Der Kampf um Talente an der Wall Street ist hart. Auf der Suche nach geeignetem Nachwuchs machen sich die grossen Geldhäuser nicht nur untereinander heftig Konkurrenz, auch Hedgefonds und die Technologiefirmen im Silicon Valley buhlen um die besten College-Absolventen. Die Auswahl kostet Zeit und Geld. Was also liegt näher, als Maschinen die Arbeit machen zu lassen? Bewerberprüfung per Computer - das gibt es tatsächlich bereits bei grossen Banken. Goldman Sachs, Morgan Stanley, Citigroup und UBS experimentieren dazu mit entsprechenden Softwareangeboten.

«Bislang konnte man mit Hilfe von Technologie nur den besten Lebenslauf herausfinden, aber mittlerweile ist das eine Möglichkeit, wirkliche Kenntnisse über die Bewerber zu erzielen», sagt Mark Newman, Chef der Firma HireVue. Sie bietet eine Videoplattform, mit der sich Vorstellungsgespräche via künstliche Intelligenz auswerten lassen.

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Ausleseprozess wird kürzer, effizienter und erfolgreicher

Die richtigen Algorithmen - so hoffen die Banken - werden den Ausleseprozess kürzer, effizienter und erfolgreicher machen. Branchenkreisen zufolge versprechen sich die Führungskräfte davon insbesondere eine Verringerung von Fehlbesetzungen. Denn die können teuer werden. Ungeeignetes Personal trifft falsche Entscheidungen. Es gibt mehr Geld aus als nötig und nimmt weniger ein als möglich. Nach Schätzung des Finanzdienstleisters Capital One können die Kosten einer Fehleinstellung bis zu drei Mal so hoch ausfallen wie das Gehalt des betreffenden Beschäftigten.

Ein anderes Problem ist, die wahren Fähigkeiten der Bewerber auszumachen und sich keine verborgenen Talente durch die Lappen gehen zu lassen. Teamfähigkeit, Wissensdurst und Wagemut sind gerade in der Bankenwelt gefragte Charakterzüge. Doch diese treten in Lebenslauf und Vorstellungsgespräch nicht zwingend zutage. Nicht immer könnten die stärksten Kandidaten auf den ersten Blick überzeugen, sagt Matt Doucette vom Karriereportal Monster Worldwide: «Der beste Vertriebsmitarbeiter ist nicht der, der wie ein Pfau auftritt, sondern die graue Maus, die pfiffig ist und die richtigen Fragen stellt.»

Ein Anbieter aus Seattle

Hier sollen Maschinen helfen. Manche Banken basteln intern an entsprechenden Softwareinstrumenten, andere kaufen sich Technologie ein. Ein Anbieter ist Koru Careers aus Seattle. Koru ermittelt für Firmenkunden zunächst aus immensen Datensammlungen, welche spezifischen Anforderungen deren Bewerber haben sollten und berechnet dafür eine pauschale Gebühr. «Es kann sein, dass das, was man zum Erfolg bei Morgan Stanley braucht, etwas anderes ist als das, was man bei Goldman Sachs braucht», sagt Koru-Chefin Kristen Hamilton.

In einem zweiten Schritt liefert ihr Unternehmen eine Software, mit der die Kunden die geeignetesten Bewerber ermitteln können. Dafür fällt zusätzlich eine Lizenzgebühr an, deren Höhe sich an der Zahl der geprüften Anwärter orientiert. Zudem wertet Koru Bewerbungsvideos aus. Die Analyse erfasst neben den Inhalten der Selbstpräsentation auch Vortragsstil und Körpersprache.

Suche via Computer hat auch Schwächen

Doch die Suche via Computer hat auch Schwächen, wie Personalexperten zu bedenken geben. So können vielversprechende Kandidaten durchs Raster fallen, wenn die Auswahlkriterien zu starr und begrenzt sind. «Womöglich gibt es viele Leute, die eine Stelle besser ausfüllen könnten. Sie werden aber aussortiert, weil sie im betreffenden Datensatz nicht enthalten sind», sagt Analyst Brian Sommer, der die Jobvermittlungsbranche beobachtet. Wenn eine Firma zum Beispiel zufälligerweise häufig weisse Männer eingestellt habe, die Linkshänder und die ältesten Kinder ihrer Eltern sind, könnte ein Algorithmus zu dem Ergebnis kommen, dass solche Mitarbeiter auch die erfolgreichsten sind.

Also werden Maschinen bei der Mitarbeitersuche wohl auch künftig nicht das letzte Wort haben. «Wir stehen noch ganz am Anfang», sagt Personalexperte Anthony Onesto von der Marketinggesellschaft Razorfish. «Letztlich wird es so sein, dass Computer, Technologie und Menschen zusammenarbeiten.»

(reuters/ccr)