Es ist mir schon fast peinlich», sagt der Schiebetechnik-Spezialist, der auch das Hauptquartier der Uno und den Sultan von Brunei beliefert, als der Journalist ein Firmenporträt vorschlägt: «Wir sind ein konservativ geführtes Familienunternehmen.» Ein anderer Patron, der die weltweit führenden Drucksysteme entwickelt, findet zwischen Team- und Kundensitzungen nicht 15 Minuten Zeit, um mit den Medien über seine Leistung zu sprechen. Und ein Dritter, der für Coca-Cola oder Procter & Gamble präziseste Formen baut, sähe sich zwar gerne im Fachblatt gewürdigt, aber nicht im Wirtschaftsmagazin: «Wir sind nicht so glamourös.»

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Es gibt sie, die Schweizer KMU mit Spitzenleistungen, einheimische Firmen, die auf dem Weltmarkt eine führende Stellung halten. Die Schweizer wissen allerdings nicht, wie viele es von ihnen gibt. Denn diese Weltstars scheuen zumeist die Scheinwerfer der Öffentlichkeit.

Das ist schade. Denn die eidgenössischen Weltmarktführer könnten mit ihrem Vorbild das angeschlagene Selbstbewusstsein hierzulande stärken. Sie könnten mit einer kraftvollen Stimme den Staat dazu bewegen, seine tüchtigen Firmen zu fördern, statt sie zu plagen. Und sie könnten allen Unternehmern im Land zeigen, wie sich «Swiss made» auf dem globalen Markt durchsetzt.

Denn eigentlich ist es ganz einfach, im weltweiten Wettbewerb die Nummer eins zu werden. Es muss dafür nur alles stimmen – Produkt, Markt, Leute und Umfeld.

Es braucht zunächst ein einzigartiges Produkt. Mit seinem Angebot ist auf dem Weltmarkt nur dessen Erfinder allein. Wie etwa Hans Zingre, der mit der Firma MBV einen eigenen Luftkeimsammler entwickelte, weil die Geräte, die er mit seiner Handelsfirma vertrieb, dem Anspruch der Kunden nicht genügten. Oder wie Peter Müller, der das Bedürfnis der Banken erkannte, in ihren Geldautomaten die Noten rationell zu verarbeiten. Oder wie Waldemar Kubli, dessen Software die Rechenzeit beim Simulieren der Blechbearbeitung bis auf einen Hundertstel verkürzt. Den Markt für seine Entwicklung konnte der ETH-Student vor einem Jahrzehnt «relativ einfach top-down abschätzen»: Die Werkzeuge für die Karosserie eines einzigen Automodells kosten 100 Millionen Euro; insgesamt geben die 50 Marken für ihre fünf Modelle im Jahr also 25 Milliarden aus. Von den 2,5 Milliarden, die sich dank Kublis Software einsparen liessen, sollte eine für die Programmierer abfallen: «Von dieser Schätzung bin ich immer noch überzeugt», sagt der Firmenchef, der heute alle Autokonzerne der Welt unterstützt.

Selbst auf den umkämpftesten Märkten können sich aber immer noch Schweizer an der Spitze behaupten: Sie haben Erfolg, wenn sie ihren Kunden wenn auch nicht das einzige, so aber doch ein einzigartiges Produkt bieten – dank Innovation, Service und höchster Qualität. Das gilt sogar für die ältesten Branchen, in denen die Schweiz auf eine glorreiche Tradition zurückschaut, wie Textilien oder Werkzeugbau.

Lantal, ursprünglich die Möbelstoffweberei Langenthal, liefert seit 1954 Stoffe für Flugzeugsitze. Heute steht die Firma stärker da denn je, weil sie sich stets bemüht, «mehr zu leisten, als unsere Partner von uns erwarten». Und auch die Otto Hofstetter AG in Uznach pflegt Tag für Tag den Namen, den sie sich ebenfalls seit einem halben Jahrhundert im Werkzeugbau gemacht hat. «Solange wir innovativ bleiben, brauchen wir uns vor den Chinesen nicht zu fürchten», meint Otto Hofstetter jr. Allerdings müssten die Schweizer den Kunden, die oft nur noch auf die Zahlen in der Offerte schauen, ihre überlegene Technik gut verkaufen. Und das heisst: «Schaffe, schaffe, schaffe!»

