Roger Federer gewinnt auch nach seiner Tenniskarriere. Knapp 1,5 Jahre sind nun seit seinem Rücktritt vergangen, trotzdem ist der mittlerweile 42-jährige Basler noch immer als Botschafter namhafter Brands in teilweise aufwändig produzierten Werbespots allgegenwärtig. Roger Federer rettet in James-Bond-Manier eine exklusive Party (Moët & Chandon). Roger Federer und Comedian Trevor Noah reisen mit dem Zug durch die Schweiz (Schweiz Tourismus). Roger Federer ist auf der Suche nach gutem Kaffee (Jura). 

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Dennoch: In letzter Zeit steht das Business vom siebenfachen «Schweizer Sportler des Jahres» mehrfach in Verbindung mit Negativschlagzeilen – zumindest indirekt. So musste die Werbepartnerin Credit Suisse gerettet werden. Lindt & Sprüngli – Federer ist seit 2009 Markenbotschafter des Schokoladenherstellers – sieht sich mit Kinderarbeitsvorwürfen bei Kakaozulieferern konfrontiert. 

Und für besondere Misstöne sorgt nun insbesondere die Debatte um die hohen Margen der Laufschuhmarke On, bei der Federer Werbegesicht und gleichzeitig Mitinhaber ist. Der «K-Tipp» legte in einer Recherche offen, dass die hiesige Kundschaft für einen On-Schuh rund das Zehnfache davon hinlegen muss, was das Schweizer Unternehmen für den Schuh dem Hersteller in Vietnam zahlt.

Der Bericht erwähnt als Beispiel explizit das On-Modell «Roger Advantage», an dessen Produktentwicklung Federer beteiligt war. Dem Schweizer Endpreis von 190 Franken stehen laut dem Bericht Stückkosten für die Produktion von 17.86 Franken gegenüber. Auf Social Media und in den Kommentarspalten von Medienportalen sieht sich der Basler Ex-Tennisspieler deshalb Kritik an seinem Engagement bei On ausgesetzt.

Haifischkapitalismus versus Schweizer Tugenden

Der Fall Federer und On ist ein Beispiel dafür, dass der Reputationstransfer bei einer Partnerschaft zwischen Unternehmen und Werbegesicht in beide Richtungen verläuft. Im Optimalfall aus Sicht der Involvierten entsteht eine Win-win-Situation: Die Firma sonnt sich im Glanz ihres Testimonials, und die Werbefigur vermehrt ihr Vermögen und steigert den Wert ihrer Marke. Wenn sich nun eine der zwei Seiten mit Kritik konfrontiert sieht, kann das auch auf den Partner abstrahlen. Im konkreten Fall: Wer die hohen Margen bei On missbilligt, ist möglicherweise auch von Federer enttäuscht. 

Entsprechend ist die sorgfältige Prüfung einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit vor Vertragsabschluss wichtig – und gewinnt zunehmend an Bedeutung. «Weiche Kriterien einer Werbepartnerschaft, wie beispielsweise die Chancen und Risiken der Kooperation, werden immer entscheidender», sagt die Reputationsexpertin und Beraterin Sabrina Huber. Es sei wichtig, dass zwischen der Marke des Werbepartners und dem Brand des Unternehmens eine natürliche Kongruenz gegeben sei. «Stimmen die Werte des Testimonials nicht mit jenen der Firma überein, spüren die Menschen, dass hier etwas nicht passt.» 

Genau darin rührt das Problem für Federer. On-Kritiker werfen der Laufschuhmarke vor, Gewinne auf Kosten anderer zu machen und falsche Versprechen zu Qualität und gesellschaftlicher Verantwortung abzugeben. Dieses Haifischkapitalismus-Image, das in den Köpfen einiger Menschen nun in Bezug auf On steckt, passt aber so gar nicht zum Fremdbild Federers, dem Schweizer Tugenden wie Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit, Beständigkeit und Bescheidenheit zugesprochen werden.

Kritik an Federer hält sich noch in Grenzen

Gleichzeitig passt das Abzockerbild auch so gar nicht zu den Marketingkampagnen, die On sehr erfolgreich fährt – gerne mit Federer als Zugpferd. In Mission Statements betont das Unternehmen oft hehre Werte, Menschenrechte und sozialen Impact. Folgen jedoch auf Worte keine Taten, verkommen die proklamierten Werte zu PR-Worthülsen. 

Noch schweigt On eisern zu den Vorwürfen. Dabei wäre eine Reaktion in solchen Fällen durchaus sinnvoll: Auf Kritik solle die betroffene Marke reagieren, indem sie am Selbstbild arbeite, empfiehlt Huber. «Es muss sichergestellt werden, dass die Werte gelebt werden und im Einklang sind mit der gewünschten Reputation.» 

Auch King Roger ist bisher in dieser Thematik stumm geblieben. Die Gefahr von anhaltenden Schäden für seine Reputation hält sich zum jetzigen Zeitpunkt auch noch stark in Grenzen. Die Kritik an ihm ist überschaubar. Und auch die Debatte über die hohen On-Margen wird eigentlich nur in der Schweiz geführt, Negativschlagzeilen haben es also bisher nicht über die Landesgrenzen hinaus geschafft.

