In «Pretty Woman» darf Julia Roberts das, wovon viele Frauen träumen: Shopping, grenzenlos und unlimitiert, in Luxusboutiquen à la Chanel, Dior und Co. Doch ein edles Kaufvergnügen geht auch anders, preiswerter, ohne auf die Designerstücke verzichten zu müssen.
Das Zauberwort heisst «pre-owned»: Spezialisierte Onlineshops bieten mittlerweile eine grosse Auswahl hochwertiger, aber gebrauchter Designermode. Wieso eine neue Chanel-Tasche für mehrere tausend Franken kaufen, wenn sie im neuwertigen Zustand preiswerter erhältlich ist.
Schmuddel-Image ist passé
Längst passé ist das früher anhaftende Schmuddel-Image gebrauchter Sachen, denn: Portale wie «Vestiarie Collective», «Rebelle» oder «Vide Dressing» zeigen sich im ästhetischen Web-Design, bieten Qualitätsgarantien, Echtheitskontrollen, Concierge-Betreuung, kostenloser Versand und Abholung. Kurzum, die perfekte Inszenierung eines Produktes.
Cécile Gaulke, Gründerin von «Rebelle», hat den Trend zu Vintage-Shopping früh erkannt und genutzt. «Unsere Entwicklung seit dem Launch im Herbst 2013 sieht sehr gut aus, sagt Gaulke. «Wir freuen uns über die breite Akzeptanz in unserer Zielgruppe».
Grosses Potential
In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist der Onlineshop für gebrauchte Designerkleidung bereits eingeführt. Auslandsmärkte wie Schweden, Italien, Niederlande und UK kamen kürzlich dazu. «Unsere Internationalisierung läuft vielversprechend an und wir freuen uns, nun auch verstärkt als europäischer Marktplatz wahrgenommen zu werden», sagt die Unternehmerin, die die Entwicklungschancen von Secondhand-Onlineshops als sehr positiv bewertet.
Nach wie vor sei der Markt noch im Aufbau und verhältnismässig jung, so Gaulke. «In der Zukunft aber liegt ein riesiges Potential, wenn man bedenkt, dass der Firsthand-Markt alleine in Europa circa 75 Milliarden Euro gross ist.»
Was hinter dem Trend?
Doch was steckt hinter dem Trend? Angelockt durch den vergünstigten Preis, versuchen die Konsumenten mit den edlen Designerstücken dem Einheitslook zu entkommen, in dem sie Teile tragen, die sonst keiner hat – und das alles im Sinne der Nachhaltigkeit. Eine Win-win-Situation.
«Luxuriöse Vintage-Sachenkommen nie aus der Mode. Sie sind zeitlos schön und werden mit dem Alter oft noch schöner», sagt zudem Rea Bill, Chefin der Vintage-Boutique «Markentussi» in Zürich. Und tatsächlich: Designerartikel verlieren wenig an Wert. Sie können sogar mit den Jahren zu begehrten Liebhaberstücken werden.
Verändertes Kaufverhalten
Nicht wenige sind überzeugt, dass Webshops für luxuriöse Vintagemode das Kaufverhalten der Menschen weltweit verändert haben. Sophie Hersan von «Vestiaire Collective» ist ein von ihnen. Die Gründerin der Online-Plattform für Vintagemode sagt, dass das Kaufverhalten sich insofern geändert habe, als Menschen einen Luxusartikel bereits mit dem Gedanken kaufen, das gute Stück nach einer gewissen Zeit des Tragens wieder zu verkaufen. Dies sorge für einen erheblichen Warenumschlag.
«Vestiaire Collective» hat seinen Hauptsitz in Frankreich, wurde 2009 gegründet, und ist seitdem auf Expansionskurs. Laut Hersan laufe das Geschäft besonders erfolgreich in England, Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Italien sei ein gutes Lieferland. Insgesamt 67 Prozent des Geschäftsanteils komme aus dem Ausland.
Kontinuierlich verbessern
Ihre Community von vier Millionen Mitgliedern treibe sie dabei stetig an, sich kontinuierlich zu verbessern, so Hersan. «Das erfordert, dass wir Innovationsführer sind, nicht nur im Unternehmen, sondern auch auf unseren sozialen Kanälen und mit unserer App, von der rund 50 Prozent der Aufträge herkommen.». Die Mitglieder liefern Hersan zufolge zugleich wertvollen Input: «Mit Hilfe der Community haben wir einige erfolgreiche neue Features entwickelt, wie zum Beispiel die Taste 'Mach mir ein Angebot' oder 'Halte mich auf dem Laufenden'.»
«Vestiaire Collective» startet in einem strammen Tempo durch: Nach Italien und Spanien in 2015 ist man 2016 dabei, in die nordischen Länder zu expandieren. Auch für die Schweiz gibt es Pläne. Und: «Wir sehen grosses Potential im Mittleren Osten und den asiatischen Märkte», so Hersan.
Virtuelle Konkurrenz
Die virtuelle Konkurrenz durch die Secondhand-Plattformen bekommen die Vintage-Boutiquen zu spüren. Doch viele haben sich dem Trend angepasst und betreiben eigene Online-Shops, wie zum Beispiel Valeria Schneider, Betreiberin von «Luxussachen» in Hamburg. Im Vergleich zu den grossen Webshops erkennt Schneider aber einen klaren Unterschied: «Wir sind ein inhabergeführtes Unternehmen und haben zusätzlich zu unserem Onlineshop kleine exklusive Boutiquen, in denen wir eine sehr persönliche Beratung und individuelle Betreuung anbieten können.»
Als Geschäftsführerin sei Schneider sehr präsent und immer persönlich zu erreichen. Auch die Produkte und verschiedenen Styles würden stets in einem persönlichen Rahmen gezeigt werden. Eine Rechnung, die laut Schneider aufgeht: «Wir haben mittlerweile eine europaweite Reichweite aufgebaut und sprechen einen grossen Kundenstamm an.»