Hätte man vor gut neun Jahren mit 5000 Franken am Börsengang der Firma Bulgari teilgenommen, könnte man sich heute mit dem verdienten Geld locker eine Luxusuhr leisten. Die Aktie hat nämlich rund 750 Prozent zugelegt, das heisst 25 Prozent pro Jahr. Seit dem Tiefpunkt der Aktienmärkte im März 2003 haben Uhren- und Schmuckaktien besser abgeschnitten als der Gesamtmarkt. Titel wie Richemont oder Swatch haben im Schnitt fast 80 Prozent zugelegt, während der SMI etwas über 50 Prozent gewonnen hat. Zuvor wurde die Luxusindustrie von der schlechten Konsumentenstimmung während des Irakkrieges und dem Ausbleiben der asiatischen Touristen nach dem Ausbruch von Sars schwer getroffen. Die Erholung im Jahr 2004 und das relativ gute Weihnachtsgeschäft haben für bessere Stimmung bei den Uhrenfirmen gesorgt. Wie geht es nun weiter?

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Für langfristig denkende Investoren sind die Grundlagen der Uhren- und Schmuckindustrie nach wie vor sehr gut. Es gibt weltweit immer mehr Wohlhabende. Erwartet wird gemäss Merrill Lynch und Capgemini eine jährliche Zunahme der Anzahl Millionäre von sieben Prozent in den nächsten fünf Jahren. Das höchste Wachstum wird dabei aus Asien und Nordamerika kommen. Davon profitiert vor allem das obere Preissegment der Uhren- und Schmuckindustrie. Hier sind die Margen höher als im Tiefpreisbereich, weil Luxusmarken über erheblich mehr Preissetzungsmacht verfügen. Innerhalb der Uhren- und Schmuckbranche wird der Bereich der Brands überdurchschnittlich wachsen. Am globalen Schmuckmarkt, der auf rund 100 Milliarden US-Dollar geschätzt wird, ist heute nur ein kleiner Anteil «branded». Bei den Uhren trifft das Gegenteil zu. Da es viel Zeit und Geld braucht, um eine Marke zu etablieren, geniessen bestehende exklusive Schmuckmarken wie Cartier, Tiffany und Bulgari einen Wettbewerbsvorteil.

Die Russen und Chinesen kommen. Obwohl der Anteil der chinesischen und russischen Konsumenten am gesamten Uhren- und Schmuckmarkt, absolut gesehen, heute noch bescheiden ist, sind die soliden zweistelligen Wachstumszahlen eindrücklich. Betrachtet man die gesamte Luxusindustrie, so werden zurzeit rund 40 Prozent aller Luxusgüter von Asiaten gekauft, Tendenz steigend. Uhren- und andere Luxusgüteraktien haben daher einen überdurchschnittlichen Asienanteil. Die fernöstliche Affinität für exklusive Luxusmarken aus Europa ist bekannt. Marken wie Cartier, Rolex, Omega sind nicht nur eine Garantie für hoch stehende Qualität, sondern vielmehr Statussymbole, die man gerne zeigt. Eine wichtige Rolle spielen asiatische Touristen. Eine der Lieblingsbeschäftigungen dieser Touristen ist nämlich das Shopping, wobei sie am liebsten gleich noch für die zu Hause gebliebenen Verwandten und Freunde einkaufen. Ein chinesischer Tourist zum Beispiel gibt in der Schweiz pro Tag bereits zwei- bis dreimal mehr aus als der Gast aus Deutschland. Die World Travel Organisation schätzt, dass im Jahr 2020 gegen 100 Millionen Chinesen ins Ausland reisen werden. Die Luxusindustrie ist eine der wenigen Industrien, die nicht vom Wachstum und wirtschaftlichen Fortschritt in China bedroht werden, sondern davon profitieren.

Luxusgüterpreise steigen schneller als die Inflation. Das wiederum garantiert die Beständigkeit der hohen Margen. Die Firma Forbes hat in den letzten 25 Jahren die Preisentwicklung bestimmter Luxusartikel mit dem Konsumpreisindex verglichen (Forbes: The Cost of Living Extremely Well Index). Unter den Luxusartikeln befindet sich unter anderem die berühmte Tank-Uhr von Cartier. So hat sich der Preis des Luxusgüterkorbes in dieser Zeitperiode fast versechsfacht, doppelt so viel wie der Konsumpreisindex. Wir fokussieren beim Kaufentscheid einer teuren Uhr viel mehr die Marke und die Produktdetails als den Preis, solange dieser im Rahmen unserer Erwartungen liegt. Das heisst, wir kaufen kaum eine andere Uhr, nur weil sie zehn Prozent weniger kostet. Eine zusätzliche Marge von zehn Prozent ist aber erheblich für die Profitabilität einer Uhr. Gerade als Investor möchte man in Industrien investiert sein, in denen Firmen über Pricing-Power verfügen. Diese Eigenschaft erlaubt den Uhren- und Schmuckfirmen im oberen Preissegment unter anderem auch, die langfristige Schwäche des US-Dollars gegenüber den europäischen Währungen teilweise mit Preiserhöhungen auszugleichen. In vielen anderen Geschäftssparten nämlich kämpfen Firmen mit grossem Preisdruck und daher mit knappen Margen. Die Betriebsgewinnmarge bei Topuhrenmarken wie Rolex, Cartier und Patek Philippe liegt deutlich über 20 Prozent, einiges höher als im Tiefpreissegment.

