Er heisst Burger. Philippe Olivier Burger. Die Mutter wollte einen Olivier, aber da ihr Vater einen Jungen gleichen Namens kannte, den er nicht mochte, wurde Philippe vorangestellt. Der Name ist ein Kompromiss, der Mann ganz und gar kompromisslos. Im Geschäft ist er der «Herr Burger». Nur einmal, an einem Managementseminar in der Natur, nannten ihn die Kollegen Olivier – «weil es einfacher ist zu sagen: ‹He, Olivier, lass mal das Seil runter!›, als: ‹Herr Burger, würden Sie bitte das Seil runterlassen?›», erzählt Hans Amsler, Einkaufsleiter des PKZ-Konzerns. Kaum war die Trekkingtour, die Burger zur Stärkung des gegenseitigen Vertrauens angeregt hatte, zu Ende, ging man wieder zum «Sie» über. Ein bewusster Akt: «Man geht einfach respektvoller miteinander um», erklärt Amsler den im Team gefällten Entscheid. Eine Verluderung der Umgangsformen würde Olivier Burger, Herr über eines der grössten Schweizer Kleiderunternehmen mit den Marken Burger, PKZ, Feldpausch und Blue Dog, nicht dulden – zu gross ist seine Ähnlichkeit mit dem verstorbenen Vater, laut Burger «einem echten Gentleman». Konservative Werte vertritt der 48-Jährige, der das Unternehmen in vierter Generation führt, nicht nur im Umgang mit Menschen, sondern auch mit Geld. Schulden sind, abgesehen von Hypotheken, tabu. Der Ausbau des Unternehmens wird vollständig aus eigenen Mitteln finanziert, mit den Überschüssen werden Hypothekarschulden getilgt. Burger steckt praktisch sein ganzes Vermögen ins Unternehmen, und er ist selbst dann nicht aufs Börsenkarussell aufgesprungen, als er sich schon fast nicht mehr normal fand. «Ich habe oft gestaunt, wie viele Leute mit wenig Aufwand reich wurden. Nun, da das Pendel zurückschlägt, bin ich froh, der Verlockung des schnellen Geldes nicht erlegen zu sein.» Auch anderen Moden gegenüber ist Burger resistent. Als es die Konkurrenz an die Börse zog und ringsum unter dem Vorwand von Corporate Governance Firmenzentralen aufgebläht wurden, hielt er sein Unternehmen schlank. Der Verwaltungsrat besteht aus exakt zwei Mitgliedern: Burger persönlich als Präsident sowie Rodolphe Barbey, seit einem Vierteljahrhundert Treuhänder von PKZ und der Besitzerfamilie eng verbunden. «Wir können am Sonntagmorgen beim Frühstück entscheiden, ob wir eine Akquisition machen», sagt Burger, «andernorts sind Manager nur noch am Kontrollieren und Rapportieren, statt sich ums Geschäft zu kümmern.» Seine Läden sind denn auch nicht Teile eines verschachtelten Firmenkonstrukts, sondern gehören unters Dach einer einzigen Aktiengesellschaft, der PKZ Burger-Kehl & Co. mit Sitz in Urdorf. Ein grosser Vorteil dieser Einfachheit ist Schnelligkeit. «Bei Akquisitionen sind wir vor allem darum zum Zug gekommen, weil wir schneller waren als andere», ist Burger überzeugt. Tempo fordert der Patron auch von seinen 560 Mitarbeitern. Trödelei gehöre zu den wenigen Dingen, die ihn in Rage brächten, berichten von der Verkäuferin bis zum Einkaufschef alle. Burgers Zorn entfacht zudem, wer aus Liederlichkeit oder Faulheit Fehler begeht, wobei er einen sicheren Instinkt beweist, Missgriffen auf die Spur zu kommen: «Herr Burger findet Fehler immer», sagt Liane Gerbert, Einkäuferin von Blue Dog, «das hat er irgendwie im Blut.» Burgers oberste Instanz ist der Markt: «Die Kunden sind meine Bosse.» Als müsste er beweisen, dass das keine Floskel ist, arbeitet er regelmässig als Verkäufer – inkognito natürlich – und verlangt von allen Angestellten der Firmenzentrale, mindestens an einem Tag pro Jahr das Gleiche zu tun. Mit Gespür für Trends und Marketing hat er in den 15 Jahren, in denen er dem Unternehmen vorsteht, aus dem verstaubten «Papa kann zahlen»-Konfektionshaus eine Ladenkette geschaffen, die für smarte Mode steht. Der Umsatz ist unter seiner Ägide von 50 Millionen auf 220 Millionen gestiegen, die Zahl der Läden hat sich auf 55 