Der Ausgang der Parlamentswahl in Dänemark ist ein Lichtblick für die anderswo ebenso kriselnde wie gebeutelte Sozialdemokratie. Stärkste Kraft bei der Wahl mit fast 26 Prozent der Stimmen, eine zufrieden strahlende Wahlsiegerin, die künftig das politische Sagen haben dürfte.

Den dänischen Genossen um die Vorsitzende Mette Frederiksen ist damit etwas gelungen, wovon die deutschen Sozialdemokraten und viele ihrer Parteikollegen in Europa nur träumen können: Sie haben eine Wahl gewonnen - und noch dazu die Aussicht auf eine erfolgreiche Regierungszeit.

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Die Lage der Sozialdemokraten in Europa könnte widersprüchlicher nicht sein: hier ein weiterer Sieg in Skandinavien, dort der völlige Verlust der Kernwählerschaft. Besonders dramatisch war der Niedergang in den vergangenen Jahren in Frankreich, den Niederlanden und Griechenland, wo die Sozialdemokraten unter zehn Prozent rutschten.

Neue Situation nicht gemeistert

«Die Sozialdemokratie in Europa tut sich schwer, weil sie den Umstieg von der Partei des Industriezeitalters zur globalisierten und digitalisierten Welt nicht geschafft hat», sagt der Politikwissenschaftler Uwe Jun von der Uni im deutschen Trier.

Viele Gruppen der Gesellschaft fühlten sich von ihr nicht mehr angesprochen. «Viele sozialdemokratische Parteien in Europa sind in einer Identitätskrise.»

Dass den Genossen die Wähler davonlaufen, liegt nach Auffassung von Jun unter anderem an ihrer Haltung zur Einwanderung. «Während die Parteiführungen bei den Sozialdemokraten der Migration eher positiv gegenüberstehen, standen Teile ihrer Wähler dem kritisch gegenüber, weil sie darin aus kulturellen und ökonomischen Gründen eine Gefahr sehen.» Deshalb hätten sich viele von den Sozialdemokraten abgewandt.

Ein konkretes Gegenbeispiel fand sich am Mittwoch in Dänemark: Dort verfolgen die Sozialdemokraten eine strenge Migrationsstrategie, womit sie viele ihrer Stammwähler aus der Arbeiterklasse von den Rechtspopulisten zurückholen konnten. Das Resultat: der Wahlsieg.

Unterschätzte Klimasorgen

Ein anderer Grund für die anderswo herrschende sozialdemokratische Krise ist nach Ansicht Juns die Klimapolitik. «Die Sozialdemokraten haben die Klimaproblematik unterschätzt und darauf keine Antworten gegeben.»

Auch damit hätten sie Wähler an die Parteien verloren, die diese Themen besetzten, zuletzt bekamen die Grünen bei der Europawahl deshalb so viele Stimmen wie noch nie. In Dänemark fanden die Sozialdemokraten ebenfalls Antworten zu diesem Thema. «Ihr habt diese Wahl zu der ersten Klimawahl in der Geschichte Dänemarks gemacht», rief Frederiksen der jungen Generation in der Wahlnacht zu.

«Wenn der Wähler erkennt, dass er eine Antwort auf seine Probleme bekommt, ist er auch wieder bereit, einer sozialdemokratischen Partei seine Stimme zu geben», sagt Jun. Doch das klappt bei Weitem nicht überall.

Am schlimmsten traf es die französischen Genossen. Von 2012 bis 2017 regierte der Parti Socialiste unter Präsident François Hollande noch mit absoluter Mehrheit - dann stürzte die Partei in ein tiefes Loch. Bei der EU-Wahl kamen die Sozialisten nur mehr auf knapp über sechs Prozent.

Erholungstendenzen

Anderswo gibt es ein Auf und Ab: In Italien hat der Partito Democratico (PD) bei der Wahl vor einem Jahr ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren. Die rechtspopulistische Lega von Matteo Salvini erreichte hingegen 17 Prozent, bei der Europawahl im Mai kam sie sogar auf 34 Prozent.

Grabenkämpfe und Richtungsstreits hatten die PD schliesslich lahmgelegt. Bei der Europawahl kam sie überraschenderweise wieder auf rund 23 Prozent.

Die Niederländer haben den Abwärtstrend offenbar stoppen können, indem sie sich stärker positionierten. Die Partei der Arbeit war bei der Parlamentswahl 2017 mit nur 5,7 Prozent zur Splitterpartei reduziert worden.

Bei der EU-Wahl errang die einstige grosse Volkspartei jedoch plötzlich wieder fast 19 Prozent der Stimmen und wurde stärkste Kraft des Landes. Damit hatte keiner gerechnet, weder Wahlforscher noch Medien oder die Sozialdemokraten selbst. Parteichef Lodewijk Asscher sprach von einem «spektakulären Comeback».

Der Sieg bei der Europawahl wird vor allem dem «Timmermans-Effekt» zugeschrieben. Der Spitzenkandidat von Europas Sozialdemokraten, Frans Timmermans, punktete mit klaren inhaltlichen Forderungen für ein soziales und grünes Europa. Dabei positionierte er die Sozialdemokraten als gemässigte Alternative im linken Spektrum.

Nun wird erwartet, dass die Sozialdemokraten im eigenen Land enger mit den Grünen kooperieren und stärker auf eine soziale und pro-europäische Agenda setzen.

Spanische Partei nützt Krise aus

Auch innenpolitische Konflikte können helfen. In Spanien schwimmen die sozialdemokratisch orientierten sozialistischen Parteien gerade auf einer Erfolgs- und Euphoriewelle.

Noch vor kurzem sah das ganz anders aus. Die PSOE mit ihrem Spitzenkandidaten Pedro Sánchez hatte bei der Parlamentswahl 2016 das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren.

Doch Sánchez warf das Handtuch nicht. Er nutzte nach eineinhalb Jahren die Schwäche der von Korruptionsaffären erschütterten konservativen Regierung aus, um Mariano Rajoy im Juni 2018 per Misstrauensvotum aus dem Moncloa-Palast zu holen.

Die Neuwahl gewann die PSOE im April mit knapp 29 Prozent, bei der Europawahl setzte sie sich sogar mit knapp 33 Prozent durch. «Die Schwäche des einen kann die Stärke des anderen sein», sagt Jun dazu.

Verwurzelt in Skandinavien

Dänemark ist nun nach Finnland und Schweden das dritte Land im Norden, in dem die Sozialdemokraten wieder an die Macht kommen. «Die Gesellschaften in Skandinavien sind sehr sozialdemokratisch geprägt», meint Jun. Man sei eher auf Kompromiss und Konsens aus, was in Skandinavien oft Minderheitsregierungen ermögliche.

Was den Sozialdemokraten in Europa helfen könne, sei eine neue Vision, rät Jun. «Sie müssen sich neu justieren und sie müssen strategiefähiger werden.» Die zunehmende Zersplitterung in kleine Parteien mit begrenzten Interessen mache es schwieriger, Kompromisse zu finden - national wie auch auf europäischer Ebene.

(sda/ccr)