Hört man sich unter Experten um, so besteht kein Zweifel: Die beiden Zürcher Peter Fischli (Jahrgang 1952) und David Weiss (Jahrgang 1946) sind die renommiertesten lebenden Künstler der Schweiz. An diesem seit Jahren gültigen Befund hat sich bis dato nichts geändert. «Plötzlich diese Übersicht» hiess der ironische Titel einer Installation, bestehend aus 220 ungebrannten Tonskulpturen, mit der Fischli/Weiss zu Beginn der Achtzigerjahre ihren Ruf als helvetische Neodadaisten begründeten. 168 dieser amüsanten Knetobjekte, deren verwirrend konzeptionsloser Darstellungsgehalt von trivial (Cervelat am Stecken) bis historisch bedeutungsvoll (Pythagoras ritzt seinen Lehrsatz in den Sand) reicht, waren bis im April 2001 in einer Sonderschau des Basler Museums für Gegenwartskunst noch einmal versammelt. Vor ein paar Wochen wurden die fragilen Figurinen dann allerdings zügig von ihren Sockeln geräumt. Fast alle Teile der Ins- tallation (die meisten befanden sich bis anhin noch im Besitz der Künstler) wurden spontan von der Basler Emanuel-Hoffmann-Stiftung erworben, in Kisten verpackt und in ein Depot verfrachtet. Im geplanten «Schaulager» der kapitalkräftigen Kunststiftung, das derzeit vor den Toren der Stadt hochgezogen wird, dürfte dem zerbrechlichen Schatz aus der Frühphase von Fischli/Weiss ein angemessenes Plätzchen gewiss sein.

Auf Rang zwei der BILANZ-Künstlerrangliste des Jahres 2001 hat es der Installations- und Performancekünstler Roman Signer (Jahrgang 1938) geschafft. Auch der Hobbypyromane und Beschleunigungstechniker aus St. Gallen gehört seit vielen Jahren zu den Vorzeige-Interpreten der zeitgenössischen Schweizer Szene. Dabei ist es vor allem die Konsequenz jahrzehntelangen zielstrebigen Schaffens, die an Signers Werk beeindruckt und dem eigenwilligen Ostschweizer zu hoher Anerkennung weit über die Landesgrenzen hinaus verholfen hat.

«Das ist kein verstiegener Naiver, sondern vielmehr die Quintessenz einer auf regionalem Fundament aufbauenden, zielbewussten Entwicklung, die direkt das oft zu Recht in Frage gestellte Ideal der perfekten Beherrschung aller Mittel im Visier hat», schrieb 1995 das Zürcher Kunstmagazin «Parkett» über diesen Künstler von Weltrang. Signers Verweigern jeder materiellen und zeitlichen Beständigkeit sei der auf die Spitze getriebene Ausdruck von Raffinesse, schwärmte das Magazin und beschrieb Signers Werk als eine hochinteressante Mischung aus der Präzision und mechanischen Perversität eines Tinguely und dem Humor, der Schwerelosigkeit und Eleganz eines Calder. «Signer ist ohne Frage ein Virtuose des komplexen Einfachen, der Ironie und des Absurden, kurz: der Groteske auf der Ebene des Sublimen.» Wer Signers Schalk auf die Spur kommen will, sollte sich die aktuelle Ausstellung im Kunstmuseum der Stadt Solothurn nicht entgehen lassen (bis zum 10. Juni).

In der Spitzengruppe um einen Rang nach hinten gerutscht, muss die erfolgreiche Videokünstlerin Pipilotti Rist (1962) in diesem Jahr mit der Bronzemedaille vorlieb nehmen. Im Urteil unserer Experten ist die einfallsreiche Selbstdarstellerin aus dem St.-Galler Rheintal im Vergleich zum Vorjahr jedenfalls leicht zurückgefallen – auch wenn Rist mit ihren Video-Installationen heute vor allem im Ausland «abräumt». Seit sie ihren komfortabel dotierten Job als künstlerische Leiterin der geplanten Landesausstellung Ende 1998 an den Nagel gehängt hat, ist es um die als Expo-Direktorin gescheiterte Performerin im Inland ziemlich ruhig geworden. Kommt das Paradox hinzu, dass sich der medial agierende Superstar den heimischen Medien konsequent verweigert. Pipilottis jüngs- te Zeitgeist-Intervention in den erweiterten Räumlichkeiten der Galerie Hauser & Wirth im Zürcher Löwenbräu-Haus stiess bei der Kritik denn auch auf geringen Widerhall, geschweige denn auf echte Begeisterung.

