Macht wird mit gewissen Insignien assoziiert: etwa einer grossen Zahl unterstellter Mitarbeiter oder einer milliardenschweren Börsenkotierung. Solche Reduktionen sind nur ein Teil der Wahrheit.

Wie sieht Macht aus bei Verbänden und Organisationen? Die Boulevardisierung der Machtdefinition, aktuell auf die Frage nach «Gier» und «Abzockerei» reduziert, hat hier noch nicht Einzug gehalten, die Höhe der Jahresbezüge ist unerheblich. Hauptkriterium ist der Einfluss, den eine Organisation auf die Meinungsbildung oder den ein Wissenschaftler auf eine ganze Disziplin haben kann.

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Entscheidend ist die Wirkung: Ob eine Forscherin mit einem kleinen Team Einfluss hat, hängt von ihrer Persönlichkeit, ihrer Kreativität und Überzeugungskraft ab. Ob eine Organisation Einfluss auf die Meinungsbildung ausübt, hängt vom «Kopf» ab, der seine Idee durchsetzt.

Die Erfahrung lehrt, dass – im Sinne von einflussreich – wirklich mächtig ist, wer quer denkt und a priori nichts ausschliesst. So setzte Henri Dunant die Idee des Roten Kreuzes durch, so entwickelten sich Grössen wie Pestalozzi oder Einstein, stellvertretend für Generationen von überragenden, wenngleich weniger bekannten Visionären.

So gibt es immer wieder und zum rechten Zeitpunkt jene, welche die Weiterentwicklung der Gesellschaft katalysieren, weil ihr Einfluss nicht auf der eigenen Macht und ihrer Erhaltung beruht, sondern weil sie – anders als traditionell Mächtige – eine Idee verfolgen, die ihre persönliche Macht überdauert. Auch von ihnen finden wir einige in der Rangliste; man wünschte sich mehr.

1 - Schwab Klaus (66)
World Economic Forum
Der Vater des World Economic Forum (WEF) ist vernetzt wie kaum ein Zweiter. Das WEF hat er zu einem der wichtigsten Gipfeltreffen des Planeten gemacht – unvergessen bleiben das Treffen von PLO-Führer Jassir Arafat mit Israels Premier Shimon Peres 1994 oder die Begegnung von Hans Modrow und Helmut Kohl gleich nach dem Mauerfall. Schwab sieht sich, wie er der BILANZ im Interview sagte, als «Chef-Zweifler der Welt» – ein Zweifler mit viel Macht. Note 8,83

2 - Hasler Peter (58)
Direktor Schweizerischer Arbeitgeberverband
Seinen Gegnern gilt der Jurist als die Speerspitze der Sozialabbauer. Eine «Versorgermentalität» lässt seiner Meinung nach die Schweiz ständig weiter zurückfallen. Kaum vorstellbar, dass das heutige FDP-Passivmitglied einst in Greifensee einen Ableger der Sozialdemokratischen Partei gegründet hat. Überrascht hat darum auch, als er medienwirksam die Gleichberechtigung der Geschlechter als wichtiges Anliegen ausgerechnet seines Verbandes präsentierte. Note 8,30

3 - Kellenberger Jakob (59)
Präsident IKRK
Der manchmal knorrig wirkende Mann scheut sich nicht, Tacheles zu reden, wenn es sein muss; er hat wiederholt die USA direkt zum Handeln aufgefordert. Zum Beispiel bestand er hartnäckig darauf, dass seine Mitarbeiter weltweit Kriegsgefangene besuchen können. Beim letzten «Swiss Award» von SF DRS und verschiedenen Medien, darunter der BILANZ, wurde er für «Mut, Innovation, Kreativität oder Eigenwilligkeit» in der Kategorie Gesellschaft ausgezeichnet. Note 8,16

