«Die Männer sind die Rettung», bilanziert Ursula Egli. «Wenigstens in der Küche.» Warum, ist klar: «Wenn Männer kochen, muss es das Beste sein. Da wird auch nicht am Kochgeschirr gespart», resümiert die Marketingleiterin vom Thurgauer Pfannenhersteller Spring.

Paradoxe Welt. Der Anteil der Fertigprodukte an der Gesamternährung wächst unaufhaltsam – und die Zahl der ambitionierten Hobbyköche ebenso. Auch derjenigen aus Wirtschaftskreisen. Der Winterthurer Werner Seifert, vormaliger Chef der Deutschen Börse, etwa verbringt sehr viel mehr Zeit vor dem Herd als am Tisch. Der Werber und «Gault Millau»-Herausgeber Silvio Rizzi hantierte selber leidenschaftlich gern am Herd und gab bei sich daheim kulinarisch souveräne Vorstellungen. Oder als Michael Sarp, Chef der v. Nordeck Holding (Zimmerli, Wernli), unlängst 60 Jahre alt wurde, komponierte sein Freund Renato Tomasini, Ex-IWC-Kommunikationsleiter, das Geburtstagsmenu für 16 Personen – darunter Silvia Affolter, Horst Edenhofer und Pepe Lienhard. Dafür warf er schon am frühen Vormittag den Herd an.

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PERFEKTION. Leute wie diese sind willens, sehr viel Geld hinzublättern für edles Besteck, schöne Pfannen, modernste Kücheneinrichtungen. «Männer sind beratungsfähig und bereit, auch 1000 Franken für einen Satz Pfannen auszugeben», so Ursula Egli. Für die komplette Ausstattung mit 26 Stück darf es etwas mehr sein: Wer perfekt ausgerüstet sein will, wird spielend 2000 Franken los. Dafür hat er vom Saucenpfännchen über die Kasserollen bis zum Minestronetopf aber auch alles. Für den Fall eines Weihnachtsfestes im Kreis der Grossfamilie.

Dabei sind 2000 Franken vergleichsweise wenig, wenn man sich die Preise für Spitzenerzeugnisse anschaut. Der italienische Traditionsanbieter Pentole Agnelli verlangt für eine 24-Zentimeter-Kasserolle aus solide vergoldetem Kupfer umgerechnet 6000 Franken. Die Haushaltskosten lassen sich durchaus noch steigern, wie Marketingchef Maurizio Di Dio berichtet. «Personalisierte Ausführungen sind unsere Stärke. Auf Wunsch liefern wir auch Kasserollen mit brillantenbestückten Griffen.» Die Nachfrage reicht zwar nicht aus, um die hundertköpfige Belegschaft in Bergamo ganz auszulasten. Aber es gibt Abnehmer aus aller Welt. Auch aus der Schweiz – etwa Martin Dalsass vom Ristorante Santabbondio in Sorengo TI, wie Di Dio berichtet.

Wer nicht selber am Herd stehen mag, einen Restaurantbesuch aber vermeiden möchte, bestellt einen Störkoch. UBS-Chef Marcel Rohner empfängt Michael Ringier im Beisein von Frank A. Meyer lieber bei sich daheim. Nicht anders der Multiverwaltungsrat Andreas Schmid (Barry Callebaut, Unique). Alles eine Frage der Diskretion.

Damit es standesgemäss bleibt, braucht es edle Küchenausrüstung. Wer Weib und Kind hinter sich lässt, kann sich zumindest beim Küchenhersteller erhöhter Wertschätzung sicher sein. Neues Leben, neuer Haushalt, neue Pfannen – die Kategorie des «single again» ist, so zeigt sich, besonders ausgabefreudig, wenn es um die Infrastruktur für gesellige Abende geht. Davon profitiert etwa Brandimarte. Die Florentiner Silberschmiede, ein reiner Manufakturbetrieb in der historischen Vorstadt, bietet ein ganzes Sortiment aus massivem Silber an. Ohne Diamanteneinlagen, aber mit praktischem Holzgriff, der isoliert. Die Preise reichen bis zu 2000 Franken.

Die wiederentdeckte Häuslichkeit geht einher mit der Integration der Küche in den Wohnbereich. «Die Verbindung von Küche und Wohnen ist fliessend. Die Showrooms sind heute durchgestylte Lebenswelten», sagt Marc Wiefel, Marketingchef des deutschen Geräteherstellers Bosch und Siemens Hausgeräte (BSH), zu dem auch der Upmarket-Produzent Gaggenau gehört. «Wohnbereich und Küche fliessen in einem grossen Raum zusammen. Dieser Trend ist auch im gehobenen Mietwohnungsbau auszumachen», doppeln die Experten des Marktführers Arbonia-Forster nach.