Vom siebten auf den fünften Platz vorgestossen ist der aus Brunnen SZ stammende Ugo Rondinone (1963), ein Künstler, der sich seit Jahren als multiple Persönlichkeit inszeniert. Rondinones Werk pendelt zwischen trendbejahender Affirmation und melancholischer Weltentsagung. Er untersucht das Spannungsverhältnis zwischen Polen wie Obsession und Sattheit, Mann und Frau, Exzess und Langeweile und changiert dabei wie ein Chamäleon von Doktor Jekyll bis Mister Hyde. Mit verführerischer Eindringlichkeit wechselt das heute in Zürich und New York arbeitende Kunstmodel seine Rollen, spielt den blutverschmierten Metzger und meint die unberührbare Jungfrau.

Auf den zwölften Platz verbessert hat sich der Berner Fotokünstler Balthasar Burkhard (Jahrgang 1944). Seit seinem nationalen Durchbruch mit Einzelausstellungen in den Kunsthallen Basel (1983) und Bern (1988) bis hin zu seinen internationalen Auftritten – etwa im Musée de Grenoble oder an der Biennale in Venedig (beide 1999) – hat Burkhard eine beeindruckende, in sich konsistente Künstlerkarriere vorgelegt und gilt heute zu Recht als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Fotografen der Schweiz. Einem breiteren Publikum wohl am besten bekannt sind Burkhards grossformatige Luftaufnahmen von Metropolen wie Mexiko City, Helsinki oder Tokio.

Bei der Realisierung seiner kompromisslos schönen Aufnahmen mit zeitlosen Sujets wie Grossstadt, Wüste, Meer oder Tier überlässt der 56-jährige Tüftler nichts dem Zufall. Er schiesst keine Verlegenheitsbilder, sondern komponiert mit fotografischen Mitteln Gemälde. Generalstabsmässig plant er seine Ausflüge in die Ballungszentren und Einöden des Globus, lässt den Helikopter über der namibischen Wüste aufsteigen, verfolgt auf offenem Meer vom Schiff aus Delfine und kreiert dabei visuelle Synfonien, die neben ihrem dokumentarischen Gehalt immer auch einen Hauch von Romantizismus ausstrahlen.

Einen merklichen Sprung nach vorne getan hat auch der Luzerner Künstler und autochthone Selbstinterpret Urs Lüthi (1947), der neben seiner künstlerischen Tätigkeit seit 1994 als Professor an der Kunsthochschule in Kassel unterrichtet. Dass sich die Wertschätzung für Lüthis Werk im Kreis unserer Expertenrunde gegenüber dem Vorjahr markant erhöht hat (von Rang 37 auf Rang 21), lässt sich teilweise damit erklären, dass dieser Künstler in diesem Sommer das Privileg geniesst, an der Biennale in Venedig den Schweizer Pavillon zu bespielen.

In der Rangliste deutlich nach oben geklettert sind auch der aus Basel stammende Mediencollagist Erik Steinbrecher (1963), die Zürcher Fotografin Zilla Leutenegger (1968) und die junge Film- und Videokünstlerin Emmanuelle Antille (1972) aus Lausanne. Fünf Künstlerinnen, Künstler oder Künstlerpaare sind heuer zum ersten Mal im Haupttableau vertreten: Von null auf Rang 37 schafften es Sabina Lang und Daniel Baumann, bekannt geworden unter der Kurzformel L/B. Das Duo aus Burgdorf beschäftigt sich mit der Multifunktionalität von Räumen und lässt dabei das Design und die Modeströmungen der Sechziger- und Siebzigerjahre wieder aufleben. Von null auf Rang 42 stiess die 33-jährige Thunerin Chantal Michel vor, die – wie zahlreiche andere Kreative auch – ihren eigenen Körper zum wichtigsten Instrument fotografischer Selbstinszenierungen erhoben hat. In diesem Jahr erstmals in den top 50 vertreten sind zudem der Computerkünstler Yves Netzhammer (Rang 43), das Künstlerpaar Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger (Rang 45) und die Fotografin Katrin Freisager (Rang 48).
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