So können Schweizer den Spitzenplatz nicht nur verteidigen, sondern auch neu erobern, selbst in einem Massenmarkt wie jenem für Veloteile. DT Swiss aus Biel liefert seit zehn Jahren die besten Speichen der Welt, wie die Erfolge ihres Kunden Lance Armstrong beweisen. Inzwischen klettert sie auch bei Naben, Felgen und Dämpfern, also ganzen Laufrädern, an die Spitze und stösst zugleich vom exklusiven obersten ins populäre mittlere Segment vor. Wie macht das die kleine Schweizer Firma mit ihren 150 Mitarbeitern gegen Giganten wie die japanische Shimano oder die französische Mavic? «Wir sind die Einäugigen unter den Blinden», witzelt Geschäftsführer Marco Zingg. «Wir stehen im Wettbewerb mit Leuten, die es nicht mehr so genau nehmen.» Je erfolgreicher die Konkurrenten geschäfteten, desto arroganter träten sie auf. Deshalb vermeiden die Schweizer auch nur den Anflug von Grossspurigkeit – obwohl sie technisch überlegene Produkte liefern.

Zweitens braucht es einen überzeugenden Marktauftritt. Bei den Vereinigten Drahtwerken, erinnert sich Marco Zingg von DT Swiss, beriet einst die Geschäftsleitung einen Vormittag lang, ob sie den Verkäufer für 6000 Franken Spesen nach Taiwan schicken sollte – heute reist der Repräsentant monatlich nach Ostasien. Denn nur im engsten Kontakt mit den Kunden ist zu erfahren, was diese erwarten. Inzwischen freuen sich Velohändler in aller Welt auf die Innovationen, die ihnen die Spezialisten aus Biel liefern.

DT Swiss ist der führende Brand.

Wie kommen Schweizer KMU weltweit zu ihren Kunden, auch zu jenen mit den ganz grossen Namen? Sie fangen klein an. Lantal lieferte vor fünfzig Jahren die ersten Flugzeugsitze für KLM. Heute entwickelt das Unternehmen dank Niederlassungen in Seattle und Toulouse die Stoffe für die gesamte textile Innenausstattung zusammen mit Boeing und Airbus, auch für das Supermodell A380, und erschliesst sich daneben den Markt der kleinen und mittleren Airlines, weil sich die Stellung bei den Giganten der Branche kaum noch ausbauen lässt. Und die Otto Hofstetter AG, 1955 als Einmannbude in Schmerikon SG gegründet, baut heute die Formen, um die Coca-Cola-Flaschen mit ihrem weltweit bekannten Design zu spritzen. «Leider werden die Grossen immer grösser», weiss der Juniorchef. «Die KMU, mit denen wir besser zusammenarbeiten, fallen weg.» Aber das 180-Mann-Unternehmen hält mit: Wenn sich der Markt der Abfüller bereinigt, bieten sich auch Chancen, mit den ganz Grossen ins Geschäft zu kommen.

«Man muss wie bei einer Zwiebel aussen anfangen», meint Peter Müller von der BEB Industrie-Elektronik. Die Firma aus Oberburg BE verfügte zwar mit ihrer Technik zum Verarbeiten von Banknoten über ein einzigartiges Produkt für einen stark wachsenden Markt – aber sie musste damit, wie der Geschäftsführer erzählt, «gegen Riesenkonzerne antreten». Die Fachleute für Falschgeld beim Bund boten den Einstieg: Dank ihnen konnte die BEB ihre Technik an Kongressen vorstellen und Kontakte zu den wichtigsten Banken der Welt knüpfen. Auf die persönlichen Beziehungen komme es an, betont Peter Müller. Nur so konnte die BEB der Europäischen Zentralbank beweisen, dass sie deren Anforderungen als Erste erfüllte.

Den Schweizer KMU hilft, dass Konzerne wie Nestlé, Novartis oder Roche ihren Hauptsitz in der Schweiz haben. So kam MBV-Chef Hans Zingre überhaupt ins Geschäft, weil er von den Pharmagiganten wusste, dass es kein befriedigendes Gerät gab, um die Luftqualität in Reinräumen zu überwachen. Als die Kleinfirma ihren Luftkeimsammler entwickelte, meldete sich gleich Sandoz als erste Käuferin. Heute braucht Hans Zingre einen halben Tag in Basel, um die «extrem enge Kundenbeziehung» zu den globalen Branchenführern zu pflegen. Und er weiss: «Wer Novartis und Roche als Referenz angibt, dem stehen Tür und Tor offen.»