verdreifacht, nicht zuletzt durch den Zukauf der Damenmodekette Feldpausch und der Lancierung von Blue Dog, die trendigere Kleider für ein junges Publikum anbietet. Mit zehn Umsatzrekorden in Serie hat er die Konkurrenz geschlagen, und die beneidet ihn auch um die Cashflow-Marge von zehn Prozent, die er selbst in diesem schwierigen Jahr erreichen sollte. Burgers Vorgaben sind knallhart: Jeder Laden agiert als eigenständiges Profitcenter, mit Betonung auf Profit. Für seine Rechenstärke, die sich schon im Gymnasium manifestierte, ist der Patron berühmt-berüchtigt. Budgetvereinbarungen sind sakrosankt. «Wer ein Ziel zu 99,9 Prozent erreicht, hat es nicht erreicht», sagt ein Geschäftsleitungsmitglied, «da gibt es für Herrn Burger nichts zu diskutieren.» Neue Läden müssen nach einem Jahr rentieren, das gilt auch für das im Frühling an der Bahnhofstrasse eröffnete exklusive Herrengeschäft Burger. Die Kunst zu kalkulieren lernte Olivier Burger in seinem Elternhaus. Während seines Ökonomiestudiums in St. Gallen musste er mit 1000 Franken pro Monat auskommen. Nachdem er durch zwei Zwischenprüfungen gefallen war, setzte der Vater den Betrag auf 800 Franken herunter. Die Differenz sparte sich Burger vom Mund ab und griff dafür an den Wochenenden zu Hause umso beherzter in den Kühlschrank, bevor er mit seinem Fiat 127 wieder Richtung Ostschweiz tuckerte. Nur ja nicht zeigen, was man hat, hiess die Losung im Hause Burger. So ist Philippe Olivier zwar begütert und behütet, aber bescheiden aufgewachsen. Der Vater legte Wert darauf, Zuneigung und Wertschätzung von materiellen Dingen zu trennen. Ehemalige Weggefährten beschreiben den 1993 verstorbenen Walter Burger als «vornehmen, gutmütigen und warmherzigen, aber auch strengen Menschen». Die Mutter, Marguerite Burger-Marchand, eine Westschweizerin, wiederum gilt als energische und wirblige Frau, die ihre Rolle als Patronne im Haushalt mit Verve wahrnahm. Sie hält heute noch 20 Prozent an PKZ, ihr Sohn Olivier 80 Prozent. Seine beiden Geschwister, die dreieinhalb Jahre älteren Zwillinge Claudine und François, waren am Familienunternehmen nicht interessiert. Die Schwester ist Hotelfachfrau geworden, der Bruder arbeitet in der Immobilienbranche. Am Mittagstisch der Burgers wurde selten übers Geschäft geredet. Der Vater habe ihn auch nie gedrängt, in die Firma einzusteigen, sagt Burger, räumt aber ein, er habe wohl insgeheim schon davon geträumt. Manchmal habe ihn der Vater sogar gewarnt vor dem anspruchsvollen Geschäft mit der Mode. Als er nach Abschluss des Studiums ein Angebot von der Schweizer Rück erhielt, ermunterte ihn der Vater gar, dieses anzunehmen. Doch den jungen Mann zog es ins Ausland. Seine ersten Gehversuche in der Welt der Mode machte er 1979 als Verkäufer des deutschen Textilunternehmens Peek & Cloppenburg (P&C), dessen Inhaber James Cloppenburg mit der Familie befreundet war. Von Anfang an aspirierte er auf einen Job in der kanadischen Tochtergesellschaft Mariposa in Vancouver, wohin er zwei Jahr später auch versetzt wurde. Bald kam es ihm dort zu provinziell vor, und er kehrte zu P&C zurück, diesmal als Zentraleinkäufer von Damenmänteln und Freizeitbekleidung. Kaum hatte er sich abermals in Deutschland eingenistet, rief der Vater an. «Er hatte in der Zwischenzeit die 50 Prozent seines Bruders übernommen und sagte, es wäre toll, wenn ich einsteigen würde», erinnert sich Burger. Der Onkel hatte sich verabschiedet, ebenso ein Cousin, der bei PKZ gearbeitet hatte, seine Geschwister gingen andere Wege: Ausser Olivier Burger war keiner da, um die Firmengeschichte weiterzuschreiben. Also doch ein Zwang? «Nein, ich bin hier, weil ich es so wollte.» Der Junior trat nicht nur beruflich in die Fussstapfen des Vaters. Er ist, wie dieser es war, Zünfter und lebt heute auf dem Anwesen mit Blick auf den Zürichsee, wo er aufgewachsen ist – nicht im