Fast wie Schmul Meier aus Bertold Brechts «Dreigroschenoper», der sich «an nem schönen blauen Sonntag» ermordet in der Themse wiederfand, dürfte sich am Abend des 11. Juli auch Allen Wheat gefühlt haben. Ausgerechnet nach London, dem Schauplatz des brechtschen Singspiels, hatte Credit-Suisse-Chef Lukas Mühlemann den Lenker der CS First Boston zum Rapport geladen – und ihn dort ohne Umschweife gefeuert. Sein Nachfolger: John Mack. Der Mann mit dem Spitznamen «Mackie Messer» – die Gaunerfigur aus der «Dreigoschenoper» – soll den Laden nun auf Vordermann bringen. Ein Kunststück, das dem 56-Jährigen durchaus zuzutrauen ist: Als langjähriger Präsident von Morgan Stanley zeichnete sich Mack in der Vergangenheit durch Entschlossenheit und einen straffen Führungsstil aus. Zudem ist er bestens vernetzt und verfügt über reichlich Integrationserfahrung – bei der CSFB, durch zahlreiche Akquisitionen in den letzten Jahren von 5000 auf 28 000 Mitarbeiter angeschwollen, ein wichtiger Faktor. Mack, ein Sohn libanesischer Einwanderer aus North Carolina, gilt als jemand, der im Bedarfsfall brutal hart durchgreifen kann. Gerade wegen dieser Qualität hat Mühlemann ihn geholt. Macks Vorgänger, Allen Wheat, mag die Firma in die Spitzengruppe der Investmentbanken geführt haben, aber hinter den Kulissen herrschte wegen des laxen Risikomanagements das Chaos. 1998 verlor die Firma wegen Spekulationen mit russischen Wertschriften 1,3 Milliarden Dollar, 1999 wurde CSFB in Schweden wegen versuchter Börsenmanipulation verurteilt, kurz darauf kam es zu einem ähnlichen Skandal in Japan, heute steht die CSFB Technology Group aus dem Silicon Valley im Visier der US-Behörden. Zudem sind die Personalkosten völlig aus dem Ruder gelaufen. Viel Gelegenheiten also für John Mack, um seinem Ruf gerecht zu werden.

Seine Vertrauten
Mit dem stockkonservativen und an der Wall Street überaus renommierten Anwalt Stephen R. Volk holte Mack einen alten Freund und Gewährsmann an seine Seite. Damit sendet er ein deutliches Zeichen in Richtung Börsenaufsicht und New-Yorker Staatsanwaltschaft. Zudem dürfte Mack von Volks besten Verbindungen zu Wirtschaftsgrössen wie Jack Welch von General Electric oder dem legendären Investmentbanker Joe Perella profitieren. Forsch ist Mack nicht nur im Berufs-, sondern auch im Privatleben: 1968 traf Mack auf einer Party den bekannten US-Fernsehmoderator Charlie Rose und dessen Frau Mary. Macks erste Frage an Mrs. Rose war, ob sie eine Schwester habe. Sie hat: Marys Schwester Christy ist seither Macks Ehefrau. Regelmässigen freundschaftlichen Umgang pflegt Mack daneben mit einflussreichen Prominenten verschiedener Couleur, von Senator Jesse Helms über den früheren New-Yorker Polizeichef William J. Bratton bis zu IBM-Chef Louis V. Gerstner Jr.

Seine Widersacher
Trotz Sieger-Image: Den grössten Machtkampf seines Lebens hat Mack verloren. Vier Jahre lang hatten er und Philip Purcell nach der Fusion von Morgan Stanley und Dean Witter die Investmentbank gemeinsam geführt. Purcell durfte sich Chairman nennen. Mack musste sich mit der Juniorrolle und dem Präsidententitel begnügen. Das Verhältnis der beiden Chefs verschlechterte sich, als die Geschäfte nicht mehr so gut liefen. Im Wertpapierbereich, den Mack leitete, gab es eine regelrechte Kündigungswelle. Derart geschwächt, reichte Mack im Februar seinen Rücktritt ein. Nun fragt sich die Wall Street, inwieweit er sein neues Engagement zu einem persönlichen Rachefeldzug gegen Purcell nutzen könnte. Mit seinen anderen direkten Konkurrenten, Citigroup-CEO Sandy Weill und Merrill-Lynch-Chef David Komansky, pflegt Mack dagegen einen freundschaftlichen Umgang. Als seine heikelste interne Mission gilt die Disziplinierung von Star-Investmentbanker Frank Quattrone. Der hatte während des Hightechfiebers die CSFB zu einer führenden Adresse im internationalen Investmentbanking gemacht – und sich und seinem Team fette Profite zugeschanzt. Mack wird die Primadonna aus Palo Alto stärker an die Kandare nehmen oder ihre Demission bewirken. 1996, bei Morgan Stanley, waren die beiden schon einmal aneinander geraten, mit dem Ergebnis, dass Quattrone zur Deutschen Bank wechselte. Auch mit Melvyn Weiss wird Mack Bekanntschaft machen. Der prominente US-Anwalt vertritt jene Anleger, die erst bei den aus seiner Sicht nach oben manipulierten Kursen eingestiegen sind.

Seine Starthelfer
Mit John Mack hat CS-Präsident Lukas Mühlemann endlich einen knallharten Manager, der im Stande ist, dem Tohuwabohu bei der CSFB ein Ende zu bereiten. Mühlemann, einstiges Wunderkind der Schweizer Bankenwelt, hat zuletzt schwer an Ansehen eingebüsst. So kann sich Mack auf dessen volle Unterstützung verlassen – vom Gelingen der «Mission Mack» bei CSFB hängt auch Mühlemanns Schicksal entscheidend ab. Wie lange Mack mit der Rückendeckung des zweiten starken Manns in Zürich, Thomas Wellauer, rechnen darf, bleibt abzuwarten. Der frischgebackene Chef der Credit Suisse Financial Services jedenfalls hat Spekulationen um einen Zweikampf um die Nachfolge Mühlemanns erst einmal artig zurückgewiesen. An der heimischen Front hängt Macks Erfolg auch davon ab, inwieweit es ihm gelingt, Jim McCaughan, den Chef der Credit Suisse Asset Management Americas, bei Laune zu halten. Ab Januar wird dessen Reich mit der CSFB unter der Leitung von Mack zusammengeführt.

Seine Polit-Connection
Das Netzwerk von Mack in der Politik ist bescheiden. Wohl auch deswegen hatte er bei der Kandidatur um die Nachfolge von Arthur Levitt Jr. als Chairman der amerikanischen Börsenaufsicht SEC keine Chance gegen den gut vernetzten Washingtoner Anwalt Harvey Pitt. Dabei könnte Mack eine stärkere Verankerung auf dem politischen Parkett gut gebrauchen. Mittlerweile beschäftigt sich ein Komitee des US-Kongresses mit den Praktiken an der Wall Street und fordert eine verschärfte Kontrolle der Investmentbanken durch die SEC. Macks Job wird es sein, die Politiker von einer milderen Gangart zu überzeugen. Persönlich gut bekannt ist Mack immerhin mit Colin Powell. Vor zwei Jahren setzte er sich mit grossem Engagement für eine Bildungsinitiative des heutigen Aussenministers ein.
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