Drittens braucht es ein begeistertes Team. Wie schafft es auch ein Traditionsunternehmen, der Konkurrenz immer eine Nasenlänge voraus zu bleiben? Indem es sich nicht auf seinen alten Erfolgen ausruht, sondern immer neue Herausforderungen annimmt! «Wir wollen jeden Tag Bestleistungen erbringen», sagt Urs Rickenbacher bei Lantal.

Dank dem Stolz auf die Spitzenleistungen sieht der Langenthaler Unternehmer bei seinen Leuten «eine unglaublich hohe Identifikation, wie ich sie vorher noch in keiner Firma erlebt habe». Diesen Einsatz für das Unternehmen fördert das Lohnmodell: Vom Verwaltungsratspräsidenten bis zum Lehrling partizipieren alle am Erfolg. Aber Urs Rickenbacher betont: «Es sind nicht die finanziellen Anreize, die uns von anderen unterscheiden.» Nicht der Lohn führt zur Identifikation mit der Firma, sondern die Freude an der Arbeit und das Vorbild des Chefs: «Man muss für die Leute schauen, dann setzen sie sich extrem ein.»

Das weiss auch Marco Zingg von DT Swiss. Auch in seiner Firma entscheidet das Betriebsklima über die Arbeitszufriedenheit: «Mehrere Kaderleute gingen weg, um einmal etwas anderes zu sehen. Sie standen nach einem halben Jahr wieder da.» Das Gleiche gilt für die Firma von Waldemar Kubli. Die AutoForm im Zürcher Technopark kann ihre hoch qualifizierten Leute mit einem anregenden Umfeld halten: «Von allen, die bei uns angefangen haben, ist noch kaum jemand weggegangen.»

Auch in diesen Unternehmen leben die Eigentümer die Arbeitshaltung vor. Waldemar Kubli, dessen Firma «schon einen gewissen Wert hat», widerstand den Verlockungen, an der Börse das schnelle Geld zu machen: «Bei Konkurrenten stellten wir nach dem IPO fest, dass sie ihren Fokus verschoben und an Innovationskraft verloren.» Und bei DT Swiss gehen die drei Chefs, die vor elf Jahren die Firma auskauften, immer noch gemeinsam voran, um den Umsatz von derzeit 54 Millionen zu verdoppeln: «Wir lagern nicht auf einer Farm in Colorado die Füsse hoch.»

Von den Erfolgsunternehmern hat nur Urs Rickenbacher seine Firma nicht selber aufgebaut. Aber auch der Manager, den die Familie Baumann nach drei Generationen für die Nachfolge auserkor, hält inzwischen die Mehrheit. Erzielt bei KMU nur derjenige Erfolg, der das Unternehmen besitzt? Es bringe «riesige Vorteile», wenn der Chef auch der Eigentümer sei, meint Rickenbacher. So könnten vor allem die Entschlüsse für Innovationen, die über den Erfolg im weltweiten Wettbewerb entscheiden, viel schneller fallen. Das viel versprechende Projekt etwa, luftgefüllte Flugzeugsitze zu entwickeln, wäre in einem Konzern absolut unmöglich gewesen, so der Lantal-Patron. «Wir glaubten daran. Punkt.»

Es braucht schliesslich ein günstiges Umfeld. «Wir fühlen uns in der Schweiz sehr gut aufgehoben», betont Urs Rickenbacher. Er glaubt ebenso an den Produktionsstandort wie Otto Hofstetter, der zwanzig Lehrlinge ausbildet, oder Marco Zingg, der mit DT Swiss letztes Jahr einen Neubau in Biel bezog. Der Lantal-Chef weiss aber: «Der Staat kann uns nicht helfen.» Dann sollte er seine erfolgreichen Unternehmen wenigstens nicht behindern.
Der Staat fördert die KMU vor allem, indem er gute Leute für sie ausbildet.

AutoForm ist gar das Paradebeispiel, wie sich Wissenschaft als Wirtschaftsförderung auswirkt. Nach seiner Doktorarbeit schloss Waldemar Kubli den ersten «vernünftigen Vertrag mit der ETH»: Seine Vereinbarung gab das Beispiel für weitere erfolgreiche Spin-offs. Das Jungunternehmen, das bereits nach dem ersten Jahr Gewinn schrieb, brachte auch der Hochschule etwas ein – «damals war es für uns viel», sagt Kubli, «heute ist es wenig». Der Staat kann seinen Umgang mit Jungfirmen also offensichtlich noch optimieren.

