Es ist der Prolog des historischen Rennens Passione Caracciola. Wir rollen los am Mercedes-Museum in Stuttgart. In einem 300 SL - ein absoluter Traumwagen.

Nico Rosberg, wie fährt sich dieses Auto?
NicoRosberg*: Ich bin ein Riesenfan von Classic Cars, lese die ganze Zeit darüber. Das hier ist so ein Auto, von dem ich träume, dass es eines Tages bei mir in der Garage steht. Sponsoren-Events sind ja eigentlich Arbeit, aber das hier kann ich absolut nicht als Arbeit sehen. Dazu macht das zu viel Spass.

Können Sie als Werksfahrer von Mercedes nicht einfach einen 300 SL aus dem Fuhrpark holen?
Nein, das ist schon sehr selten, dass man so ein Auto fahren darf ... und an die Bremse muss ich mich noch gewöhnen. Und das ist auch eine Erinnerung, was für eine Ehre es ist, für Mercedes zu fahren. Weil Mercedes mit Ferrari top ist in Sachen klassische Autos, und Mercedes hat ja das Auto quasi erfunden.

Rosberg fährt auf die Autobahn und beschleunigt.

(Lacht.) Das ist unglaublich: Diese Autos sind 60 Jahre alt, und da ist schon so eine gigantische Technologie drin. Der hat jede Menge Power, klingt genial, selbst die Schaltung ist relativ easy. Es fehlt nur ein bisschen an der Sicherheit, er hat keine Gurte.

Stimmt. Die waren wohl in den fünfziger Jahren noch kein Thema.
Sie schreiben für ein Wirtschaftsmagazin? Da ist doch der Markt für klassische Autos sicherlich ein Thema?

Absolut, die Preise steigen ständig, Oldtimer gelten längst als gute Geldanlage. Es gibt inzwischen sogar Fonds, die ihr Geld in alten Autos anlegen. Man muss das Auto auch bewegen, aber das ist ja Teil der Freude daran. Der Markt hat sich in den letzten Jahren extrem entwickelt. Haben Sie eine Idee, warum?
Vielleicht suchen die Leute nach der Romantik und den Werten, dem Habitus, der in alten Benz, Porsches oder Bugattis steckt. Aber im Gegensatz zu Kunst werden diese Autos ja nicht mehr produziert, die steigende Nachfrage trifft also auf ein gleichbleibend knappes Angebot. Das treibt die Preise hoch.

Viele Rennfahrer wohnen in der Schweiz. Kam das nie als Alternative in Betracht?
Nein, ich bin in Monaco aufgewachsen, das ist mein Zuhause. Und die Gegend dort in Südfrankreich ist toll, auch das Klima und die Leute, und dass es keine Steuer gibt, ist sicher auch ein Vorteil. Aber dort sind vor allem meine Familie und meine Freunde. Es ist schlicht meine Heimat. Woanders zu wohnen, kam nie in Frage für mich.

Wie kann man auf Ihrem Niveau die Fahrtechnik noch verbessern?
In vieler Hinsicht. Zum Beispiel den Fokus zu halten - dass nicht zu viel Ablenkung ist. Im Sport, im Beruf, auch im Privatleben. Das Fahren in der Formel 1 ist sehr intensiv, und wenn man nebenher viel hat, was einen belastet, dann hat das direkten Einfluss auf den Sport. Und klar, die Strecke möglichst blind zu kennen, und mit der Technik das Auto immer mehr auf den Punkt zu bringen, auch sich selbst.

Mental?
Ja, auch. Klar.

Sie und Ihre Frau haben Nachwuchs. Ablenkung wäre genug da.
Ich meinte mit Ablenkung schon eher Sorgen. Positive Ablenkung ist ja meistens okay.

Sie machen meistens einen fröhlichen, positiven Eindruck. Das stelle ich mir noch schwierig vor, wenn man ständig in Interviews den teaminternen Konkurrenzkampf bei Mercedes kommentieren soll und den Druck, unter dem man steht.
Ich versuche - und klar, es ist ein Versuch und ist nicht immer einfach - eine positive Einstellung zu behalten. Immer, auch wenns mal nicht so läuft. Und natürlich auch, ein bisschen Abstand zu nehmen von dem Ganzen. Wenn ich immer alles lesen würde, was über mich in der Presse steht, würde mich das vielleicht zu sehr zum Grübeln bringen. Und das würde nur zusätzlich Energie kosten. Also: Ein bisschen Abstand, das ist für mich der richtige Weg im Sport. So wie jetzt, das ist wirklich cool, hier bei Sonnenschein im 300 SL Cabrio zu sitzen.

