Am 22. September, nach Redaktionsschluss der BILANZ, tagte der Aufsichtsrat der Lufthansa. Und wenn beim deutschen Luftfahrtkonzern nicht die Erde gebebt hat, dann ernannten die Aufsichtsräte Christoph Franz zum neuen CEO des Airline-Verbundes, zu dem auch die Swiss gehört. Bereits von 1990 bis 1994 diente Franz bei der Lufthansa – in einem Sanierungsteam, das die Airline vor der Pleite bewahrte. Bereits damals traf er einige seiner heutigen Weggefährten. Dann wechselte er zur Deutschen Bahn, wo er als Vorstand für Personenverkehr ein flexibleres Preissystem einführen wollte und sollte. Der Widerstand der Bevölkerung und der Politiker war aber so gross, dass im Mai 2003 Köpfe rollten. Es traf Franz. Viel Fortüne hatte er dagegen bei der Swiss. Er kam zum Zeitpunkt des Tiefs, leistete hervorragende Sanierungsarbeit, wobei ihm der Wirtschaftsaufschwung und Synergien mit Lufthansa zugutekamen. Swiss ist heute der Modellfall unter der Handvoll Konzern-Airlines. Franz hat sich hier seinen weiteren Aufstieg erarbeitet: Konzernchef Wolfgang Mayrhuber machte den 50-Jährigen Mitte 2009 zu seinem Stellvertreter, übertrug ihm das zentrale Geschäftsfeld Lufthansa Passage, gefördert vom mächtigen Aufsichtsratschef Jürgen Weber. Alles andere, als Franz nun auf den Thron zu hieven, wäre ein Affront gewesen.

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Vertraute bei der Lufthansa

Ganz oben steht Jürgen Weber, der die Lufthansa als Konzernchef Anfang der neunziger Jahre saniert hat. In Webers Team diente auch Franz, daher kennen sich die beiden seit 20 Jahren, Webers Amtszeit dauert noch bis 2013.
Franz gilt als nüchterner, umgänglicher Charakter. In das Kerngeschäftsfeld Passage holte er sich Vertraute: Zeitgleich mit seinem Wechsel nach Frankfurt stiess Roland Busch als Finanz- und Personalchef hinzu, der zuvor bei der Cargo-Sparte tätig war. Den Leiter des wachsenden Lufthansa-Drehkreuzes München, Thomas Klühr, machte Franz zum Verantwortlichen seines Sparprogramms Climb 2011 und damit zu einer zentralen Figur bei der Konzernentwicklung.

Äussere Widersacher

Als nachhaltig gestört gilt das Verhältnis zu seinem früheren Chef bei der Deutschen Bahn, Hartmut Mehdorn. Als die Bahn ein neues, nachfrageorientiertes Preissystem einführen wollte und diesen Plan wegen massiver Proteste zurückzog, musste Personenverkehrchef Franz über die Klinge springen. Mehdorn, der das System stark forciert hatte, blieb hingegen. Als Rückhalt Mehdorns galt der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, ein guter Freund. Künftige Gegner werden vor allem Tim Clark sein, Chef der expandierenden Fluglinie Emirates, sowie die Bosse der Billigflieger – besonders der ideen- und ankündigungsgewaltige Ryanair-Chef Michael O’Leary und Air-Berlin-Gründer Joachim Hunold. Direkte Konkurrenten der Lufthansa, aber Brüder im Kampf gegen Emirates und Billigflieger sind Pierre-Henri Gourgeon, der Boss von Air France-KLM, und British-Airways-Chef Willie Walsh, dessen Arbeit Franz achtet.

Schweizer Connection

Der frühere VR-Präsident der Swiss, Pieter Bouw, war massgeblich an der Entscheidung beteiligt, Christoph Franz zum CEO zu ernennen. Im Wahlausschuss sassen auch Franke-Patron Michael Pieper und der heutige CS-Vize Urs Rohner. Als Quasi-Schweizer kann Ex-Swissair-Manager Matthias Mölleney durchgehen, der sich mit Franz im Lufthansa-Sanierungsteam ein kleines Büro teilte.
Aus seiner Zeit bei der Deutschen Bahn ist Franz gut bekannt mit SBB-Chef Andreas Meyer, der damals die DB-Sparte Energie führte. Als weitere Vertraute gelten Ex-ABB-Chef Fred Kindle, Unternehmer Peter Spuhler sowie Peter Siegenthaler, lange Zeit höchster Schweizer Finanzbeamter. Bei seiner Vorstandstätigkeit für die Swiss-American Chamber of Commerce lernte er viele Hochkaräter kennen, darunter UBS-Boss Oswald Grübel und Shell-Chef Peter Voser.

Interne Konkurrenten

Franz’ Mitbewerber im Rennen um den Chefposten wurden oder werden mit erweiterten Zuständigkeiten befriedet. So die beiden Zentralvorstände neben CEO Mayrhuber und Franz, Personalchef Stefan Lauer und Finanzchef Stephan Gemkow. Lauer überwacht die Tochter-Airlines, Gemkow die Cargo-Sparte. Der 43-jährige Carsten Spohr, bisher Cargo-Chef und Vertrauter von Jürgen Weber, soll das Kerngeschäft Passage leiten. Franz verlangt vom Passagiergeschäft enorme acht Prozent Marge. Das setzt Spohr unter Druck und kann auch als Abschiedsgruss an den stärker konsensorientierten Mayrhuber interpretiert werden. Grundsätzlich aber sollen es alle drei gut miteinander können. Holger Hätty, dessen Name auch im CEO-Poker fiel, führt heute bei Swiss das Zentralressort eines Chief Commercial Officer.

Die Familie

Franz ist mit der Französin Isabelle verheiratet, die beiden kennen sich seit ihrer Studienzeit. Noch immer lebt das Ehepaar mit seinen fünf Kindern (vier Söhne, eine Tochter) in Zürich, während der Arbeitswoche logiert Franz aber meist in Frankfurt. Er gilt als ausgesprochener Familienmensch, ist viel in den Bergen unterwegs – im Sommer zu Wandertouren, im Winter mit dem Schlitten. Damit die ganze Familie bei Ausflügen Platz findet, fährt Franz einen silberfarbenen VW-Bus. Ab und zu lässt er sich im Opernhaus oder an klassischen Konzerten blicken.

Dirk Ruschmann
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