Plätze 16–20
16 Blatter Joseph (68)
Note 6,86
Fifa-Präsident


17 Walter Hansjörg (53)
Note 6,76
Präsident Schweizerischer Bauernverband


18 Fasel Hugo (48)
Note 6,66
Präsident Travail Suisse


19 Rhinow René (61)
Note 6,64
Präsident SRK


20 Ghillani Paola (41)
Note 6,60
Geschäftsführerin Max-Havelaar-Stiftung Schweiz

4 - Gaillard Serge (48)
Schweizerischer Gewerkschaftsbund
Der Chefökonom der Gewerkschaften hat sich über seine ureigene Klientel hinaus einen Namen gemacht und ist auch im bürgerlichen Lager wohlgelitten. Er ist fachlich versiert, eloquent, mitunter charmant und punktet deshalb bei Fernsehauftritten mehr als seine roten Kumpane. Vielleicht auch, weil er nicht ideologisch verbiestert wirkt und als ausgesprochen fairer Gegner gilt. Serge Gaillard hätte von seinem fachlichen Know-how her lukrativere Wege gehen können, doch der Mann ist kein Karrierist. Note 7,96

5 - Rechsteiner Paul (51)
Präsident Schweizerischer Gewerkschaftsbund
Politik ist für ihn Klassenkampf. Das wird jedes Mal deutlich, wenn der Anwalt sich zu Wort meldet. Seit seiner Präsidentschaft tritt der Gewerkschaftsbund kompromissloser und aggressiver auf. In der Bundesfraktion der SP gilt der streitbare St.-Galler Nationalrat ebenfalls als Einpeitscher des linken Flügels. Sein Konfrontationskurs hat die Gewerkschaften zwar politisch gestärkt, nicht aber die Diskussionskultur zwischen den Sozialpartnern.
Note 7,76

6 - Leuenberger Ernst (59)
Präsident des Schweizerischen Eisenbahnerverbandes
Seine Freunde nennen den volksnahen und wortgewaltigen Solothurner SP-Ständerat schlicht «Aschi». 1973 hat ihn der spätere Bundesrat Willy Ritschard als Sekretär zum Solothurner Gewerkschaftsbund geholt. Seither hat er sich vollends den Arbeitnehmerverbänden verschrieben. Im Parlament macht er sich zudem besonders für den öffentlichen Verkehr stark. Der jovial auftretende Gemütsbrocken zählt zum linken, gewerkschaftsnahen Flügel der Sozialdemokratischen Partei. Note 7,53

7 - Pedrina Vasco (54)
Präsident Gewerkschaft Bau und Industrie
Der Tessiner Bäckerssohn und Ökonom gilt als begnadeter Stratege. Nachdem er mit Christiane Brunner, damals Smuv-Präsidentin, einst den Gewerkschaftsbund präsidiert hat, holt er diesen Herbst zum grossen Coup aus: Fusion seiner kämpferischen GBI (100 000 Mitglieder) mit dem zahmen Smuv (88 000 Mitglieder) und der kleinen Dienstleistungsgewerkschaft VHTL (20 000 Mitglieder). In der Megagewerkschaft wird der einstige Trotzkist als Co-Präsident amten. Note 7,46

8 - Zuberbühler Daniel (56)
Direktor Eidgenössische Bankenkommission
Seit 1976 arbeitet Daniel Zuberbühler bei der Eidgenössischen Bankenkommission – zuerst als juristischer Beamter und seit 1996 als Direktor. Er sitzt in der Aufsicht der Bank für internationalen Zahlungsausgleich. Das SP-Mitglied Zuberbühler verteidigt das Bankkundengeheimnis, verlangt aber eine funktionierende Aufsicht über den Finanzplatz. Lizenzentzüge für dubiose Banken und Finanzgesellschaften dokumentieren seine Macht und Unabhängigkeit. Note 7,43

9 - Ramsauer Rudolf (52)
Direktor Economiesuisse
Der ehemalige Finanzanalyst und Wirtschaftsdiplomat Rudolf Ramseier – er war unter anderem Vertreter der Schweiz im Gatt – machte zuerst als Vizedirektor im Bundesamt für Aussenwirtschaft (heute Seco) Karriere, ehe er als Direktor zum Vorort wechselte. Seit 2000 ist er Vorsitzender der Economiesuisse-Geschäftsleitung. Der smarte Ramseier dirigiert einen vielstimmigen Chor, der bislang ohne grosse Dissonanzen auftritt, aber auch ohne kantiges Profil. Note 7,40

