Schon seit Wochen wird das Medikament Avigan (Favipiravir) als mögliche Durchbruchbehandlung in der Coronavirus-Pandemie gehandelt. Nun liefert Japan das Grippemittel der Gesundheitstochter von Fujifilm gratis an 38 Länder aus, wie Aussenminister Toshimitsu Motegi am Dienstag bekanntgab. Mehr als 70 Länder hätten sich um das Medikament bemüht, sagte Motegi.

Unter den 38 Staaten sind 25 europäische Nationen. Das Aussenministerium nannte nicht alle Empfänger, doch Motegi erwähnte in einer früheren Pressekonferenz vor allem osteuropäische Länder. Die Schweiz war nicht unter den damals genannten 20 Staaten, dafür Indonesien, die Ukraine und der Iran.

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Corona-Zulassung im Mai?

Im März hatte die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua gemeldet, dass Avigan «gute klinische Wirksamkeit» gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 zeige. Ein Test mit 200 Personen in Shenzhen und Wuhan habe gezeigt, dass Patienten, denen das Mittel verabreicht wurde, viel schneller virenfrei waren und weniger schwere Lungenschäden erlitten als die Kontrollgruppe.

Der antivirale Wirkstoff Favipiravir sei «sehr sicher und eindeutig wirksam», so Zhang Xinmin, Leiter des Nationalen Zentrums für Biotech-Entwicklung in Beijing, gegenüber den Medien. In Japan befindet sich Avigan nach Angaben von Fujifilm zur Zeit in Phase 3 der klinischen Studie und könnte bereits im Mai zur Behandlung des neuen Coronavirus zugelassen werden.

Der indische Pharmakonzern Glenmark startete am Donnerstag ebenfalls klinische Studien zum Einsatz des bisher nur in Japan als Grippemittel zugelassenen Wirkstoffs gegen Covid-19.

Avigan funktioniert laut Experten vor allem bei moderaten Symptomen und in einer frühen Phase der Infektion. Bei schweren Verläufen, wenn sich das Virus bereits stark ausgebreitet hat, sei das Mittel weniger wirksam, so eine anonyme Quelle gegenüber der Zeitung «Mainichi Shinbun».

Fruchtschädigende Eigenschaften

Laut der Plattform Pharmawiki.ch ist Favipiravir ein antiviraler Wirkstoff aus der Gruppe der RNA-Polymerase-Inhibitoren. Die Effekte beruhen auf der Hemmung des viralen Enzyms RNA-abhängige RNA-Polymerase, welches bei der Genreplikation eine wichtige Rolle spielt. Dadurch wird die Virusvermehrung blockiert.

Avigan ist auch in Japan nicht in Apotheken oder Spitälern erhältlich, sondern wird von der Regierung als Notfallmedikament eingesetzt, wenn neue oder gefährliche Influenza-Virusstämme auftreten, gegen die andere Medikamente nicht wirksam sind.

Favipiravir darf von Schwangeren und Frauen, die schwanger werden wollen, nicht eingenommen werden. Der Wirkstoff ist bei Männern zudem im Sperma nachweisbar. Wegen weiterer Nebenwirkungen dürfen auch Kinder das Medikament nicht nehmen.

Im Einsatz gegen Ebola

Favipiravir hat eine interessante Geschichte, die «Nikkei Asian Review» in einem langen Artikel beschrieben hat.

Der Wirkstoff wurde 1998 von Toyama Chemical entdeckt. Doch die Entwicklung von Tamiflu durch den Basler Pharmariesen Roche und das fehlende Interesse von potenziellen Partnern liessen das Produkt für lange Zeit in der Schublade verschwinden. Erst nach der Übernahme durch Fujifilm 2008 war das Geld vorhanden, eine Zulassung anzustrengen.

Wegen der schädlichen Auswirkungen auf den Fötus und einer schwächeren Wirkung gegen Grippeviren als Tamiflu dauerte das Zulassungsverfahren in Japan drei Jahre statt des üblichen Jahres. Erst mit der Ebola-Epidemie 2014 wendete sich das Blatt zugunsten der inzwischen als Avigan geschützten Tabletten.

Eine französische Krankenschwester, die sich in Liberia mit Ebola angesteckt hatte, sei mit Avigan geheilt worden, berichteten Medien. 2016 lieferte Japan das Mittel nach einem erneuten Ebola-Ausbruch nach Guinea. Schliesslich konnte Fujifilm das Patent nach China lizenzieren, weshalb es früh gegen Covid-19 eingesetzt wurde – und nun plötzlich im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit steht.