Jetzt ist also Alain Berset an der Reihe. Jetzt kann er versuchen, irgendwelche Fortschritte im leidigen Europa-Dossier zu erzielen. Und natürlich wird auch er in «seinen» zwölf Monaten als Bundespräsident irgendwann mal EU-Kommissions-Präsident Jean-Claude Juncker treffen und mit diesem Nettigkeiten austauschen. Schliesslich haben das seine Vorgänger auch gemacht. Nach den Treffen stellt sich Juncker mit dem jeweiligen Schweizer Ansprechpartner vor die Presse, und beide betonen dann, dass die Schweiz und die EU Freunde seien und dass beide Länder ein Interesse an guten, geregelten Beziehungen hätten. Danach folgen noch ein paar weitere diplomatische Floskeln.
 
Es ist immer das Gleiche. Und gleich bleibt auch der weiterhin ungelöste Grundkonflikt zwischen Bern und Brüssel. Im Gedächtnis bleiben von diesen Treffen deshalb meist nur Nebensächlichkeiten.

Nur Nebensächlichkeiten bleiben haften

Bei Simonetta Sommaruga war es der Kuss, bei Johann Schneider-Ammann – nach dem Zusammenkommen am Rande des Asien-Europa-Gipfels in Ulan-Bator – dessen Rückflug, den er im Flugzeug von Angela Merkel antreten durfte, weil sein Linienflug über Istanbul wegen des Putschs in der Türkei kurzfristig gestrichen worden war. Und bei Doris Leuthard war es ein kurzes Frühstück vor dem offiziellen Treffen, das sie ihren Regierungskollegen verschwiegen haben soll. Es ist zu befürchten, dass auch Juncker nicht viel mehr geblieben ist, schliesslich muss er jedes Jahr wieder von vorne anfangen. Ein Reigen ohne Ende.
 
Das Rotationssystem im Bundesrat ist durchaus sympathisch. Keiner soll auf Dauer zu mächtig werden, keiner die Nummer eins sein. Doch in einer globalisierten Welt lassen sich so die Schweizer Interessen immer schlechter verteidigen.

Das Jahr mit Erfolg krönen

Zudem werden die zwölf Monate als Primus inter Pares, als Erster unter Gleichen, für jeden Bundesrat zum Karrierehöhepunkt – mit entsprechendem Erwartungsdruck: Das Jahr soll möglichst von einem Erfolg gekrönt werden, an den sich die Nachwelt erinnern wird. Der Durchbruch beim EU-Dossier wäre ein solches Ereignis. Das würde sich auch in Bersets Lebenslauf gut machen, bevor er den Stab nächstes Jahr an Ueli Maurer weitergeben muss.
 
Das Aussendepartement wurde übrigens bis 1920 ebenfalls jährlich weitergereicht – als Anhängsel des Bundespräsidiums. Vielleicht wäre es jetzt, nach knapp 100 Jahren, an der Zeit, das zweite Rotationsamt abzuschaffen. Sodass spätestens Junckers Nachfolger seine helvetischen Ansprechpartner nicht jährlich neu kennen lernen muss.
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