BILANZ: Herr Gaydoul, Ihre Familie ist in unserer Reichstenliste mit einer Milliarde Vermögen eingestuft. Stimmt die Zahl?

Philippe Gaydoul: Mir wäre es lieber, wenn wir nicht in der Liste wären.

Die Familien Schweri und Gaydoul-Schweri sind seit 25 Jahren gelistet.

Wir verzichten gerne auf dieses Gewohnheitsrecht. Ich hoffe, dass wir 2012 zum letzten Mal dabei sind.

Dann müssten Sie unter die Vermögenslimite von 100 Millionen fallen.

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Diese Liste mag Ihr Hobby sein – uns bringt sie nichts, ausser noch mehr Bettelbriefen an unsere Stiftung.

Wofür wird gebettelt?

Einmal fragte mich eine 80-jährige Dame, ob unsere Kinderstiftung ihr neues Hüftgelenk finanzieren könnte. Ich hatte zwar Verständnis für ihr Anliegen, aber wir konzentrieren uns auf Fünf- bis Zehnjährige.

Wie wichtig ist Geld für Sie?

Mir ist wichtig, dass meine Familie, meine Freunde und ich gesund sind. Geld ist für mich als Unternehmer Mittel zum Zweck.

Sie standen nach dem Verkauf von Denner vor fünf Jahren vor der Wegscheide, kürzerzutreten und das Leben zu geniessen – oder nochmals unternehmerisch aktiv zu werden.

Ein Time-out war nie eine Option, schon gar nicht der Rückzug ins Private.

Ein Jahr entspannen auf Bora Bora?

Auch nicht auf den Malediven. Mir wäre spätestens nach zwei Wochen langweilig. Nach dem Verkauf von Denner skizzierten wir ziemlich schnell die Strategie der Gaydoul Group: Immobilien, Asset Management, Firmenportfolio. Auf Letztgenanntem liegt jetzt das Schwergewicht meiner Arbeit. Vorher setzten wir alles auf ein Unternehmen, Denner, jetzt stehen wir auf drei Säulen und haben das Risiko verteilt.

Als Denner-Chef waren Sie der Held der Wühltische, heute verkaufen Sie Luxusmarken wie Fogal, Jet Set oder Navyboot. Doch im Luxusgeschäft bläst Ihnen der Wind ins Gesicht.

Der einzige signifikante Unterschied zur Discount-Zeit ist der: Ich habe ein paar graue Haare mehr. Aber wegen des Alters, nicht wegen des Geschäfts (schmunzelt). Im Ernst: Karl Schweri, mein Grossvater, war ein brillanter Unternehmer. Er hat einen Konzern aufgebaut. Was musste er sich nicht alles an Kritik gefallen lassen! Das gehört zum Unternehmertum: Man trifft viele Entscheide, richtige und auch falsche. Wer die Kritik am Einzelfall nicht aushält, ist am falschen Platz.

Der Verkauf von Denner, dem Familienerbe, hat Ihnen Kritik eingetragen.

Das mag sein. Aber ich verkaufte ja nicht, um mich frühpensionieren zu lassen. Ich habe mich neuen Aufgaben gestellt, echten Herausforderungen – und setze dafür mein eigenes Geld ein. Ich engagiere mich im Sport, in meiner Stiftung. Kurzum: Ich investiere, schaffe Arbeitsplätze, nehme Risiken auf mich, engagiere mich fürs Gemeinwohl.

Weitervererben war keine Option?

Der Denner-Verkauf war kein einfacher Entscheid, die Firma hat unsere Familie jahrzehntelang geprägt. Die Veräusserung war wohlüberlegt und im Interesse aller. Ich habe kurz darauf einen Neustart gemacht. Ich stehe als 40-Jähriger zwar noch nicht vor der Pensionierung, aber klar beschäftigt mich die Frage, wie man die unternehmerischen Aktivitäten weitergeben kann. Ich fände es schön, wenn jemand aus der Familie irgendwann mein Portfolio übernähme.

Ihr Sohn?

Er ist jetzt neunjährig und findet es zwar ganz lustig, dass mir ein paar Läden gehören. Doch ob er auch später Gefallen daran findet, wird sich zeigen. Wenn er Dirigent werden wollte, wäre das für mich auch okay. Schlimm ist es, wenn einer, der seine Berufung im Dirigieren sieht, wider Willen Unternehmer werden muss. Viele Nachfolgeregelungen in Familienfirmen enden schlecht, weil junge Leute in Positionen gedrängt werden, die sie gar nicht wollen.

Wie bei Ihnen?

Falsch. Ich wollte im Unternehmen meines Grossvaters Karriere machen. Als 18-Jähriger kreuzte ich vor seinem Haus auf und fragte ihn, ob er einen Job habe. Er hat mich nie gedrängt. Aber es war zeitweilig elend mühsam: Er hat mich jeder erdenklichen Schocktherapie ausgesetzt. Ich musste mich durchbeissen, von der Hilfskraft in der Filiale bis zum Geschäftsführer. Im Nachhinein bin ich ihm dankbar für diese harte Schule.

Ist eine Schocktherapie die passende Motivation für einen 26-Jährigen?

Wahrscheinlich habe ich einen Teil des Schweri-Gens geerbt. Kämpfertum, Mut, Standhaftigkeit. Ob es Lob oder Kritik gibt in der Öffentlichkeit – man verfolgt konsequent seine Ziele. Das sind Tugenden, die ich mitgekriegt habe. Sie haben mich geprägt, auch wenn sie heute vielleicht als altmodisch gelten.

Wann stehen Sie am Morgen auf?

Wie früher: zwischen fünf und sechs Uhr.