10 - Triponez Pierre (60)
Direktor Schweizerischer Gewerbeverband
Der Berner Jurist und FDP-Nationalrat hat sich ganz den Interessen des Gewerbes verschrieben. Deshalb kämpfte er für ein Ende des Alkoholverbots in Autobahnraststätten oder gegen den Papierkram bei der Mehrwertsteuer. Gegenwind aus der eigenen Partei und von der SVP spürt er, seit er einen Mutterschaftsurlaub aus den Mitteln der Erwerbsersatzordnung lanciert hat. Damit will er das Gewerbe um etwa 100 Millionen Franken entlasten. Note 7,30

11 - Stämpfli Rudolf (49)
Präsident Schweizerischer Arbeitgeberverband
Der Verleger und Mitinhaber der Stämpfli Holding in Bern hat sich als prinzipientreuer Wirtschaftsvertreter zum Präsidenten des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes hochgedient. Stämpfli, alteingesessener Bernburger, ist Mitglied in den Vorständen von Economiesuisse, dem Branchenverband Viscom und der Suva. Er geisselt fehlende Budgetdisziplin und vorherrschende Partikularinteressen. Stämpfli verlangt den Abbau der Staatsverschuldung. Note 7,28

12 - Krummenacher Jürg (50)
Direktor Caritas
Damals, als die New-Econmy-Euphorie auf ihren Höhepunkt zusteuerte, galt Krummenacher (oberes Bild) vielen als lästiger Kritiker: Die Abzockerei, der Begriff war noch nicht in aller Leute Munde, passte ihm nicht. Krummenacher bleibt sich treu, erst kürzlich wieder schlug er Alarm, weil sich die Armut in der Schweiz schleichend ausbreite: «Wir haben Verhältnisse wie in einer Bananenrepublik. Der Mittelstand verarmt», sagte er. Krummenacher, der täglich von Schwyz nach Luzern pendelt, gilt als Familienmensch mit herzlicher, gewinnender Art. Note 7,20

13 - Strahm Rudolf (60)
Präsident Mieterverband
Rudolf Strahm (unteres Bild) gehört zu den Persönlichkeiten, die es in zwei Kategorien in die Topliste schaffen: Rudolf Strahm hat auch als Politiker grossen Einfluss (siehe Seite 121). Seinen guten Ruf hat er, weil er in der Sache zwar klar auftritt, aber Gegner nie vor den Kopf stösst und gerade als Sozialdemokrat auch bei Bürgerlichen viel Kredit geniesst. Wer bei einem Volk von Mietern den Mieterverband präsidiert, hat überdies allein von der Funktion her Gewicht, besonders wenn in Fragen von Miet- und Eigentumspolitik Weichen gestellt werden. Note 7,20

14 - Forster Ueli (64)
Präsident Economie-suisse
Er gilt als integer, aber auch als dünnhäutig – Ueli Forster, Verwaltungsratspräsident und Mitinhaber des St.-Galler Textilunternehmens Forster Rohner, Verwaltungsrat bei Helvetia Patria und seit zwei Jahren Präsident von Economiesuisse. Der erste KMU-Vertreter in dieser Funktion hält nicht viel von Gewerkschaften. Forster ist eher der Typ des stillen Schaffers als des grossen Kommunikators. Sein Hauptanliegen ist die Stärkung des Standorts Schweiz. Note 7,13

15 - Mirabaud Pierre (56)
Präsident Schweizerische Bankiervereinigung
Der Seniorpartner der Genfer Privatbank Mirabaud & Cie und Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung entspricht mit Dalí-Bart und Designerbrille nicht dem Bild vom diskreten Banker. Pierre Mirabaud verteidigt bislang mit einigem Geschick die helvetischen Bankenpfründen. Seine Privatbank verwaltet zehn Milliarden Franken. Der Hedge-Fonds-Spezialist ist Präsident des Quantum Endowment Fund von George Soros und Verwaltungsrat
im Think-Tank Avenir Suisse. Note 6,90