MITTELPUNKT. «Der Architekturtrend hat den Küchen sehr geholfen», meint Patrick Babst, Marketingchef von Poggenpohl Schweiz. «Die Küchen sind keine abgeschlossene Werkstatt mehr, sondern Lebensmittelpunkt im Haus.» Die Inspiration kam von den Lofts, sie gaben das Signal, die Küche mitten im Wohnraum zu platzieren. Armando Mammina von Strato spricht gar von einer «Fundamentalbewegung»: «So wie in den achtziger Jahren die teuren Lederpolster im Livingroom obligatorisch wurden, findet heute das Leben in der Küche statt. Die Küche ist zentral, auch für Gäste. Diese Tendenz verstärkt sich laufend.»

Für das wiederentdeckte Leben in der Küche ist längst mehr gefragt als durchdachte Konzeption, hochwertige Materialien und neue Ästhetik. Die Küchenbauer sind dazu übergegangen, ihr Angebot zur Inneneinrichtung auszubauen. Dazu gehören der passende Tisch, passende Stühle und die passende Beleuchtung.

Strato und bei den Geräteproduzenten Gaggenau gehen sogar einen Schritt weiter und servieren Kunst in der Küche. Der Strato-Showroom in Mailand unweit der Piazza Sempione liesse sich ebenso gut als Galerie mit geselligkeitsfördernder Küche betreiben. Gaggenau wiederum setzt demnächst mit der Art Collection einen neuen Akzent: Das Design greift Fotografien des Künstlers Robert Hofer aus dem Wallis auf und soll so neben dem kulinarischen ein visuelles Erlebnis auslösen. Die Lancierung erfolgt Ende Februar an der «Habitat & Jardin» in Lausanne.

Auch sonst bricht sich die Emotionalisierung der Küche Bahn. Der westfälische Küchenproduzent Poggenpohl etwa hat sich mit dem Porsche-Design-Studio im österreichischen Zell am See verbündet. Acht Porsche-Küchen wurden bisher in die Schweiz ausgeliefert, zu Preisen um die 250  000 Franken. Echter Luxus. Denn das absolute Minimum für eine Küche liegt heute bei 4000 Franken, die typische Objektküche liegt im Durchschnitt bei 9500 Franken. Das Preisniveau für eine Küche mit gehobener Ausstattung beläuft sich auf 30  000 bis 50  000 Franken. Auf dieses Segment konzentrieren sich neben Poggenpohl auch Miele, Siematic und Bulthaup. Gleichzeitig hat sich ein Topsegment mit einer verblüffenden Angebotsbreite entwickelt. Exklusive Designkonzepte erreichen etwa bei Poggenpohl Preise von 80  000 bis 150  000 Franken.

MASSARBEIT. Das Gesamtvolumen für die einzeln georderten Küchen schätzt die Branche auf 35  000 Stück; auf das Spitzensegment mit Preisen von 100  000 Franken und mehr entfallen davon nur 1000 Stück. Doch auch das gibt vielen Firmen Platz zum Leben, und so haben sich neben den grossen internationalen Marken auch einheimische Betriebe etabliert. Zum Beispiel Zbären in Saanenmöser BE. Der Betrieb ist der klassische Fall einer Schreinerei, die in der Krise – 1975 – ein neues Auskommen suchte und die Küche entdeckte.

Im Familienbetrieb produzieren der Vater mit zwei Söhnen und 30 Mitarbeitern etwa 60 Küchen pro Jahr, immer auf Bestellung und nach Mass. Meist für eine High-End-Klientel, die sich im Berner Oberland ein Chalet zugelegt hat. Daraus ergeben sich oft Folgeaufträge an den städtischen Wohnsitzen in Genf, Zürich, London oder New York. Auch auf den Bermudas haben die Oberländer schon Küchen eingerichtet. Ebenso im alten Pfarrhaus in Spiez und in der Chesa Futura in St.  Moritz.

Das Stilrepertoire des Hauses hat Format, die Grösse der Küchen auch. Sie beanspruchen teilweise 100 Quadratmeter und umfassen Zubehör, das bis zur Rotisserie mit Drehgrill reicht. Die Schreiner arbeiten mit allen Materialien, welche die Kunden wünschen. Nicht zuletzt mit Ringgenberger Kalkstein vom Brienzersee für einen erzklassischen Schüttstein, mit Kalbslederpolsterungen für die Türen, mit alter Eiche oder auch mit Edelhölzern wie Kirsche und Birne. Das gut bestückte Holzlager in der Lenk ist der Stolz der Familie.

