Admiral of the Fleet Lord Cunningham wie aus dem Gesicht geschnitten ist, kommandierte die Bewachungstruppen. Max Frisch ist sein Lieblingsautor; er liebt Belcanto und Jazz. Privat zieht der Vater von zwei Töchtern Kreditkarten dem Bargeld vor. Sein Vermögen legt er konservativ in Schweizer Aktien, Obligationen - und Kunstwerken an.

Die Bankgesellen
Im Gegensatz zur Ära Markus Lusser versteht sich das heutige SNB-Direktorium als ausgeprägtes Team. Meyer lässt seinen beiden Kollegen viele Entfaltungsmöglichkeiten. Bruno Gehrig, zuständig für das geldpolitische Tagesgeschäft, gilt als heimlicher Star. Er vereinigt breites theoretisches und praktisches Wissen mit menschlichen Qualitäten. Die Romands identifizieren die Nationalbank mit Jean-Pierre Roth; Meyer ist in der Westschweiz eine unbekannte Grösse. Zu Spannungen im Direktorium führte Meyers Idee der Solidaritätsstiftung. Diesen Hüftschuss hatte Meyer niemand zugetraut. Der Kampf um seine Nachfolge im Jahr 2001 dürfte die Eintracht stören. Ist Roth als Vize die künftige Nummer eins? «Es gibt keinen Automatismus», sagt Bankratspräsident Jakob Schönenberger.

Die Wegbereiter
Die SNB-Chefs Edwin Stopper und Fritz Leutwiler haben Meyers lange SNB-Karriere nach Noten gefördert. Als die Sozialdemokraten 1984 mit Kurt Schiltknecht die bürgerliche Bastion stürmen wollten, warf Leutwiler seine ganze Reputation in die Waagschale und pushte den Mann ohne Charisma. Im Bundesrat drückte die Zumikerin Elisabeth Kopp gegen harten Widerstand den Parteifreund aus dem Nachbardorf Zollikon durch.

Die linken Kritiker
Bei den Linken war er als Hardliner und Erzmonetarist von Lussers Gnaden verschrieen. Unter Meyers Führung hat die Nationalbank ihre Geldpolitik gelockert, doch sie hat sich damit noch nicht aus dem Schussfeld der Kritik manövriert. Der Lausanner Professor Thomas von Ungern-Sternberg listet in seinem eben auf deutsch erschienenen Buch «Reformbedürftige Nationalbank» ihre Unterlassungssünden auf (Anlagepolitik, Goldreserven, Inflationsbekämpfung). In die gleiche Kerbe schlägt der linke FDP-Vizepräsident Peter Tschopp: «Meyer wäre besser Pfarrer geworden.» SP-Wirtschaftsexperte Rudolf H. Strahm traut Meyer nicht über den Weg. Er attackiert die SNB wegen des geplanten Geld- und Währungsartikels und verlangt, zwei Milliarden Franken Raubgold zurückzugeben.

Der Zorn der Bosse
Wie die Nationalbank die Grossbanken nach dem 1,25-Milliarden-Dollar-Deal von New York abblitzen liess, ist ohne Beispiel. Bankratspräsident Jakob Schönenberger, ein CVP-Polithaudegen, stahl dabei dem ungeliebten Meyer die Show, indem er sich vorschnell auf ein Nein zu einer finanziellen Beteiligung der SNB festlegte. Meyer durfte den Entscheid dann noch der Presse verkünden. Die SNB-Ohrfeige wird Alex Krauer und Marcel Ospel (UBS), Rainer E. Gut und Peter Spälti (CS) wie auch Andres Leuenberger (Vorort) noch eine Weile schmerzen. Völlig in der Luft hängt seit der Einigung die Solidaritätsstiftung. Bei der Wirtschaft genoss sie ohnehin wenig Kredit. Und mit SVP-Nationalrat Christoph Blocher hat Meyer als geistiger Vater, der nie richtig für sein Projekt gekämpft hat, einen übermächtigen Gegner.

 

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