«Stagnation oder Niedergang?» Der Titel des BILANZ-Talks zum Thema Finanzplatz Schweiz liess eigentlich keinen Platz für Optimismus, doch die Teilnehmer auf dem Podium, alles namhafte Vertreter ihrer Branche, glauben an die Zukunft des Swiss Banking.

Was das Bankkundengeheimnis angeht, drifteten die Meinungen auseinander. Für Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz ist «der Kampf schon etwas verloren», er glaubt kaum, dass es der Schweiz gelingt, das Konzept des gläsernen Bankkunden abzuwehren.

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Julius-Bär-CEO Boris Collardi hingegen verwies darauf, dass die Gegenparteien bereits «sehr viel konzilianter» geworden seien. Collardi glaubt, dass letztlich eine Lösung gefunden werde, aller Voraussicht nach in einem erweiterten System von Ausgleichszahlungen. Die Schweiz würde dann als eine Art «globales Steuerbüro» wirken. Der zunehmende Druck bedeute, dass man Dienstleistung und Beratung, das traditionelle Know-how der Schweizer Bankiers, betonen und stärken müsse: «Wir wissen, was wir zu tun haben», sagte Collardi.

Zuversichtlich gab sich auch CS-Schweiz-Chef Hans-Ulrich Meister. Er glaubt, dass der Schutz der Privatsphäre in der Schweiz «noch lange» gewahrt bleibe und sich die derzeitige Kampfrhetorik nach den Wahlen in Deutschland mässigen dürfte. Allerdings: «Es sind nicht wir, die verhandeln», so der Banker. Und die Haltung der Politik bereitet Meister Sorgen, weil die offizielle Schweiz den «konzertierten Angriff» auf den Finanzplatz nach wie vor unterschätze. Man müsste sich auf dem internationalen Parkett intelligenter bewegen: «Das Réduit funktioniert nicht», so Meister. Auch Raiffeisen-Chef Vincenz plädierte für einen «aggressiveren» Verhandlungsstil.

Leonhard Fischer, früherer CS-Spitzenmann und heutiger CEO der Private-Equity-Firma RHJ International, warnte zwar, dass sich das Verhalten der westlichen Nationen grundlegend verändern werde, weil sich die Staaten mit ihren Rettungsaktionen übernommen hätten und die Regierungen nun Geld eintreiben müssten. «Diesem Trend kann sich auch die Schweiz nicht entziehen», so Fischer. Doch daraus den Niedergang des Finanzplatzes abzuleiten, hält er für verfehlt: «Zu vieles spricht für die Schweiz.»

Fischer outete sich als scharfer Kritiker der flächendeckenden staatlichen Rettungsaktionen, bei denen «alles gerettet wurde, was sich noch bewegt hat». Damit habe man der Finanzindustrie die Legitimation genommen weiterzumachen, ohne moralisch beurteilt zu werden. «Man hat uns das Recht auf Verlust genommen und damit auch das Recht auf Gewinn.» Die Vorstellung, dass sich die Gesellschaft «in der Steinzeit» wiederfinde, nur weil die Finanzindustrie zugrunde gehe, findet Fischer grotesk. Ein geordneter staatlich organisierter Prozess des Scheiterns wäre laut Fischer durchaus eine Option gewesen.

Dem derzeitigen Aufwärtstrend an der Börse traut keiner der Podiumsteilnehmer. Pierin Vincenz: «Das Rally ist nicht nachhaltig, die Auswirkungen auf die Industrie werden wir erst noch sehen.» Boris Collardi: «Die Investoren wollen nicht, dass die Party vorbeigeht.» Doch die meisten würden die Krise erst wirklich wahrnehmen, «wenn der Nachbar oder der Cousin betroffen ist».

Leonhard Fischer dagegen hat Respekt davor, dass das Schlimmste bereits vorbei sein und die Krise schon abklingen könnte: «Wir vergässen dann, dass wir uns mit Drogen vollgepumpt haben.» Ohne ehrliche Strukturanpassungen würde das Pendel in einigen Jahren umso heftiger zurückschlagen.

Fischer lieferte ein intellektuelles und rhetorisches Crescendo. Gesellschaftspolitisch versiert verglich er den herrschenden Zeitgeit mit jenem der Aristokraten in den Feudalsystemen vergangener Jahrhunderte. Das Selbstverständnis, dass wir den Wohlstand verdient und auf sicher haben, sei «eine zutiefst antibürgerliche Einstellung». Der Verlust von Risikofreude lege sich dabei «wie Mehltau über unsere Gesellschaft».

Was die Salärpolitik der Banken angeht, glaubt der frühere CS-Topmanager kaum an Läuterung: «Was über dreissig Jahre lang gepflegt und aufgebaut wurde, löst sich nicht in zwölf Monaten auf», so Fischer. Er ortet bereits eine Art «Revanchismus» bei den Bankern gegenüber der Öffentlichkeit, im Sinne von Britney Spears’ «Oops, I did it again». Die Boni-Politik werde sich wohl fortsetzen, die Banker fänden die Mittel und Wege dazu schon. Schliesslich, so Fischer, habe die Branche eines bewiesen: «Strukturieren können wir!»

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