Bei der Geräteausstattung arbeitet Zbären vorzugsweise mit Herstellern wie La Cornue, Subzero und Gaggenau zusammen. La Cornue ist berühmt für ihre Herde im Stil der Vieille France, meist parallel ausgelegt für Gas und Elektrik. Auch gibt es zwei verschiedene Backöfen. «Im Gasbackofen bleibt die Luftfeuchtigkeit um 20 Prozent höher als im Elektrobackofen», erläutert Benjamin Zbären den Sinn der Zweigleisigkeit. Der Einstiegsofen, die CornueFé, ist für 12  000 Franken zu haben. Das Spitzenmodell, Château Grand Palais, erreicht in der grössten Ausführung die 59  000-Franken-Marke. Wem das noch nicht genug ist, der bestellt dazu den Frigidaire von Subzero mit seinen 121 Zentimetern Breite und über 2 Metern Höhe. Das grösste Modell kostet 35  000 Franken. Zbären hat die im amerikanischen Wisconsin beheimatete Firma ausfindig gemacht auf der Suche nach einem Kühlschrank, der ohne das in Europa übliche Tiefgefrierfach auskommt. Immer beliebter werden auch kombinierbare Modulkühlschränke wie der Cool Vario, so Marc Wiefel von BSH. Sie ersetzen im Zweifelsfall Weinkeller und Reduit. «Ein Drittel für Spüle, Armaturen und Zubehör, ein Drittel für die Geräteausstattung und ein Drittel für das Holz», so setzen sich laut Thomas Meier, Marketingchef bei Franke, die Kosten für die Küche zusammen.

Strato baut gar Küchen für bis zu 450  000 Franken. Auf Wunsch auch in Titan. Alles sehr durchdacht, alles vorzüglich verarbeitet, alle Kanten angliert, alles praktisch, bis hin zu den Motoren, die auf einen sanften Stoss hin die Schubfächer öffnen. Im tieferen Preissegment hat Strato eine Küche für 50  000 Franken im Angebot – wohlgemerkt, ohne Geräte, ohne Transport und ohne Montage. Die Nachfrage liegt bei 150 bis 200 Küchen im Jahr. 90 Prozent davon gehen in den Export, denn im Heimatmarkt Italien stehen die Männer nicht in der Küche. Die Kundschaft beschreibt Armando Mammina ganz einfach als «reich genug, kulturell aufgeschlossen und mit Niveau».

GESAMTKUNSTWERK. Viele Küchenbauer haben bei den Geräten ihre Favoriten, festgelegt aber hat sich bisher nur Porsche. Wer sich für das Modell P7340 entscheidet, wählt damit auch Haushaltsgeräte von Miele sowie Spülen und Armaturen von Dornbracht, einer Firma aus Westfalen, die ihre Erzeugnisse über Kultursponsoring gezielt emotionalisiert. Ansonsten dominiert ein heimischer Anbieter den 1,37 Millionen Stück schweren Markt für Grossgeräte in der Schweiz: V-Zug, gefolgt von deutschen Marken wie Miele, Siemens und Bosch. Renommierte französische Fabrikanten wie De Dietrich werden zumindest in der Deutschschweiz kaum wahrgenommen. Im Topsegment hat unangefochten Gaggenau das Sagen, die allein in der Schweiz einen Umsatz von 17 Millionen Franken erzielt. Teuerstes Modell ist mit 15  000 Franken der Frigidaire K300.

Bei Schüttsteinen und Armaturen ist hierzulande ein Lokalmatador klarer Marktführer: Franke. Zusammen mit der höher angesiedelten Zweitmarke Eisinger erreichen die Aarburger einen Marktanteil von 50 Prozent. Eine Spezialität von Franke sind die Abdeckungen aus Chromstahl. «Das lieben die Architekten», so Thomas Meier. Und selbst etwas so Banalem wie dem Abfallsystem kann man einen Hauch Luxus verleihen: Das geht vom geruchsneutralisierenden Aktivkohlefilter über separate Behälter für die Abfalltrennung bis hin zum Stauraum fürs Putzmaterial.

Viele Möglichkeiten also, sein Geld lustvoll rund um den heimischen Herd zu investieren. Besonders angeheizt wird die Nachfrage von der Generation 60 plus mit der gut gefüllten Pensionskasse und der verlängerten Lebenszeit. Auf sie konzentrieren sich denn auch die Anstrengungen der Branche. Mit gutem Grund. Zwar kann auch die glänzendste Kasserolle, die modernste Küche oder das teuerste Gerät den Siebengänger nicht alleine kochen. Aber mit einer edlen Ausrüstung macht die Zubereitung deutlich mehr Spass. Dem Koch bei der Arbeit – und den Gästen beim Zuschauen.