Mit ihrem hohen Abstraktionsgrad wirkt afrikanische Stammeskunst radikal modern. Die rituellen Masken, Menschen- und Tierfiguren dienten bereits der europäischen Künstleravantgarde des 20. Jahrhunderts als Vorbild und wurden schon früh gesammelt.

Der heutige Markt für afrikanische Kunst konzentriert sich auf die Metropolen der einstigen Kolonialmächte wie Brüssel und Paris. So hält etwa das Kölner Auktionshaus Lempertz seine Tribal-Art-Auktionen stets in Brüssel ab, und auch grosse Messen wie die Brafa in Brüssel oder die Tefaf in Maastricht zeigen auffällig viel Stammeskunst. Ein grosser Sammlerkreis befindet sich zudem in den USA. Für herausragende authentische Stücke werden gelegentlich Spitzenpreise von mehreren Millionen bezahlt, aber die Mehrheit der Objekte wird schon für wenige Tausend Franken angeboten. Im Gegensatz zur europäischen Kunst ist das reine Alter eines Kunstwerks – das sich oft gar nicht exakt bestimmen lässt – nicht ausschlaggebend für seinen Wert. Viel wichtiger ist, ob eine Tanzmaske oder Fetischfigur noch für kultische Zwecke gefertigt und benutzt wurde. Das war bis etwa 1930 der Fall, danach überwogen oft kommerzielle Zwecke.

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Spezialauktionen in der Schweiz

Auch wenn die Schweiz, Deutschland und Österreich kein einfaches Terrain für afrikanische Kunst sind, werden hier regelmässig Spezialauktionen abgehalten. So führt das Würzburger Auktionshaus Zemanek-Münster am 22. März seine 76. Tribal-Art-Auktion mit 645 Losen alter Stammeskunst aus Afrika, Ozeanien, Asien und Amerika durch. Eine Besonderheit ist die umfangreiche Privatsammlung mit insgesamt 1800 Goldgewichten, die in den 1970er-Jahren in Ghana zusammengetragen wurden. Ebenfalls ein begehrtes Sammlerobjekt ist die knapp 50 cm hohe Blolo-Bla-Figur der Baule aus der New Yorker Sammlung Sebastian Fernandez mit einer Taxe von 10 000 bis 20 000 Euro. Die Skulpturen des Stammes an der Elfenbeinküste gehören zu den wichtigsten in ganz Afrika. Ebenfalls von den Baule stammt eine furchterregende Affenfigur mit einem Schätzpreis von 12 000 bis 25 000 Euro.

Tribal Art beschränkt sich jedoch nicht nur auf Afrika, wie die steigende Nachfrage nach Objekten von Stämmen aus Ozeanien, Australien sowie Nord- und Südamerika beweist. Spitzenobjekt der Dorotheum-Auktion mit Stammeskunst am 24. März in Wien ist eine sehr seltene alte Aufsatz-Figur einer «Heiligen Flöte» vom Stamm der Biwat vom Yuat-Fluss in Neuguinea mit einem Schätzpreis von 160 000 bis 200 000 Euro. Auch bei der Galerie Koller nehmen Auktionen mit Stammeskunst einen regelmässigen Platz im Auktionskalender ein. Die nächste Spezialauktion findet am 20. Mai in Genf statt. Kurz darauf, am 3. Juni, versteigert Quittenbaum in München afrikanische Kunst aus der Sammlung Ulrich Klever.

Mit «Afrikanische Meister – Kunst der Elfenbeinküste» bietet das Museum Rietberg in Zürich übrigens noch bis zum 1. Juni eine grossartige Gelegenheit, sich mit afrikanischer Stammeskunst vertraut zu machen. Die Ausstellung bietet einen Überblick über 200 Jahre westafrikanische Kunst anhand von rund 200 Meisterwerken von etwa 40 Bildhauern. Sie widerlegt die noch immer verbreitete Meinung, dass es in der afrikanischen Kunst kaum ästhetische Prinzipien und keine richtigen Künstler gegeben habe, sondern lediglich Stammeswerkstätten mit anonymen Bildhauern. Erstmals werden nun in einer Ausstellung individuelle afrikanische Künstlerpersönlichkeiten verschiedener Generationen aus sechs wichtigen Kunstregionen Westafrikas zusammen mit ihnen zugeschriebenen Werken vorgestellt. Dazu gehören die grossen Meister der Guro, Baule, Dan, Senufo, Lobi sowie der Lagunen-Völker. Ihre zu Recht berühmten Skulpturen und Masken sind von eindringlicher Kraft und Schönheit.