Was macht eine erfolgreiche Uhrenfirma aus? Eine bekannte Marke oder schöne Uhren sind noch kein Garant für den Erfolg der Firma und damit der Aktie. Viele exklusive und bekannte Uhrenmarken sind nämlich nicht profitabel. Manchmal fehlt die kritische Grösse, oft ist aber ein schlecht geführtes Unternehmen mit fehlender finanzieller Disziplin die Ursache dafür. Die Marke ist wichtig. Manche sind allerdings besser für die Markenverbreiterung, die so genannte Brand-Extension, geeignet als andere. Bulgari stellt Uhren, Schmuck und Accessoires für Männer und Frauen her, ist aber ursprünglich eine Schmuckmarke. Das Image der erfolgreichen Marke IWC, der technischen und «männlichen» Uhr, würde nicht zur Lancierung von Schmuck passen, ist also tendenziell weniger erweiterbar. Sie hat, was den reinen Umsatz betrifft, weniger Potenzial als Marken wie Cartier, Tiffany oder Omega, die eine breite Produktpalette anbieten. Das optimale Gleichgewicht zwischen Umsatzwachstum und Beibehaltung der Markenexklusivität zu finden, ist eine echte Herausforderung für jedes Luxusunternehmen. Die Abhängigkeit von erfolgreichen Marken oder Produkten stellt aus Investorensicht allerdings auch ein Klumpenrisiko dar. Die berühmte Reverso-Uhr zum Beispiel macht einen grossen Anteil am Umsatz von Jaeger-LeCoultre aus. Omega und Cartier andererseits sind die Cash-Cows der Firma Swatch und von Richemont. Das Beispiel Ebel hat aber gezeigt, dass sogar auf Luxusartikel spezialisierte Firmen wie LVMH es nicht geschafft haben, aus einer teuer gekauften Marke eine Cash-Cow zu machen. Die Marke, die über keine klare Positionierung verfügte, wurde vor einem Jahr aufgegeben und mit Verlust an die amerikanische Firma Movado verkauft.

Eine erfolgreiche Uhrenfirma ist innovativ. Die meisten Uhrenkäufer besitzen schon eine Uhr, sind aber bereit, für eine neue, schöne Uhr viel Geld auszugeben. Konsumenten sind heute sehr anspruchsvoll und wollen immer wieder neue Produkte sehen. Die zur Firma Richemont gehörende Marke Cartier möchte mehr als 20 Prozent des Umsatzes mit neuen Produkten erzielen, nachdem dieser Anteil vor zwei Jahren bei rund 14 Prozent lag. Dass neben Umsatzwachstum andere betriebswirtschaftliche Faktoren die Profitabilität einer Firma stark beeinflussen, hat zum Beispiel Bulgari gezeigt. Mit dem Kauf des Schmuckproduzenten Crova und dem Joint Venture mit dem Diamantenlieferanten Leviev wurde die vertikale Integration gestärkt. Gleichzeitig wurde die Zeit zwischen Schmuckdesign und Produktlancierung verkürzt. Zusammen mit einer effizienteren Lagerbewirtschaftung haben diese Massnahmen in den letzten zwei Jahren zu höheren Margen und einer tieferen Nettoverschuldung geführt. Um die Umsätze nicht zu gefährden, wurden die Werbe- und Marketingausgaben hingegen auf hohem Niveau belassen. Diese können in der Uhrenindustrie je nach Grösse der Marke bis zu 20 Prozent des Umsatzes ausmachen.

Als regelmässige Besucherin konnte ich den Stimmungswechsel an der Uhrenmesse von Jahr zu Jahr klar spüren. Im Jahr 2003 war die Stimmung düster, da viele Asiaten wegen der erwähnten Sars-Krise ausblieben. Ein zentrales Thema waren die Kostensenkung und das effiziente Management der Lagerbestände, die damals hoch waren. 2004 kam die Erleichterung; man konzentrierte sich wieder auf die Lancierung neuer Produkte, blieb aber vorsichtig, was die Prognosen betraf. Für 2005 bin ich vor der Uhrenmesse natürlich gespannt, erwarte grundsätzlich aber ein robustes Jahr mit vielen Produktinnovationen.

Scilla Huang Sun ist Managerin des renommierten Clariden Luxury Goods Equity Fund. Sie hatte im Jahr 1993 ihre Karriere bei JP Morgan in Zürich und New York begonnen und war anschliessend sechs Jahre lang für die Bank Julius Bär als Analystin tätig. Im Jahr 200o wechselte sie als Analystin und Portfolio-Managerin zur Clariden Bank.