Sie liegen im Kanton Aargau: Der «Herrenberg» in Wettingen, der «Schlossrain» in Seengen, die «Goldwand» in Ennetbaden. Kein Zweifel, hier handelt es sich um beste Adressen. Doch nicht etwa für vornehme Behausungen, sondern für Rebstöcke, aus deren Trauben Weine gekeltert werden, die den Vergleich mit Gewächsen aus anderen Weinkantonen nicht zu scheuen brauchen. Mag man es auch in der übrigen Schweiz noch nicht zur Kenntnis genommen haben – im Weinbau herrscht im Aargau seit etlichen Jahren Aufbruchstimmung.

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Um 1880 zählte der Aargau, der auf dem gleichen geografischen Breitengrad liegt wie das Burgund, gar zu den wichtigsten Weinbaukantonen der Schweiz. 2700 Hektar waren mit Reben bepflanzt, zu jener Zeit mehr als im Wallis, dem heute grössten helvetischen Weinbaugebiet.

Freilich kann man die damals gekelterten Weine qualitativ nicht mit heutigen Erzeugnissen vergleichen. «Im 19. Jahrhundert war der Weinbau im Aargau Teil einer auf Mischwirtschaft ausgerichteten Landwirtschaft », erklärt Andreas Meier vom auch jenseits der Kantonsgrenzen bekannten Weingut Zum Sternen in Würenlingen. «Wein hatte den Stellenwert eines unkomplizierten Volksgetränks, dem man mitunter auch Honig und Gewürze beizumischen pflegte.» Die gegen Ende des 19. Jahrhunderts aus Übersee eingeschleppten Krankheiten und Schädlinge, allen voran die Reblaus, führten dann zu einem massiven Rückgang der Rebfläche. Zudem gelangten mit der Verbesserung der Transportwege und der Zunahme des Handels bessere und billigere ausländische Weine in die Schweiz, gegen welche die dünnen einheimischen Rebensäfte einen schweren Stand hatten. Schliesslich trug der Bauboom der letzten fünfzig Jahre dazu bei, dass an manch guter Lage die Rebpflanzungen Einfamilienhaussiedlungen weichen mussten. 1960 waren nur noch gerade 260 Hektaren Rebfläche übrig geblieben, ein Zehntel der maximalen Ausdehnung von 1880. Heute werden in 70 Gemeinden rund 400 Hektaren Rebland bewirtschaftet, gleich viel wie in der Bündner Herrschaft.

100 Mitglieder zählt inzwischen der Aargauer Rebbauverband. Nach wie vor wird ein beachtlicher Teil der produzierten Trauben von Kellereigenossenschaften und Weinhandlungen verarbeitet. Doch hat die Zahl der Selbstkelterer in den letzten Jahren laufend zugenommen. Noch stehen viele von ihnen am Anfang ihres Weges. Doch die Resultate ihrer Arbeit dürfen sich durchaus sehen lassen. Das gilt insbesondere für die Blauburgunder-Gewächse, mit 235 Hektaren seit den 1930er-Jahren die unbestrittene Königin der im Aargau angebauten roten Sorten. Neben fruchtbetonten, feingliedrigen Weinen werden nun auch vermehrt kräftige, komplexe Gewächse erzeugt. Bei den weissen Varietäten dominiert mit 107 Hektaren nach wie vor der Riesling-Sylvaner, der sich wegen seines blumig-fruchtigen, saftigen Charakters nach wie vor grosser Beliebtheit erfreut.

Seit der Aufhebung des restriktiven Rebsortenverzeichnisses, das bis noch vor wenigen Jahren zwingend vorschrieb, welche Trauben angebaut werden durften, werden vermehrt auch andere Varietäten kultiviert. Bei den weissen sind dies neben den internationalen Erfolgssorten Chardonnay, Sauvignon blanc, Gewürztraminer und Pinot gris auch Neuzüchtungen wie Kerner und Charmont sowie die alten, einst verbreiteten Räuschling und Elbling. Bei den roten Rebsorten hat die Neuzüchtung Garanoir eine gewisse Bedeutung erlangt. Doch auch bislang im Aargau nicht kultivierte Exoten wie Malbec und Cabernet Sauvignon werden da und dort angebaut. Bleibt nur noch die Frage, weshalb die Aargauer Weine ausserhalb des Kantons kaum bekannt sind. Die Antwort ist so einfach wie banal: Nicht etwa die mangelnde Qualität ist schuld daran, sondern die Tatsache, dass viele Aargauer Weinbaubetriebe klein sind und zudem die Einwohner dieses ausgedehnten und bevölkerungsreichen Kantons die Produktion Jahr für Jahr selber trinken