Warum es für Federer doch kritisch werden könnte

Alles Roger also? Nicht ganz. Es gibt mehrere Punkte, die dafür sprechen, dass die On-Debatte für Federer doch noch zum Problem werden könnte:

Erstens kann in den heutigen Zeiten von Social Media ein länderübergreifender Shitstorm relativ schnell aufziehen, wie Jörg Forthmann, Experte für Krisenkommunikation und Geschäftsführer der Hamburger PR-Agentur Faktenkontor, zu bedenken gibt: «Ein Skandal entsteht heutzutage zuerst online.» Der tragende Faktor sei die Emotionalität einer Kritik. «Darum sollte man in solchen Situationen die Viralität, also das Fieberthermometer der emotionalen Diskussionen, genau beobachten», rät Forthmann.

Zweitens steht für Federer ziemlich viel auf dem Spiel – zumindest theoretisch, denn: «Je mehr die Kritik an einer Firma den Markenkern des Werbepartners betrifft, desto relevanter ist für diesen das negative Medienecho», gibt Forthmann einen PR-Grundsatz bei Kooperationen wider. Im konkreten Fall könnte sich die On-Debatte negativ auf die hehren Werte auswirken, mit denen Federer in Verbindung gebracht wird.

Er ist zwar seit Jahren einer der bestverdienenden Sportler und Sportlerinnen der Welt, trotzdem gilt er nicht als raffgieriger Turbokapitalist, sondern als fairer Sportsmann und Wohltäter. Bereits seit über zwanzig Jahren unterstützt der schweizerisch-südafrikanische Doppelbürger mit seiner gemeinnützigen Roger-Federer-Foundation Bildungsprojekte im südlichen Afrika. Da passt das Bild von schlecht bezahlten Näherinnen, die in Vietnam für On in Akkordarbeit Schuhe herstellen, nicht dazu.

Drittens ist Federer nicht bloss das Werbegesicht von On. 2019 wurde er Anteilseigner, 50 Millionen soll er dabei investiert haben, wie die «Handelszeitung» berichtete. Der Börsengang der Laufschuhmarke machte den Schweizer zum Milliardär. Die Partnerschaft ist eine intensive Geschäftsbeziehung. Aktionär Federer redet mit, sowohl beim Produkt als auch beim Auftritt. Damit hat er auch mehr Einflussmöglichkeiten auf strategische Entscheide des Schuhbrands – und mehr Verantwortung.

«Der Fall On ist für Roger Federer heikel, da durch seine Rolle als Miteigentümer und aktiver Produktentwickler eine engere Anbindung seiner Person und Marke besteht», konstatiert Dominik Schwizer, Sportökonom und Dozent für Sportmanagement an der FH Graubünden. Entsprechend sei das Potenzial eines Reputationsverlusts für Federer gegeben – insbesondere dann, wenn die negativen Schlagzeilen zu On anhalten sollten. 

«Aber», gibt Schwizer zu bedenken, «Fehltritte werden ihm normalerweise schnell verziehen, was letztlich Ausdruck der Stärke seiner Marke ist.» Und weil dieser Brand so stark sei, profitiere das gesponserte Unternehmen mehr von der Reputation Federers, als dass diese unter Negativschlagzeilen um seine Kooperationspartner leide.

«Roger Federer ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie man eine sehr starke Marke aufbauen und dann über das Karriereende hinaus erhalten kann», sagt der Sportmarketingfachmann. Gleichzeitig bringe der Basler zwei wichtige Grundvoraussetzungen für das Gedeihen einer Marke mit: grossen Erfolg und viel Charisma. «Darum ist die Marke Roger Federer einzigartig und für die allermeisten anderen Sportler und Sportlerinnen nicht imitierbar.»

Teflon-Image hält alles ab

Federer ist in all den Jahren auf der Weltbühne ziemlich skandalfrei geblieben. Seine Marke ist massentauglich, weil er kaum polarisiert. Es ist Teil seines Risikomanagements, dass er sich weder zu politischen noch zu gesellschaftlichen Debatten äussert. «Er hat ein Gespür dafür, heikle Themen zu umschiffen», sagt Schwizer. 

Kleinere Misstöne gegen Federer hat es zwar immer mal wieder gegeben: sein Zweitwohnsitz in Dubai, der geplante Prunkbau am Zürichsee oder die von ihm organisierte Südamerika-Tour, während soziale Unruhen in vielen lateinamerikanischen Ländern herrschten. Doch die Kritik ist stets an seinem Teflon-Image abgeprallt. 

Darum deutet vieles darauf hin, dass Federers Reputation auch die Abzockervorwürfe bei On unbeschadet überstehen wird. Und doch dürfte der Vorfall für den Sportstar ein warnendes Beispiel sein. In einem Blogbeitrag für «Persönlich» schrieb Roger Huber, Vorstandsmitglied des Schweizer Verbandes für Krisenkommunikation: «Auch Teflon verliert irgendwann seinen Schutz.»