Sie sind vom Steuerparadies Wollerau SZ nach Küsnacht ZH umgezogen – normalerweise geht es in die umgekehrte Richtung.

So ist es. Einige Leute, die von meinen Abwanderungsplänen hörten, empfahlen mir noch steuergünstigere Gemeinden. Aber irgendwann war für mich klar: Ich wähle meinen Wohnsitz nicht mehr nach der Höhe des Steuerfusses, sondern nach meinem Wohlbefinden.

Ihr Steuerberater griff sich an den Kopf?

Vermutlich schon. Lange hat es mir ja in Wollerau gefallen, aber irgendwann wollte ich wieder in die Nähe von Zürich – Steuersatz hin oder her.

Wofür geben Sie viel Geld aus?

Als Denner-Chef gönnte ich mir nichts, keine Ferien, keine Hobbys. Da wurde einfach gearbeitet. In den letzten Jahren habe ich mich geändert und leiste mir gelegentlich teure Ferien, ziehe mich gerne gut an, gehe ab und zu fein essen. Aber eine Flasche Wein für 200 Franken würde ich nie bestellen.

Sie kauften die Schuhmarke Navyboot, den Strumpfhändler Fogal, die Modemarke Jet Set, die Uhrenmarke Hanhart und den Eishockeyclub Kloten Flyers. Eine Logik sehen wir nicht dahinter.

Wie gesagt: Wir verfolgen eine Drei-Säulen-Strategie. Und der Sportclub kam dazu, weil ich als Präsident von Swiss Ice Hockey angefragt wurde, ob ich bei der Rettung dieses Traditionsclubs mitmachen würde. Sie haben recht: Langweilig wird mir mit meinem Portfolio nicht. Mir gefällt diese Breite – sie ist spannender und anspruchsvoller, als wenn man nur mit einer Firma unterwegs ist.

Wie passen Discount und Luxus zusammen?

Das sind zwei total unterschiedliche Kulturen. Im Detailhandel wird in Rappen kalkuliert, werden Prozesse täglich optimiert, Kosten gedrückt. In der Luxuswelt sitzt das Geld viel lockerer.

Sie wählten die grösstmögliche Divergenz.

Das ist so. Die Luxusbranche ist emotional und glamourös, der Lebensmitteldiscount brutal und sehr knapp kalkuliert. Vielleicht gehört das auch zum Schweri-Gen: Man trifft gelegentlich extreme Entscheide, sucht extreme Herausforderungen, will ausgetretene Pfade verlassen, geht Risiken ein. Ich will nicht den einfachsten Weg gehen.

Glücklich sind Sie mit Ihren Marken bislang nicht geworden.

Wie kommen Sie darauf? Ich bin nicht unglücklich. Ich habe auch bei Denner einige Jahre gebraucht, bis der Laden lief. Das wird hier nicht anders sein.

Was reizt Sie am Luxusgeschäft?

Das Emotionale, die Stärke der Marke, die internationale Dimension. Wenn man es richtig betreibt, kann diese Branche sehr lukrativ sein. Ich bin ein Retailer durch und durch, ich brauche Läden und Kunden. Ein virtuelles Online-Geschäft wäre nichts für mich.

In den USA gehört das Mäzenatentum von Millionären zum guten Ton. Ein Vorbild für die Schweiz?

Das muss jeder für sich beantworten. Aber es ist natürlich beeindruckend, wenn sich ein Bill Gates nur noch um seine Foundation kümmert. Für mich ist das aber nicht der Weg.

Wie viel setzen Sie für Charity ein?

Ich rücke das ungern in den Vordergrund. Lassen Sie es mich so sagen: Ich hatte Glück im Leben, habe Geld verdient – für mich ist es wichtig, dass ich mich auch für jene einsetze, die nicht mit diesem Glück gesegnet sind. Deshalb engagiere ich mich für benachteiligte Kinder in der Schweiz.

Sie haben eine Stiftung. Wie lautet die Strategie?

Unser Ansatz ist wohl typisch schweizerisch: Tue etwas – und sprich nicht viel darüber. Ab und zu diskutieren wir zwar intern, ob wir mehr darüber reden sollten, um andere zum Mitziehen zu animieren. Das haben wir bislang immer verworfen, weil das letztlich jeder für sich beantworten muss.

Was tun Sie konkret?

Wir stellen jedes Jahr der Fondation Gaydoul ein paar Millionen zur Verfügung. Der Grossteil geht in Forschungsprojekte, und zwar wie gesagt ausschliesslich in der Schweiz. Es gibt genügend Institutionen, die aufs Ausland fokussieren. Zudem gibt es in unserem Land noch viel zu tun. Dann setzen wir auf Langfristigkeit und auf gezielte Projekte, nicht aufs Giesskannenprinzip.

Ihr grösstes Projekt?

Hautersatzforschung. Ziel ist es, mit patienteneigenen Zellen im Labor Haut zu züchten; sie soll primär Kindern mit Verbrennungen oder mit riesigen Muttermalen zur Verfügung gestellt werden. Das Projekt ist im Kinderspital Zürich angesiedelt.

Der Schnellstarter: Sein Grossvater Karl Schweri tat sich schwer mit der Nachfolge im Discount-Konzern Denner. Bis sein damals 26-jähriger Enkel Philippe Gaydoul, Sohn der Schweri-Tochter Denise, auftauchte. Schliesslich arbeitete er sich bis zum Konzernchef hoch. Vor fünf Jahren verkaufte er Denner an die Migros und löste eine Milliarde Franken. Einen Teil des Geldes investierte der heute 40-Jährige in Luxusmarken. 

Dirk Schütz
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