Dom, Dufourspitze, Stecknadelhorn, Rimpfischhorn –Heinz Karrer hat bislang 40 Viertausender im Land bestiegen. Fast so vielfältig wie die alpinen Erfahrungen sind jene seiner Berufskarriere: Nach seinem Studium verkaufte er Turnschuhe (Intersport), dann Zeitungen und Zeitschriften (Ringier), anschliessend Handys und Festnetz-Abos (Swisscom), und seit neun Jahren ist er Chefverkäufer von Strom (Axpo Holding) sowie Kernkraftwerkbetreiber (Beznau, Leibstadt). Nun, nach dem Reaktorunglück in Japan, steht der 51-Jährige mit seiner Firma, die im Besitz der Nordostschweizer Kantone ist, mitten im Disput um die umstrittenste aller Energien: Atomkraft.

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Was ihm einige als Branchen-Hopping anrechnen – vier unterschiedliche Sektoren –, gereicht ihm nun zum Vorteil. Bis dato ist es Karrer gelungen, das sensible Dossier Kernenergie in halbwegs rationalen Bahnen zu halten. Das liegt auch daran, dass der Ex-Handballer das Gespräch mit seinen Gegnern (etwa Greenpeace) sucht und sie in Projekte einbindet. Zudem ist Karrer kein Mann der provokanten Töne. Bezeichnend auch, dass er als grösster AKW-Stromer des Landes die Bewilligungsgesuche für neue AKW schubladisieren will. Deeskalation ist angesichts der verunsicherten Bevölkerung und der bevorstehenden Abstimmung Karrers Taktik.

Die Familie
Karrer wuchs in Winterthur in einem Mittelstandsmilieu auf. Sein Vater war PTT-Angestellter. Heinz Karrer absolvierte eine Lehre bei der Bankgesellschaft und besuchte die Berufsschule des Kaufmännischen Vereins. Später holte er an der Zürcher Maturitätsschule für Erwachsene die Matura nach. Dann ging es an die Hochschule in St. Gallen, wo er Betriebswirtschaft studierte. Er ist verheiratet mitSonja Karrer, einer Teilzeit-Primarlehrerin. Sie sitzt im Vorstand der Dargebotenen Hand und in jenem des Vereins Schule und Elternhaus des Kantons Bern. Das Paar hat drei Söhne, der jüngste spielt Handball wie einst der Vater. Ein Zimmer im Einfamilienhaus der polysportiven Familie ist fürs Muskeltraining reserviert. Karrer drückte lange Zeit jeden Abend 100 Liegestützen.

Die Karriere
Nach dem Studium übernahm der Diplom-Betriebsökonom die Führung des Verbandes der Schweizer Sportartikel-Industrie.Adolf Ogi, damals Generaldirektor bei Intersport, holte den Jungdynamiker an seine Seite. Mit der Wahl Ogis in den Bundesrat 1987 stieg Karrer auf den Leitungsposten von Intersport Schweiz auf; drei Jahre später war er Chef der gesamten Holding, wo er sich aufs Gesundschrumpfen verlegte. Aus dieser Zeit kennt er die Sportartikler des Landes, darunterGregor Furrer, Besitzer von Völkl,Erich Schärer, Boblegende und Adidas-Vermarkter, sowieFranz Julen, heute CEO von Intersport. Ringier-ChefOscar Frei holte Karrer in die Medienbranche. Später heuerte er bei der Swisscom an, wo er für den Bereich Marketing & Sales zuständig war. Nach seinem Abgang und einem Sabbatical wechselte er 2002 zur Axpo. Er hält diverse VR-Mandate (Swissgrid, Resun, Luzerner Medien Holding, Kuoni), sitzt im Economiesuisse-Vorstand und präsidiert Swisselectric, die Organisation der Schweizer Stromverbundfirmen. Sein Salär bei Staatsbetrieb Axpo: 762 000 Franken.

