Vor 75 Jahren, im Sommer 1938, dirigierte Arturo Toscanini vor Richard Wagners einstiger Villa in Luzern. Dieses Konzert gilt als Geburtsstunde des Lucerne Festival. Ein Anlass, der längst weit über die Schweizer Grenzen hinaus bekannt ist – und ökonomisch erst noch höchst erfolgreich. Das Lucerne Festival, das jährlich 120 000 Besucher anlockt, ist in der Leuchtenstadt zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden.

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Das ist zu einem guten Teil das Verdienst von Michael Haefliger. Der studierte Musiker ist seit 15 Jahren Intendant. Seit der 52-Jährige den Taktstock schwingt, ist das Budget von 14 auf 26 Millionen Franken angeschwollen. Erstaunlich dabei: Stadt und Kanton Luzern steuern gerade mal drei Prozent an Subventionen bei. Machbar ist dies – neben den Besuchern – nur mit Sponsoren wie Nestlé, Roche, Credit Suisse oder «Zürich». Und da beweist der bestens vernetzte Haefliger, der 30 Mitarbeiter dirigiert, viel Fingerspitzengefühl und Überzeugungskraft. Ende 2015 läuft Haefligers Vertrag in Luzern aus. Obwohl ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, wälzt er keine Pläne für die Zeit danach.

«Revolution!»: So lautet das Motto des diesjährigen Lucerne Festival, das vom 16. August bis zum 15. September über die Bühne geht. Dieser Tage ist über das Festival auch der schöne Bildband «Das Wunder von Luzern» erschienen.

Die Freunde

Seit seiner Zeit in Davos ist Michael Haefliger befreundet mit dem Detaillisten und Verleger Beat Curti. Zu seinen besten Kumpeln zählt Guido Egli, CEO von Mövenpick und Präsident des Grand Casino Luzern. Mit Hans Koch, dem KKL-Geschäftsführer, besucht Haefliger oft Fussballspiele. Mit Claude Nobs, dem im Januar verstorbenen Leiter des Montreux Jazz Festival, pflegte er einen «Austausch auf musikalischer Ebene». Einen guten Draht hat er zu Urs Bucher: Der Schweizer Botschafter in Japan unterstützt sein Projekt Ark Nova, einen vom Architekten Arata Isozaki entworfenen mobilen Konzertsaal mit guter Klangqualität und einer Kapazität von 500 Plätzen. In diesem Zelt wird in der vom Erdbeben heimgesuchten Stadt Matsushima im September das Lucerne Festival Orchestra aufspielen, gefolgt von weiteren Konzerten bis im Oktober.

Für Haefliger sind Sponsoren mehr als nur Geldgeber. Da kann es nicht verwundern, dass er mit einigen befreundet ist. Als «wichtigen Mentor und engen Freund» bezeichnet er Fritz Gerber, den einstigen Roche-Präsidenten. Gerber hat ihn auch schon mehrmals nach Antigua eingeladen. Eine ähnliche Rolle kommt dem ehemaligen UBS-Chef Oswald Grübel wie auch dem einstigen Bankier Rainer E. Gut zu. Private Beziehungen unterhält der Intendant auch zu einigen Festival-Stiftungsräten, so zu Credit-Suisse-Präsident Urs Rohner oder Swiss-Re-Präsident Walter Kielholz.

Die Festival-Connection

Haefligers wichtigste Bezugsperson beim Lucerne Festival ist Claudio Abbado. Zusammen mit dem Ex-Dirigenten der Berliner Philharmoniker gründete er das Lucerne Festival Orchestra. Mit Pierre Boulez wiederum hat er die Lucerne Festival Academy ins Leben gerufen, wo junge Musikertalente gefördert werden. Eine gute, primär berufliche Beziehung unterhält Haefliger mit Pius Zängerle, dem Präsidenten des KKL.

Einen hohen Stellenwert nehmen die Sponsoren ein. Nestlé ist einer der ältesten und grosszügigsten Geldgeber, nicht zuletzt dank Präsident Peter Brabeck-Letmathe. Bestens bekannt ist Haefliger mit Nestlé-CEO Paul Bulcke; die beiden sitzen auch im Stiftungsrat des Avenir-Suisse-Ablegers «Zukunft Schweiz». Stolz ist der Intendant auf die bundesrätliche Vertretung: Eveline Widmer-Schlumpf sitzt im Ehrenkomitee. Als wichtigen Ratgeber bezeichnet er Klaus Jacobs, Vice Chairman des New Yorker Konzerthauses Carnegie Hall.

Die Gegner

Eigentliche Gegner hat Haefliger keine, dafür Konkurrenten, die etwas neidisch auf das «Wunder von Luzern» blicken. Dazu zählen Elmar Weingarten, Intendant der Tonhalle Zürich, oder Christoph Müller, der das Menuhin Festival Gstaad leitet. Mit Alexander Pereira, Taktgeber der Salzburger Festspiele, hat Haefliger schon manch scharfen Disput über Musik ausgefochten. So richtig in Fahrt kam er jedoch nur einmal, und zwar als die Nachkommen des Kulturmäzens Christof Engelhorn die versprochenen 120 Millionen Franken für den neuen Hightech-Konzertsaal «Salle Modulable» zurückzogen.

Die Karriere

Haefliger liess sich in New York an der Juilliard School of Music zum Geiger ausbilden. Als Profimusiker trat er allerdings nur kurze Zeit auf. 1986 gründete er in Davos, unterstützt vom damaligen Tourismuschef Bruno Gerber sowie von Werner Kupper, Nachlassverwalter des Maestros Herbert von Karajan, das Musikfestival Young Artists in Concert. Unterstützung erhielt der Jung-Intendant auch von Klaus Schwab, dem Präsidenten des World Economic Forum. Dessen Forum ernannte Haefliger zum Global Leader of Tomorrow.

1998 wurde er von Georges Bucher, Präsident der Internationalen Musikfestwochen, nach Luzern geholt. Um auch in wirtschaftlichen Belangen mithalten zu können, eignete sich Michael Haefliger das nötige Rüstzeug an der HSG und der Harvard Business School an. Sein Vertrag läuft bis Ende 2015. Und danach? Sein Kontakt zu Helga Rabl-Stadler, Präsidentin der Salzburger Festspiele, lässt vermuten, dass er ins Österreichische ziehen könnte. Ihn allerdings interessiert eher New York.

Die Familie

Seinem Vater, dem bekannten Schweizer Tenor Ernst Haefliger, verdankt Michael Haefliger die musikalische Ader; der Mutter Anna, einer Architektin, sein Gespür fürs Ökonomische. 14 Jahre lang war Michael Haefliger mit der Russin Irina Nikitina verheiratet, einer Pianistin, die sich als Gründerin und Intendantin des Musical Olympus Festival in St. Petersburg hervortat. 2004 zerbrach die Ehe. Tochter Annika (22), die bei ihrer Mutter lebt, hat jüngst ihr Psychologiestudium an der University of Edinburgh abgeschlossen. Andreas, der jüngere Bruder von Haefliger, lebt als Konzertpianist in Wien.

Michael Haefliger wohnt mit seiner Partnerin in Hergiswil. Geige spielt er nur noch im privaten Kreis. Im Winter fährt er gerne Ski, doch seine grosse Leidenschaft gilt dem Fussball. Sein erklärter Lieblingsverein: Bayern München.