Dass der neue deutsche Bundesfinanzminister voraussichtlich Olaf Scholz heissen dürfte, lässt die deutsche Wirtschaft aufatmen. «Mit dem haben wir als Arbeitsminister phantastische Erfahrungen gemacht», freut sich ein führender Wirtschaftslobbyist in Berlin. Scholz habe sich damals, mitten in der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten, als pragmatischer Krisenmanager bewährt. Dass er ein Politiker ist, der für einen höheren Mindestlohn eintritt und Forderungen nach Steuersenkungen für Unternehmen nicht viel abgewinnen kann, wird zunächst beiseite geschoben. «Warten wir erst mal ab, was er als Minister machen würde», mahnt der Wirtschaftsmann.

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Scholz ist seit einer gefühlten Ewigkeit ein wichtiger Player in der deutschen Politik. Er gilt als nüchtern, aber auch als jemand, der in kleinem Kreise witzig und selbstironisch sein kann. Dass er nicht zu den grössten Lautsprechern im Land zählt, muss für sein neues Amt - so er es am Ende übernimmt - kein Nachteil sein.

Ein Anfänger in Sachen Finanzpolitik ist er nicht. Wolfgang Schäuble (CDU), der eigentlich ganz gerne als Finanzminister weitergemacht hätte, schätzte ihn als kundigen Partner auf sozialdemokratischer Seite, wenn es wieder mal darum ging, in sensiblen Finanzfragen gemeinsame Lösungen zu finden. Ein Beispiel war die Reform der Bund-Länder-Finanzen, für die die beiden Paten standen. Was Schäuble schätzte: Auf Scholz konnte man sich verlassen, der Mann kann diskret sein.

Olaf Scholz

Olaf Scholz: Hat sich als pragmatischer Krisenmanager bewährt.

Quelle: Carsten Koall / Getty Images

G20-Gipfel hinterliess Image-Kratzer

Ein Hoffnungsträger der Sozialdemokraten ist der 59-jährige gebürtige Osnabrücker allerdings nicht mehr. Dazu ist er schon zu lange im Geschäft. Als Hamburger Bürgermeister wurde er 2011 erstmals in sein Amt gewählt. Damals bescherte er seiner leidgeprüften Partei das rare Erfolgserlebnis einer absoluten Mehrheit. Vier Jahre später schaffte er das nicht mehr, regiert aber nun in einer rot-grünen Koalition. Einen hässlichen Kratzer auf seinem Bild handelte sich Scholz dann jedoch im vergangenen Jahr ein. Mit gutgläubigen Ankündigungen und offensichtlichen Fehleinschätzungen hatte er als Gastgeber des deutschen G20-Gipfel, der zeitweise aus dem Ruder lief, Schiffbruch erlitten.

Schon vor seiner Hamburger Zeit hatte Scholz in der Bundespolitik Spuren hinterlassen. Der studierte Jurist war unter Kanzlerin Angela Merkel zwei Jahre lang Arbeitsminister in einer grossen Koalition. Unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder war er zuvor eineinhalb Jahre Generalsekretär seiner Partei. Er ist seit langem stellvertretender SPD-Chef, erzielte aber vor ein paar Wochen im Dezember bei seiner Wiederwahl mit nicht einmal 60 Prozent das schlechteste Ergebnis der sechs Stellvertreter.

Olaf Scholz führte die Partner der Staats- und Regierungschefs des G20-Gipfels im historischen Hamburger Rathauses herum.

Zu grosszügig mit der Kasse des Bundes?

Ein privater Grund könnte Scholz die Entscheidung versüssen, nach Berlin zu ziehen: Seine Frau Britta Ernst ist seit kurzem Bildungsministerin in Brandenburg mit Amtssitz in Potsdam, unweit der Hauptstadt. Noch vor wenigen Tagen wollte er aber von Spekulationen, dass er Bundesfinanzminister werden könnte, nichts wissen. «Was soll diese Frage?», bürstete er einen Journalisten einer Wirtschaftszeitschrift ab. Er sei sehr gerne Hamburger Bürgermeister. Zugleich liess er anklingen, dass er die Art, wie Merkel Politik macht, für wenig zukunftsträchtig hält. Nun kann er ganz aus der Nähe verfolgen, ob er recht hatte.

Wenn es um seine finanzpolitische Linie geht, gibt es auf der Unionsseite den ein oder anderen, der Scholz als Finanzminister schlicht «für eine Katastrophe» hält. Dahinter steht die Befürchtung, dass Scholz allzu grosszügig mit der Kasse des Bundes umgehen könnte, wenn es um soziale Wohltaten geht. Und auch bei Finanztransfers an Problemländer in der EU könnte er, so fürchten Kritiker, weniger zugeknöpft sein als sein Vorgänger Schäuble. Eines aber sagt auch er: «Ich kann nur das verteilen, was ich vorher erwirtschaftet habe». Das klingt so, als könnte es auch ein Wirtschaftsführer gesagt haben.

(reuters/ccr)