Michael Schumacher hat mal gesagt, von Pedro Diniz schaue er sich beim Hinterherfahren gelegentlich noch was ab. Haben Sie auch einen, von dem Sie sich was abschauen?
Ja, klar, von meinem Teamkollegen. Von den anderen aber auch. Man macht nie selber alles richtig. Also pickt man das Beste raus und wendet es selber an.

Schikanen und Bremspunkte.
Ja, genau.

Wie ist es auf öffentlichen Strassen für Sie?
Ich habe das Glück, dass ich mich auf der Rennstrecke austoben kann. Privat bin ich sehr entspannt. Und mit alten Autos kann man ja sowieso nicht so schnell fahren. Aber ich mag gern etwas Gas geben mit den alten Autos - da fährt man 80 und spürt schon alles.

Und wie wärs mit einer Tour über die Alpenpässe?
Das wäre schon toll. Hab ich aber noch nicht gemacht. Also die Bremse ist echt schwierig an diesem Auto, die ist an oder aus. Schwierig, ein Mass zu finden. Ist nicht so wie in den modernen Autos, wo man ganz feinfühlig dosieren kann. Ich würd jetzt aber auch mal gern ein bisschen Gas geben.

Als Beifahrer merkt man von der diffizilen Bremse nichts. Rosberg bremst vor Ampeln ganz souverän an den Vordermann heran.

Durch die langjährige Zusammenarbeit zwischen dem Mercedes-AMG-Petronas-Formel-1-Team und IWC Schaffhausen kennt IWC-CEO Georges Kern beide Formel-1-Fahrer von Mercedes gut. Sie sind zwei völlig verschiedene Typen, hat Kern beobachtet:«Lewis (Hamilton) ist sicher spontaner, extrovertierter, die Sportjournalisten sagen ja, er sei ein Instinktfahrer.» Für Nico Rosberg hingegen zieht Kern den Vergleich zu Michael Schumacher: «Ein Fahrer, der die Technik kennt, das Auto stetig verbessert, mit den Mechanikern und Ingenieuren zusammenarbeitet - und ein sehr sympathischer Typ. Zudem finde ich ihn dieses Jahr viel entspannter als letztes Jahr. Das wird ein spannendes Saisonfinale.»

Nico Rosberg, wäre Rallye etwas für Sie?
Nein, überhaupt nicht. Ist mir auch zu gefährlich, glaube ich. Die Rallyefahrer würden ja sagen, wir sind verrückt. Wir sagen, die sind verrückt.

Könnte man sich seinen Fahrstil kaputtmachen, wenn man so unterschiedliche Disziplinen fährt? Mit den offenen Rädern müssen Sie ja extrem sauber fahren.
Sauber fahren muss man auch im Rallye, das ist überall gleich. Was aber stimmt: Im Formelsport kann man zu aggressiv sein, und das geht dann nach hinten los. Man muss sehr genau fahren mit diesen Autos, um schnell zu sein.

Rosberg beschleunigt. Der Sound wird lauter, knackig, sonor.)

(Grinst.) So muss das sein.

Haben Sie die Befürchtung, dass Sie als frischgebackener Vater unwillkürlich nicht mehr so viel Risiko eingehen?
Nein, das befürchte ich nicht, aber ich werde mit Interesse verfolgen, was sich da bei mir ändert. Denn darüber hört man sehr viele verschiedene Meinungen. Die Legende sagt ja, dass man eine halbe Sekunde pro Runde pro Kind verliert. Das hat beim Vettel letztes Jahr auch zugetroffen.

Sebastian Vettel schloss die Saison 2014 mit dem fünften Rang ab, nachdem er im Jahr zuvor noch zum vierten Mal in Folge Weltmeister geworden war. Dem Auto geben Sie bei Vettel keinen Anteil?
Doch, doch, klar. Er ist ja momentan einer der besten Fahrer im Feld. Wir haben allerdings schon das beste Auto. Wollen wir noch mal über Wirtschaft diskutieren?

Klar. Ihre Geldanlagestrategie würde mich interessieren.
Sehr schwierig im Moment. Die Zinsen sind ja am Boden ... also was macht man? Alle stürzen sich auf Immobilien, wo soll man sonst investieren? Und mit Sicherheit muss man jetzt ein bisschen Geduld haben. Ich verfolge die Finanzwelt allerdings erst seit 2009 - davor habe ich mich kaum dafür interessiert, weil ich damals gar kein Geld hatte. Also kenne ich die guten Zeiten gar nicht, sondern nur die aktuelle Misere.

Wie gehen Sie jetzt vor?
Verschiedene Dinge tun, diversifizieren ist sicher ein Weg. Mal ein klassisches Auto kaufen oder eine Wohnung, die man vermietet. So hab ich das auch gemacht; ich hab in London eine Wohnung gekauft und die vermietet.