Haupthaus, das hat er vermietet, sondern in der ehemaligen Angestelltenwohnung, die er sich nach seinem Geschmack herrichten liess. Herrschaftlicher geht es in seiner mittelalterlichen Burg am Ufer des Schiefenensees im Freiburgischen zu und her, in die er sich in seiner Freizeit zum Reiten oder Fischen zurückzieht, häufig auch mit seiner Partnerin und mit seinen Söhnen Philippe und Maurice, 14- und 12-jährig. Der Umstand, dass er den Detailhandel von der Pike auf erlernt hatte, verlieh ihm Selbstvertrauen. «Es gibt nur wenige, die ein Studium gemacht haben und dann im Detailhandel erfolgreich sind», sagt Burger, «denn den meisten fehlt die Erfahrung an der Verkaufsfront.» Da er sich als Ökonom beim Bekleidungsmulti P&C vom einfachen Verkäufer zum Zentraleinkäufer hochgearbeitet und sich in Kanada als Verkaufsleiter bewährt hatte, war er bei seinem Einstieg ins Geschäft des Vaters mehr als der «fils à papa». Entsprechend steil verlief dort auch seine Karriere: 1984 trat Burger bei PKZ ein, 1987 übernahm er bereits die Geschäftsleitung. 1991 stellte er mit der Unternehmensleitung einen Businessplan auf, den der gesundheitlich angeschlagene Vater in seiner Tragweite nicht mehr erfassen konnte, der aber die Zukunft von PKZ glasklar vorwegnahm. «Fast alles ist so eingetreten, wie wir es aufgezeichnet hatten», sagt Burger und kokettiert mit dem «Glück des Tüchtigen». Wo immer es eine Gelegenheit zur Akquisition gab, griff er zu: 1994 übernahm er 24 Esco-Filialen, 1997 stieg er mit Feldpausch in die Damenmode ein. Zwischendurch baute er Blue Dog als selbstständige Filialkette für junge Freizeitmode auf. Heute findet sich vom Luxuslabel Lorenzini bis zur Freizeitmarke Esprit alles unter dem PKZ-Dach. Stand das Unternehmen in den Siebzigerjahren am Rand des Abgrunds, ist es heute der grösste Herrenmodespezialist und der fünftgrösste Damenmodeanbieter. Manchem erschien das Expansionstempo, das Burger junior anschlug, etwas gar forsch. Der Konkurrenz an der Zürcher Bahnhofstrasse etwa, die ihn kritisch, aber respektvoll verfolgt – oder aber seiner Mutter. Sie, die 20 Prozent des Unternehmens besitzt, mischt sich zwar nicht ins Geschäft ein, will es aber schon etwas genauer wissen, wenn der Sohn wieder einen Coup landen will. Sie fragt ihn dann, ob er sich der Risiken bewusst sei oder ob er denn die ganze Zeit wachsen müsse. Und er antwortet: «Ja, wir müssen wachsen, um überleben zu können.» Je mehr die fixen Kosten auf ein grösseres Volumen verteilt werden können, desto besser. Als er bei PKZ antrat, betrugen die Ausgaben für die Administration der 18 Geschäfte acht Prozent des Umsatzes, heute sind es bei 55 Läden nur noch vier Prozent. Grössenvorteile gibt es auch im Einkauf: Dank grossen Volumen kann PKZ günstiger ordern. Burger riskiert viel, aber er ist kein Hasardeur. Robert Ober, der auch aus einer Textilfamilie stammt, aber im Gegensatz zu diesem geschäftlich verkleinert hat, lobt Burgers Fähigkeit, «mutig und trotzdem wohl kalkuliert zu expandieren». Kurz vor Weihnachten 1996, als Burger die zahlungsunfähig gewordene Feldpausch übernahm, wurde ihm reihum das Desaster prophezeit. Doch Burger liess sich nicht beirren, er war vollends überzeugt, mit Feldpausch die feminine Spielart von PKZ gefunden zu haben. Kopfweh bereitete ihm einzig der Glaspalast an der Zürcher Bahnhofstrasse: Da sich die Firma mit dem Kauf der Immobilie übernommen hätte, sprangen die Mutter und der Bruder ein. Burger ist Mieter der Liegenschaft. Rund zehn Millionen Franken steckt er jedes Jahr in die Renovation und die Neueröffnung von Läden, rund fünf Millionen in die Werbung, die mit TV-Spots, Katalogen und Plakaten sehr aggressiv auftritt. Mit einer halben Million Adressen verfügt PKZ über eine der grössten Kundendatenbanken der Schweiz, und die vor Jahren lancierte «Insider»-Kundenkarte dient manchem Konkurrenten