Die volkswirtschaftlichen Kosten für die Schweizer Landwirtschaft sind wieder gestiegen. Und zwar um vier Prozent auf 20,7 Milliarden Franken pro Jahr. Das zeigt eine aktuelle Version des «Privilegienregisters der Schweizer Landwirtschaft» von Avenir Suisse.

Das Analysepapier misst die Subventionen in der Schweizer Landwirtschaft. Und es untermauert die Position des Zürcher Think Tanks in der Schweizer Agrarpolitik. Die Denkfabrik schiesst seit Jahren gegen diese «Subventionitis». 

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Dabei argumentiert Avenir Suisse vor allem mit Zahlen zu den Kosten der Landwirtschaft für die Schweizer Volkswirtschaft:

  • Jeder Vollzeitbeschäftigte kostet 200'000 Franken pro Jahr
  • Das sind im Durchschnitt 400'000 Franken pro Bauernhof
  • Damit belaufen sich die Kosten pro Quadratkilometer landwirtschaftlicher Nutzfläche auf zwei Millionen Franken pro Jahr 
  • Das sind jährlich 44,7 Millionen Franken und 1,9 Millionen Franken pro Stunde

Avenir Suisse kommt zum Schluss, dass die Kosten seit 2018 erneut angestiegen sind. Die Steuerzahler kommen für 23 Prozent auf, 18 Prozent berappen die Konsumenten, 37 Prozent sind Umweltkosten und 22 Prozent davon zahlen die Unternehmen in Form «verpasster Möglichkeiten», ihre Güter zu exportieren.

Umweltschädliches Verhalten gar gefördert

Die Rechnung belasten vor allem gestiegene Umweltkosten. Sie verursachten Mehrausgaben in der Höhe von 700 Millionen Franken.

Diese haben sich vor allem aus dem Einsatz von Pestiziden, einem gestiegenen Phosphorüberschuss sowie aus dem Verlust von Biodiversität ergeben. Vereinzelt wird mit den Agrarsubventionen «umweltschädliches Verhalten gar gefördert oder zumindest nicht sanktioniert», heisst es im Register.

«Politische Einflussnahme der Agrarwirtschaft»

Als politische Rechtfertigung für Subventionen und Vergünstigungen würden von der Agrarlobby regelmässig «in Nöten steckende Bauernfamilien» genannt, schreibt Avenir Suisse. Dabei würden sie am wenigsten davon profitieren.

«Beachtliche Teile der aufgewendeten Steuergelder fliessen an vor- und nachgelagerte Teile der agrarwirtschaftlichen Wertschöpfungskette», heisst es.

«Die politische Einflussnahme der Agrarwirtschaft in der Schweiz ist hoch, für keinen anderen Wirtschaftssektor klaffen politische Repräsentanz und wirtschaftliche Bedeutung stärker auseinander», schreiben die beiden Autoren Patrick Dümmler und Jennifer Anthamatten. In der Schweiz sind nur 2,4 Prozent der Angestellten in der Landwirtschaft tätig. 

Schweizer Bauernverband: «Wollen Schweizer Landwirtschaft begraben»

Der Schweizer Bauernverband ist gar nicht einverstanden mit den Äusserungen von Avenir Suisse: «Avenir Suisse versucht einmal mehr vor allem zu provozieren und so Aufmerksamkeit zu erregen», sagt Mediensprecherin Sandra Helfenstein. Die selbsternannte Denkfabrik fokussiere nur auf die Kosten und lasse die Optik des Nutzens der Landwirtschaft «völlig ausser Acht». 

Nur ein Teil der aufgelisteten Kosten seien effektiv mess- und entsprechend nachvollziehbar, sagt Helfenstein. Die übrigen wie die Umweltkosten oder die verpassten Exportchancen sind laut der Sprecherin «rein hypothetische Werte», denen kein schlüssigen Berechnungen zugrunde liegen würden. «Der Bericht von Avenir Suisse ist reine Zahlenakrobatik mit dem einzigen Ziel ihr neoliberales Weltbild zu zementieren, den Grenzschutz zu torpedieren und die auf Familienbetrieben basierende Schweizer Landwirtschaft zu begraben.»

Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit

Die Agrarpolitik habe aber auch Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz: Im neuesten Report des WEF über die Wettbewerbsfähigkeit von 141 Ländern belegt die Schweiz nur noch Platz 5. Davor war sie jahrelang an der Spitze. In diesem Ranking zogen vor allem die Handelshürden (Rang 87) und das komplexe Zollsystem (Rang 141) die Schweiz nach unten. «Beides Indikatoren, die stark von der politisch gewollten Abschottung des inländischen Agrarmarktes geprägt sind», heisst es. 

Avenir Suisse räumt im Paper aber auch ein, dass die Bauern mit einem Dilemma konfrontiert sind: Einerseits müssen sie hohe Preise für landwirtschaftliche Produktionsfaktoren bezahlen, anderseits sind sie mit tiefen Margen beim Verkauf ihrer Produkte an die Industrie und die Detailhändler konfrontiert. Dafür nennt Avenir Suisse weitere Zahlen: Jeder Schweizer Haushalt finanziert die Agrarpolitik mit 2300 Franken pro Jahr. Wobei dieses Geld nicht vollumfänglich an die Bauern geht, sondern die gesamte landwirtschaftliche Wertschöpfungskette.

EU-Landwirte verdienen mehr Geld im Markt

Die Konsumenten würden 1000 Franken pro Jahr beitragen, weitere 1300 würden die Steuerzahler als einzelner Haushalt «rechnerisch» in den Agrarsektor einzahlen. So gibt die Schweiz drei Mal so viel für die Agrarwirtschaft aus wie etwa für die ETH Zürich, schreiben die Autoren. 

Bauern würden heute rund einen Viertel mehr Geld von der öffentlichen Hand erhalten als ein Rentner aus dem AHV-Topf. «Auf einen Franken verdienen die Bauern nur 46 Rappen am Markt. Über die Hälfte stammt von Subventionen», schreiben die Autoren.  

Zum Vergleich: In der EU werden 80 Rappen eines Frankens durch die Landwirte am Markt verdient, in den USA sind es 88 Rappen und in Neuseeland gar 99 Rappen. 

In der Schweiz gebe der Staat gleichviel für den Umweltschutz wie für die Landwirtschaft aus. «Und das in Zeiten einer allgemein höheren Sensibilisierung für ökologische Themen», bemängeln die Autoren Dümmler und Anthamatten

Grenzöffnung als Lösung

Der Think-Tank schlägt eine Grenzöffnung für Agrargüter vor. Diese Massnahme hätte laut Avenir Suisse eine Reduktion der Lebensmittelpreise in der Schweiz, den Abbau von Grenzkontrollkosten sowie die Erhöhung der Chance auf den Abschluss neuer Freihandelsabkommen zur Folge.

Dazu schlägt der Think Tank eine Neudefinition von der Versorgungssicherheit vor. Diese soll aus verschiedenen Ländern sichergestellt werden. Des weiteren weist Avenir Suisse auf die «Abkehr von strukturerhaltenden Transfers» hin. Weiter sollen Regulierungen abgebaut und «unternehmerische Elemente in der Agrarpolitik» gestärkt werden.