Mit einiger Verspätung hat die Diskussion um die «Impfprivilegien» nun auch die Schweiz erreicht. Zeitungen schreiben von einem «Sonderstatus» für Senioren und von einer «Vorzugsbehandlung» all derjenigen, die das Glück hatten, bereits in den Genuss einer Impfung gegen Covid-19 zu kommen.

Von der Gefahr einer Ungleichbehandlung ist die Rede und davon, dass die Jungen einmal mehr in der Pandemie das Nachsehen hätten.

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Die Präsidentin der nationalen Ethikkommission warnt vor einem «indirekten Impfzwang» und vor der Gefahr einer «Stigmatisierung» und «Diskriminierung» derer, die sich nicht impfen lassen wollen oder nicht können.

Es geht nicht um Privilegien, es geht um Rechte

Mit Verlaub, aber ist das nicht alles etwas übertrieben? Wenn sich Senioren und Seniorinnen wieder zum Kaffee treffen oder ins Kino gehen können, dann ist das kein Privileg, sondern schlicht und einfach ihr gutes Recht.

Vorausgesetzt, die vorläufigen Erkenntnisse bestätigen sich, wonach eine Impfung nicht nur gegen eine Infektion schützt, sondern auch eine Übertragung verhindert.

Auch das mit der Ungleichbehandlung ist offenbar nicht ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Das zumindest meint das Bundesamt für Justiz. Sein überraschender Befund: Gleichheit heisst nicht nur, Gleiches gleich zu behandeln. Sie kann auch bedeuten, Ungleiches ungleich zu behandeln.

So steht es um die Gleichbehandlung

Oder wie es die Juristinnen und Juristen des Bundes besser formulieren: Das Gleichbehandlungsverbot werde auch dann verletzt, wenn Unterscheidungen unterlassen würden, «die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen».

Das Gebot der Ungleichbehandlung Geimpfter und nicht Geimpfter lasse sich demnach just aus dem Gleichheitsartikel in der Bundesverfassung ableiten.

Es gehört zur Natur des Menschen, dass er empfindlich reagiert, wenn er etwas nicht machen darf, was andere dürfen. Es gibt aber auch eine andere Logik, und die besagt: Die unnötige Beschneidung der Rechte von Geimpften bringt keine Maturfeier und keine Studienwoche zurück, die wegen Corona ausfallen musste.

Oberstes Ziel muss sein, dass Wirtschaft und Gesellschaft möglichst schnell wieder zu einer Normalität finden. Für die einen wird das schneller der Fall sein, weil sie Risikogruppe sind, für die anderen wird es etwas länger dauern. Was bitte ist denn daran so schlimm?

Würden wir über «Impfprivilegien» sprechen, wenn es um Kinder ginge?

Und zum Schluss noch ein Gedankenspiel: Stellen wir uns vor, Covid-19 würde nicht die Älteren besonders stark gefährden, sondern Kinder und Jugendliche.

Hand aufs Herz: Würden wir dann darüber diskutieren, ob Kindern das «Privileg» zugestanden werden soll, auf den Spielplatz zu gehen, wenn sie geimpft sind, oder ob sie zu Hause sitzen müssen?

Würden wir ernsthaft in Zweifel ziehen, dass Jugendliche möglichst schnell wieder ihren Sprachaufenthalt oder ihr Auslandjahr machen sollen? Wohl kaum.

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