Erledigen Sie das eigenhändig?
Nein, ich interessiere mich zwar sehr dafür, aber lasse mir von Profis helfen. Ich persönlich wäre für Investmententscheidungen auch der Falsche, weil ich zu emotional bin. Das würde mein Leben zu sehr beeinflussen.

Sie haben ja mit IWC zusammen eine eigene Uhr entwickelt - die Ingenieur Chronograph Edition «Nico Rosberg». Wie lief das ab? Worauf haben Sie Wert gelegt?
Es war eine grossartige und spannende Erfahrung, mit den Entwicklern und Designern von IWC zusammenzuarbeiten. Ich hatte konkrete Vorstellungen, wie die Uhr aussehen sollte, und konnte diese einbringen. Die Uhren von IWC verkörpern für mich nicht nur hochkomplexe Technologie, sondern auch Leidenschaft und Emotionen. Dies wollte ich auch in meiner Uhr zum Ausdruck bringen. Und die Uhr sollte ausserdem leicht und sportlich sein. Die Kombination meines Lieblingsmaterials Titan mit schwarzem Band und hellem Zifferblatt ergab einen wirkungsvollen Kontrast. Ausserdem ist die gelbe Einfärbung der Zeiger eine Reminiszenz an meinen neongelben Helm, der sieben Jahre mein Markenzeichen war.

Georges Kern war überrascht, wie intensiv sich Rosberg wie auch Hamilton in die Entwicklung eingebracht haben.«Nico hatte ganz klare Vorstellungen. Ich muss sagen, ich war echt erstaunt. Wenn man so eine Uhr mit Testimonials macht, ist das auch ein gewisses Experiment. Aber die beiden haben Gestaltung, Farbgebung, Materialien und andere ästhetische Elemente stark beeinflusst.»

Auf Ihrem Fahrerhandschuh ist die grosse Fliegeruhr aufgedruckt. Ist das Ihre bisherige private?
Ich trage immer eine IWC - auch privat. Mit 16 habe ich von meinem Vater die erste IWC geschenkt bekommen und besitze sie noch heute.

Der Verkehr auf der Autobahn 81 Richtung Singen lichtet sich, Nico Rosberg findet immer mal wieder genügend Raum, um zu beschleunigen, und tut das auch beherzt. Der satte Sound macht deutlich, wie viel Leistung in dem Oldtimer steckt. Der Tacho zeigt es auch: Er reicht bis 270 km/h.

Jetzt ist mal etwas Platz zum Fahren.
Der Tacho ist schon eine Ansage. Es ist toll, wenn diese Autos noch 100 Prozent original sind und so richtig Patina haben. Aber auch, wenn sie perfekt restauriert sind, das ist auch sehr wertvoll. Von dieser Serie hier wurden 1800 Autos gebaut, aber die letzten 250 hatten Aluminiummotor und Scheibenbremsen. Exemplare mit diesem Motor sind extrem gesucht.

Steht in Ihrer Garage auch ein Oldtimer?
Ich habe eine Pagode. In Hellblau, von 1970.

Schön - ein in der Classic-Szene begehrtes Mercedes-Cabrio. Damit fahren Sie in den Bergen um Monaco herum?
Ja, die Gegend ist toll dafür. Da nehm ich die Pagode raus und geniesse einfach das Autofahren. Manchmal geb ich auch ein bisschen Gas.

Und die Pagode, immerhin 45 Jahre alt, macht das mit?
Ja, die ist komplett restauriert. Steht da wie an dem Tag, als sie verkauft wurde. Da ist jede Schraube neu.

Und das Besondere an Oldtimern: Selbst wenn die Rendite mal ausbleibt, hat man zumindest noch den Spass daran - die emotionale Rendite. Wie bei Kunst.
Das ist das Coole bei alten Autos. Kunst, okay, die kann man sich noch anschauen, aber bei alten Autos kann man seine Frau mit auf eine Italien-Tour nehmen und dabei quasi noch Geld verdienen. Was Besseres gibts doch gar nicht.

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*Als Sohn des Formel-1-Weltmeisters Keke Rosberg war ihm das Gasgeben in die Wiege gelegt: Mit elf startete er seine Karriere im Rennkart, fuhr dann Formel BMW, Formel 3 und GP2, wo er 2005 Meister wurde. Der 30-Jährige, verheiratet und seit wenigen Wochen Vater einer Tochter, stieg 2006 in der Formel 1 ein: bei Williams. Seit 2010 ist er bei Mercedes, wurde 2014 Vizeweltmeister hinter Teamkollege Lewis Hamilton.

Dirk Ruschmann
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