Die Chancen, dass sich das Verhältnis zu Deutschland entspannt, sind seit der Bildung der neuen Berliner Regierung deutlich besser geworden. Die Ära von Peer Steinbrück, der durch seine provokanten Äusserungen zum wohl meistgehassten Politiker in der Schweiz wurde, ist zu Ende. Sein Nachfolger, Wolfgang Schäuble (67), gilt zwar auch als messerscharfer Denker und harter Verhandler. Aber der geborene Badener kennt die Schweiz viel besser als der kaltschnäuzige Norddeutsche.

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Viele Male verbrachte Schäuble, der seit einem Attentat im Jahr 1990 im Rollstuhl sitzt, seine Ferien in den Schweizer Bergen. Als einer von ganz wenigen Ausländern durfte er in der Bündner Grenzgemeinde Samnaun 2005 sogar die Rede zum Schweizer Nationalfeiertag halten. Das Thema: «Die Schweiz – Modell für Europa?» Schäuble lobte dabei den Föderalismus und die Macht der Schweizer Kantone.

Der Ton wird sich ändern, die Härte in der Sache wohl nicht. Als Finanzchef hat auch Schäuble nichts zu verschenken. Er muss bei den Staatsausgaben sparen und Steuerflucht bekämpfen. «Der Abfluss deutscher Sparguthaben auf schweizerische Konten kann ihm nicht recht sein», heisst es in seinem Umfeld. Wie seine Vorgänger werde er deshalb zur Jagd auf Steuerflüchtlinge blasen – aber wohl leiser.

Seine Mitstreiter

Schäuble, damals Partei- und Fraktionsvorsitzender der CDU, fühlte sich im Zusammenhang mit der von ihm entgegengenommenen Spende des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber von Parteifreunden «gnadenlos reingelegt». Zumindest liess das Wolfgang Uhrig, früherer Chefredaktor der Sportzeitschrift «Kicker», 2000 in einem Zeitungsbeitrag die Öffentlichkeit wissen. Der Journalist ist mit Schäuble seit Jahren eng befreundet. Die Aktion Uhrigs gab Schäuble die Gelegenheit, sich zu erklären, ohne sich angreifbar zu machen – ein echter Freundschaftsdienst.

Dabei versucht Schäuble, seine Freundschaften von der Öffentlichkeit abzugrenzen. Enge persönliche Kontakte pflegt er vor allem in seiner baden-württembergischen Heimat, wo man ihn Wolf nennt. Er ist Vorsitzender des Freundeskreises des Festspielhauses Baden-Baden. Sein Vorgänger war Lothar Späth – die beiden kennen sich aus der Politik. Freundschaftlich ist er auch mit dem CDU-Finanzpolitiker Friedrich Merz, dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch und Theo Waigel, früher ebenfalls Finanzminister, verbunden. Waigel bestätigt, Schäuble habe «eine sehr viel natürlichere Beziehung zur Schweiz, als das bei Steinbrück der Fall war». Als Finanzpolitiker müsse Schäuble zwar versuchen, Steuerschlupflöcher zu schliessen. «In der Unterhaltung mit der Schweiz wird seine Rhetorik aber trotzdem deutlich sympathischer rüberkommen.»

Seine Gegenspieler

Lange galt Schäuble als Zögling des deutschen Rekordkanzlers Helmut Kohl. Der förderte ihn stetig. Man übertrug Schäuble verschiedene Ministerämter, später sogar den Vorsitz der CDU. Die 1999 bekannt gewordene Parteispendenaffäre führte zu einem Riss in der Verbindung der beiden Politiker. Inzwischen gelten sie als Feinde. Im Rahmen der Ermittlungen räumte Schäuble ein, vom Waffenhändler Karlheinz Schreiber 1994 eine Barspende in Höhe von 100  000 D-Mark für die Partei angenommen zu haben, die er an die damalige CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister weitergegeben habe. Baumeister widersprach der Version Schäubles. «Er hasst sie und würde ihr nie mehr die Hand geben», sagt ein Vertrauter. Die Angelegenheit wurde nie geklärt. Fakt ist, dass das «System Kohl» intensive Kontakte mit der Schweiz pflegte. Die CDU unterhielt offenbar mehrere Schattenkonten, in der Schweiz unter anderem auch eine Stiftung namens Norfolk. Die Konten wurden in den vorgeschriebenen Rechenschaftsberichten nicht erwähnt und dienten zur Verschleierung illegaler Spenden an die Partei.

Seine Karriere

Der Jurist Schäuble machte in der Politik schnell Karriere. Ab 1972 im Bundestag, stieg er rasant auf. 1984 machte ihn Helmut Kohl zum Kanzleramtsminister, 1989 wurde er Innenminister und galt als wichtiger Drahtzieher bei den Bemühungen um die deutsche Wiedervereinigung. Ende 1991 übernahm Schäuble den Vorsitz der CDU/CSU-Fraktion. Als Kohl die Wiederwahl verlor, übernahm der Badener auch den Bundesvorsitz der Partei. 2005 leitete er in der Grossen Koalition das Innenministerium. Jetzt macht ihn Kanzlerin Angela Merkel, die ihn 2005 noch als Bundespräsidenten verhinderte, zum wichtigsten Minister ihres Kabinetts.

Seine Swiss Connection

Wolfgang Schäuble ist deutlich enger mit der Schweiz verbunden als andere deutsche Minister. So gehört er seit Jahren dem Stiftungsrat des Internationalen Forschungsinstituts für Paraplegiologie in Zürich an. Wiederholt diskutiert er an Schweizer Universitäten über «Global Governance» und «Grenzen nationaler Politik». 2005 erhielt er die Ehrendoktorwürde der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Fribourg.

Seine Familie

Schäuble wurde in Freiburg im Breisgau geboren. Heute wohnt er in der Nähe von Offenburg. Wie sein Bruder Thomas Schäuble, der es in Baden-Württemberg zum Innenminister schaffte, zog es ihn früh in die Politik. Während seines Studiums der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften trat er in die CDU ein. Der promovierte Jurist ist seit 1969 mit der Volkswirtschaftlerin Ingeborg Schäuble verheiratet und hat vier Kinder. Seine Frau hat seit 1996 den Vorsitz der Deutschen Welthungerhilfe inne. Mit ihr teilt er die Liebe für klassische Musik und moderne Literatur. Schäuble spielt begnadet Schach. Um sich fit zu halten, fährt er regelmässig Handbike.