Die Gegner
Als Schweiz-Chef von Ringier geriet Karrer öfters mit dem ChefpublizistenFrank A. Meyer über Kreuz. Dieser tat den früheren Intersport-Manager als «Skiverkäufer» ab, während Karrer bei VerlegerMichael Ringier auf Meyers Entmachtung drängte. Streitpunkte waren die Besetzung der «Blick»-Chefredaktion sowie das Projekt einer Gratis-Pendlerzeitung, das Karrer vorantrieb. Nach wochenlangem Infight warf er das Handtuch. Die Meinungsverschiedenheiten mit dem Verleger waren gross, debattiert wurde sachlich. Man trennte sich mit Anstand. Chronisch ist der Disput mit Greenpeace. Aktuell wird über die Uranwiederaufbereitung der Axpo in der russischen Problemanlage Majak gestritten. Karrer sucht den Dialog und die Kooperation mit den Umweltschützern. So plant Axpo auf dem Dach der Umwelt Arena in Spreitenbach AG eine Fotovoltaikanlage, in die Greenpeace-Know-how einfliessen soll. Geschätzter Ansprechpartner bei Greenpeace istKaspar Schuler, verantwortlich für Klima und Energie.

Die Sport-Connection
Als Mittelschüler spielte Karrer Handball bei Pfadi Winterthur, später bei St. Otmar St. Gallen. 53-mal berief man ihn ins Nationalteam. Höhepunkt: die Olympiade in Los Angeles 1984. Auf dem Spielfeld lernte erDaniel Eckmann, Torhüter beim BSV Bern, kennen. Heute präsidiert Karrer den 200er Club, einen Sponsorenzirkel des Handballclubs Münsingen. Zu den Supportern gehören auchHans Lauri, Berner Alt-Ständerat, undHans Ueli Ruchti, Ex-Gewerkschafter. Ihn kennt Karrer aus der Swisscom-Zeit, Ruchti sass als Personalvertreter im VR. Hobbybergsteiger Karrer war früher oft mitArt Furrer in der Wand. Seit 15 Jahren klettert er mitGusti Oehrli, Ex-Skirennfahrer und Sportartikelverkäufer.

Die Freunde
Karrers Vertraute stammen aus dem Sport-, dem Medien- und dem Swisscom-Universum. Zum letztgenannten zählt Ex-Swisscom-KonzernchefJens Alder. Alle drei Monate trifft man sich in einem Zirkel ehemaliger Führungskräfte, um die wilden Tage hochleben zu lassen. Dazu gehört auchDavid Schnell, Ex-Swisscom-Finanzchef und heute der starke Mann im Kuoni-VR. Schnell zog seinen Spezi Karrer 2007 in den Kuoni-VR nach. Dort präsidiert er den Nominationsausschuss, derPeter Rothwell als CEO zum Touristikkonzern lotste.Eng verbunden ist Karrer mit PR-BeraterSacha Wigdorovits. Man kennt sich aus gemeinsamen Tagen beim Medienhaus Ringier. Der damalige Ringier-Topmanager Karrer hatte Wigdorovits zum «Blick»-Chefredaktor gekürt. Widgorovits’ Kommunikationsfirma Contract Media berät seit längerem den Axpo-Konzern. In der Polit-Arena setzt Karrer allerdings auf interne Leute, seine Lobbyisten sindMartin Saxer undThomas Porchet.Mal gut, mal getrübt ist das Verhältnis zuGiovanni Leonardi, CEO des Stromkonzerns Alpiq. Dieser ist von der Firmengrösse her der Platzhirsch, doch Karrers Axpo ist dank Sponsoring der Fussball-Super-League in der Öffentlichkeit präsenter. Ärger haben sie miteinander wegen der Bewilligungsgesuche für künftige AKW: Bis heute konnten sie sich nicht auf zwei Standorte einigen. Karrer wollte kürzlich gar die Gesuche zurückziehen. Leonardi opponierte.