als Vorbild. In der Werbung tat Burger allerdings auch einen der wenigen Missgriffe seiner Laufbahn. Unter dem Titel «Adress» lancierte er die Weiterentwicklung des herkömmlichen Produktekatalogs zum Lifestyle-Magazin. Das sah zwar schön aus, steigerte die Nachfrage aber nicht. In Umfragen stellte sich heraus, dass das Publikum keine Artikel über Lebensart und Mode lesen, sondern die neusten Kleider sehen will. Burger blies die Übung ab: «Es fällt uns kein Stein aus der Krone, wenn wir etwas rückgängig machen, das nicht funktioniert.» Heute schickt er wieder die guten alten Produktekataloge in die Haushalte. Burger stellt hohe Anforderungen an sich selbst. «Ich will über alles fundiert Bescheid wissen», sagt er, «sonst fehlt mir die Grundlage zu entscheiden.» Er erwarte von sich als Chef, den Mitarbeitern eine Nasenlänge voraus zu sein. Besser sein zu wollen als die anderen, ist das eine. Diese davon profitieren zu lassen, das andere. Offenbar gelingt Burger das. «Er weiss genau, was er will, und fordert sehr viel», sagt Josef Omlin, Leiter des Burger-Geschäfts an der Bahnhofstrasse, «aber er hilft einem auch beim Erreichen der Ziele.» Mit seiner menschlichen und sachlichen Art fällt er nicht nur bei seinen Mitarbeitern, sondern auch in der mitunter exaltierten Textilbranche auf. Er gilt als Gentleman, auch wenn er sich in dieser Hinsicht weit vom Format des Vaters entfernt glaubt. «Burger ist kein Modegockel», sagt Werner Baldessarini, als ehemaliger Chef von Hugo Boss ein enger Geschäftspartner, «er hat ein auffallend gesundes Verhältnis zwischen Kalkül und Kreativität.» Dabei kann Philippe Olivier Burger, Anhänger der feinen britischen Lebensart, für sich in Anspruch nehmen, einen Fehler nicht gemacht zu haben: niemals nie zu sagen.
DER KÖNIG DER BAHNHOFSTRASSE Philippe Olivier Burger ist an der Zürcher Luxusmeile mit drei grossen Modegeschäften vertreten. Im Frühjahr 2002 hat Philippe Olivier Burger an der Zürcher Luxusmeile seinen dritten Laden eröffnet: das exklusive Herrenmodegeschäft Burger – nach Feldpausch und PKZ. Täglich betreten 300 000 Menschen vom Hauptbahnhof her die grösste Konsumbühne der Schweiz: Die Bahnhofstrasse zieht sich auf einer Länge von 1,4 Kilometern bis zum Seeufer hin. Seit Ende November wird die von 120 Geschäften und 200 Linden gesäumte Allee durch 20 640 weihnachtliche Lichtlein beleuchtet. Dieses Jahr strömen die Menschen zwar wie eh und je in die Läden, aber sie sind weniger kauffreudig als in den drei Boomjahren zuvor. Das Wetter ist zu warm, das Konsumklima trüb. Globus rechnet gemäss Geschäftsführer Werner Ammann, das gute Vorjahr nicht ganz zu erreichen. Manor-Leiter Felix Thoeny frohlockt dagegen mit einer leichten Umsatzsteigerung, zurückzuführen auf die kürzlich abgeschlossene Renovation des Hauses.
DER GROSSE SPRUNG DER VIERTEN GENERATION PKZ 2002: 55 Läden, 220 Millionen Franken Umsatz, 560 Mitarbeitende. 1881 Gründung in Winterthur. 1884 Übersiedlung nach Zürich. 1896 Eröffnung von PKZ-Filialen in diversen Schweizer Städten. 1910 Paul Kehl stirbt, Schwiegersohn Karl Burger übernimmt. 1935 Dritter Generationenwechsel: Walter und Rudolf Burger übernehmen. 1956 PKZ beschäftigt 1000 Personen in zwei Fabriken und 15 Filialen. 1974 Fabriken müssen geschlossen werden. 1984 Mit Olivier Burger übernimmt die vierte Generation. 1987 Olivier Burger übernimmt zwei Drittel der Aktien und die Führung. 1993 Olivier Burger wird nach dem Tod des Vaters VR-Präsident. 1994 Übernahme von 24 Esco-Filialen, PKZ wird zum grössten Herrenbekleidungsspezialisten der Schweiz. Gleichzeitig beginnt der Aufbau der Blue-Dog-Kette. 1997 Übernahme von Feldpausch, Umsatz klettert erstmals über 100 Millionen Franken. 2002 PKZ lanciert mit Burger an der Zürcher Bahnhofstrasse ein Geschäft für exklusive Herrenmode.
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