«Wir suchen die Nähe zur Forschung, wo immer es geht», sagt Urs Rickenbacher von Lantal. Sein Unternehmen müsse unter anderem gegen die amerikanische Konkurrentin Mohawk mit 36 000 Mitarbeitern bestehen; deshalb brauche es die «stärkstmöglichen Netzwerkpartner für die Innovation». Andere Spitzenfirmen vertrauen dagegen auf die eigenen Fähigkeiten. Die BEB stellt zwar gerne Absolventen der Fachhochschule Burgdorf ein, vergibt dem Technikum aber keine Aufträge, weil sie bei ihrem sensiblen Geschäft mit den Banknoten die Firmengeheimnisse hüten muss. Und die Otto Hofstetter AG wünscht sich zwar mehr Zusammenarbeit mit Fachhochschulen, stellt aber fest, dass der Rhythmus der Wissenschaft nicht jenem der Wirtschaft entspricht: «Wir müssen unsere Produkte so schnell wie möglich auf den Markt bringen.»

Auch dabei kann der Staat, etwa durch die Exportförderung der Osec, wenig Unterstützung bieten. «Wir machen alle Marktabklärungen allein», betont selbst Hans Zingre vom Kleinstunternehmen MBV: Einen Anlass in Japan mit der Handelskammer empfand er als «reine Zeitverschwendung». Und die Otto Hofstetter AG bekam auf ihren Auftritt in einem Werbefilm der Osec, der in allen Konsulaten und Swissair-Flugzeugen lief, «absolut kein Feedback». Der Staat könnte die Jungunternehmen wirksam unterstützen, meint Peter Müller von BEB: «Aber wenn die Förderung am nötigsten wäre, ist sie am schwierigsten zu bekommen.»

Stattdessen plagt der Staat auch seine kleinen Stars, wie sich Hans Zingre ärgert, indem er ihnen dieselben Auflagen macht wie den Grossfirmen. «Auch bei uns dauert die Mehrwertsteuer-Kontrolle drei Tage. Das müssen Sie sich einmal vorstellen!» Dabei seien die Geschäfte der KMU viel transparenter als bei den Konzernen: «Wenn ich einen Bleistift mit nach Hause nehme, sieht man es in der Buchhaltung; wenn Daniel Vasella mit dem Firmenhelikopter in die Ferien fliegt, nicht.»

Wie Hans Zingre klagen alle erfolgreichen Unternehmer – mit Ausnahme von Waldemar Kubli, der weiss, «dass es anderswo noch viel schlimmer ist». Otto Hofstetter stört sich am «stetig zunehmenden Papierkrieg» wie dem neuen Lohnausweis: Für die Administration musste er allein in den letzten zwei Jahren eine halbe Stelle mehr schaffen. Marco Zingg stösst sich an der Besteuerung von Wachstumsunternehmen: Er steckt sein Geld in die eigene Firma, zahlt aber die Steuern für deren gesamten Wert: «Ein grosses Problem für Unternehmer.» Und Urs Rickenbacher erlebte selber, wie der Fiskus sinnvolle Nachfolgeregelungen erschwert: «In den nächsten drei Jahren stehen 30 000 bis 50 000 Firmenübergaben an, aber der Bundesgerichtsentscheid von 2004, dass der Erlös beim Verkauf an eine Erbenholding versteuert werden muss, wirft viele bei der Suche nach einer Lösung meilenweit zurück.»

Deshalb ist es so schade, dass gerade auch die erfolgreichsten KMU des Landes die Publizität scheuen: Sie müssten sich selbstbewusst zu Wort melden, um vom Staat die Bedingungen zu bekommen, die sie für eine erfolgreiche Weiterarbeit brauchen. Wer sich an die Öffentlichkeit wagt, nützt auch dem eigenen Unternehmen, wie das Beispiel von Lantal beweist. «Wir bekommen monatlich vierzig Spontanbewerbungen, nicht nur aus der Region, sondern auch aus Zürich», stellt Urs Rickenbacher fest. «Die Leute sagen uns, sie hätten gehört, wir seien gut.»

Erfolgreich selbständig

Was treibt Menschen an, sich selbständig zu machen und die eigene Vision zu verwirklichen? Die Autoren des Buchs «Visionäre» porträtieren 13 «Entrepreneurs of the Year» und ihre Karrieren. Ab 12. April im Buchhandel erhältlich.

Thierry Volery, Ev Müllner: Visionäre, die sich durchsetzen
Orell Füssli Verlag, Zürich, 180 Seiten, Fr. 44.–