Er ist einer der mächtigsten Männer der Welt. Manche attestieren ihm gar grösseren Einfluss als dem US-Präsidenten. Ben Bernanke sitzt als Vorsitzender der US-Notenbank an den Stellschrauben der (noch) grössten Volkswirtschaft. Zuletzt beschlossen er und seine Federal Reserve Bank (Fed), weitere 600 Milliarden Dollar in die Finanzmärkte zu pumpen, um auf diese Weise die nach wie vor lahmende Konjunktur wiederzubeleben. Doch wie sinnvoll ist dieser Akt? Die Notenbank will vor allem die Liquidität der Geldinstitute erhöhen, was zu einer Steigerung der Kreditvergaben an Firmen und so zu Wirtschaftswachstum führen soll. Allerdings befindet sich die Nachfrage nach Krediten in den USA auf konstant niedrigem Niveau. Die Wirkung des Fed-Schritts droht zu verpuffen. Zugleich besteht die Gefahr, dass der Fed-Chef mit seiner lockeren Geldpolitik den Dollar auf Talfahrt schickt. Mögliche Folgen: ein internationaler Abwertungswettlauf und eine neue Welle des Protektionismus. Beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer in Seoul spielte die umstrittene Geldpolitik der Fed zwar nur eine untergeordnete Rolle. Doch hinter den Kulissen rumort es gewaltig: Der Beschluss, die Geldschleusen sperrangelweit zu öffnen, sorgte im Ausland zum Teil für wütende Kritik.

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Die Freunde

Bernanke wurde unter Präsident George W. Bush Chef der US-Notenbank. Doch auch Barack Obama outete sich als Bernanke-Fan: «Er hat meine stärkste Unterstützung. Ich glaube, er hat gute Arbeit geleistet.» Derselben Meinung ist der US-Chefvolkswirtschaftler von Goldman Sachs, Jan Hatzius. Und selbst der sonst kritische US-Ökonom Nouriel Roubini lobte Bernanke für dessen Krisenmanagement.
Bei seiner Nominierung zur zweiten Amtszeit genoss Bernanke Unterstützung über die Parteigrenzen hinweg. Senator Christopher Dodd, Vorsitzender des Bankenausschusses des Senats, und Ex-Präsidentschaftskandidat John Kerry warben für Bernanke – trotz dessen republikanischem Parteibuch. Auch die einflussreichen republikanischen Senatoren Judd Gregg, Lamar Alexander, Richard Lugar und Susan Collins sprachen sich für Bernanke aus. Lob gab es von Frederic Mishkin, Professor der Columbia University und ehemaligem Fed-Gouverneur: «Ben Bernanke hat während der Finanzkrise enormen Mut bewiesen.» Bei Nationalbank-Chef Philipp Hildebrand holte Bernanke jüngst persönlich Argumentationshilfe in Sachen Schuldenbremse ein, bevor er die Schweiz zum «Vorbild für die USA» erklärte.

Die Gegner

Ökonomie-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz kritisiert, dass die Liquiditätsflut «der amerikanischen Wirtschaft nicht hilft, aber im Rest der Welt Chaos verursacht». Auch Sarah Palin, frühere Gouverneurin von Alaska, knüpfte sich den Fed-Chef vor. Sie sei zutiefst beunruhigt über die Pläne der Federal Reserve. «Ich glaube nicht, dass das die Wirtschaft beleben wird», fürchtet Don Kohn, bis September Fed-Vize. Für Allan Meltzer, Professor an der Carnegie Mellon University und ehemals Vertrauter von Financier Martin Ebner, erhöhen diese Ausgaben die Gefahr einer Hyperinflation. Auch konservative Republikaner wie der Texaner Ron Paul kritisieren Bernanke inzwischen heftig: «Die Fed hat einmal versagt, sie wird wieder versagen.» Besonders bissig gibt sich Rohstoffinvestor Jim Rogers: «Leider versteht Dr. Bernanke nichts von Wirtschaft, er versteht nichts von Devisen, er versteht nichts von Finanzen. Er kann nur eins: Geld drucken.»

Die Ausland-Kritiker

Nach seiner jüngsten Geldspritze sah sich Bernanke Vorwürfen aus aller Welt ausgesetzt. Brasiliens Finanzminister Guido Mantega und der Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, warnen vor einem «Währungskrieg». Und der Vizegouverneur der People’s Bank of China, Ma Delun, warf Bernanke vor, er unterminiere die Bemühungen um mehr Gleichgewicht in der Weltwirtschaft. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble kritisierte die Strategie des Fed-Chefs als «trostlos». Wechselhafte Kontakte pflegt Bernanke zu Jean-Claude Trichet, Chef-Währungshüter des Euro, und zum deutschen Bundesbank-Präsidenten Axel Weber: Seine Entscheidung über den weiteren Aufkauf von Staatsanleihen im Wert von 600 Milliarden Dollar hat er nicht mit ihnen abgesprochen. Auch der britische Währungshüter Mervyn King war offenbar ahnunglos.

Die Karriere

Er machte einen High-School-Abschluss in Dillon, South Carolina, studierte an der Harvard, promovierte am MIT. Neben Wissenschaftlichem hat Bernanke auch drei volkswirtschaftliche Lehrbücher publiziert. Seit 2006 leitet er die US-Notenbank. Zum 80.  Geburtstag von Milton Friedman, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, hielt er eine Rede und stimmte dessen These zu, erst die falschen Reaktionen der Fed hätten den Wirtschaftsabschwung 1929 in eine Depression übergeführt. Für Hobbys bleibt Bernanke wenig Zeit. In den letzten zwei Jahren nahm er gerade mal zwei Tage frei: anlässlich der Hochzeit seines Sohns. Einziges Interesse ausserhalb der Fed ist seine Liebe zum Baseballclub Boston Red Sox.

Die Familie

Kraft tankt Bernanke bei seiner Familie. Anders als sein Vorgänger Alan Greenspan, der sich gerne auf Partys in Washington zeigte, treibt es den Fed-Chef nach Feierabend meist zu seiner Frau Anna Friedmann, einer ehemaligen Spanischlehrerin. Glamourfaktor: null. Überliefert ist, dass die Gattin 2005 in Tränen ausbrach, als sich abzeichnete, dass ihr Mann die Nominierung zum Vorsitz der Fed gewinnen würde – weil sie wusste, «dass unser Leben nie wieder so sein würde wie bisher». Bernanke bedankte sich rührend bei seiner Frau, Sohn John und Tochter Joel. «Meine Familie hat mich durch alle Höhen und Tiefen meiner Karriere begleitet – ich hoffe, sie können es noch ein paar Jahre aushalten.»