Der Einladung des Worldwebforums in Zürich sind auch 2016 wieder die Top-Köpfe der Techbranche gefolgt. Wie CEO und Gründer Fabian Hediger es jedes Jahr schafft, Masterminds wie John Sculley, Astronauten wie Claude Nicollier und Visionäre wie Claude Zellweger auf einem Event mit Startups und CEOs der Old Economy zu vereinen, verrät Hediger im Interview.

Bilanz: Herr Hediger, sind Sie jemand, der gerne selbst auf Konferenzen geht, das Networking geniesst und den Austausch sucht?
Fabian Hediger: Das würde ich so nicht behaupten. Früher bin ich öfters auf Konferenzen gewesen und bin selten da raus gegangen mit dem Gedanken: ‚Das hat mich jetzt wirklich inspiriert’.

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Woran lag das?
Ich bin vorerst einmal Unternehmer; ich habe lieber gearbeitet und Geld verdient als mich für einen Tag in eine Konferenz zu setzen.

Nun ist das von Ihnen initiierte Worldwebforum auch eine Konferenz. Was wollten Sie anders oder besser machen?
Das Forum ist so, wie es sich heute präsentiert, nichts auf lange Sicht Geplantes. Wir haben 2006 aus einer Marketingoffensive heraus das Marketingtool Event probiert und eine Usergruppe ins Leben gerufen. Da kamen das erste Mal 15 Leute. Die positive Erfahrung haben wir jährlich wiederholt und laufend verbessert. Das Konzept des aktuellen Forums haben wir dann 2011 angepasst.

Was meinen Sie mit angepasst?
Wir sind – was die eingeladenen Personen angeht – immer höher in der Hierarchie der Unternehmen gegangen, bis hin zum Executive- und C-Level.

Nach welchen Kriterien wählen Sie aus, wen Sie zum Forum einladen?
Der Asset des Worldwebforums sind die Gäste. In erster Linie ist das Forum eine offene Plattform, wo sich freidenkende Geister treffen sollen, denen die Zukunft heutiger aber vor allem künftiger Generationen am Herzen liegt. Uns ist wichtig, dass alle Branchen vertreten sind und alle Funktionen. Also nicht nur IT-Unternehmen oder nur CEOs. Jeder kann sich von einer anderen Branche inspirieren lassen, oder von einer Person in komplett anderer Funktion.

Ihre Firma Beecom präsentiert sich gerne als sehr agil. Wie kommt die Agilität in Ihrer Unternehmenskultur zum Ausdruck?
Ich stelle mich nicht hin und sage den Mitarbeitern: ‚Du machst jetzt dies und das soundso und so sieht die Lösung aus.’ Ich weiss ja, dass ich es nicht besser weiss als zum Beispiel eine Praktikantin oder ein Grafiker. Man muss ausprobieren. Man muss einen Output schnell generieren können. Schnell, nicht hastig. Wenn du schneller bist als andere, lernst du auch schneller. Du musst eine Kultur des Lernens, auch des Scheiterns, etablieren – und das kannst du nur über Leadership.

Über Leadership?
Wenn jemand zu seinem Chef geht und der weiss immer alles, dann fragt der eine und der Chef antwortet – dann hast du genau diesen Lernaspekt nicht. Ich selber ertappe mich in stressigen Situationen auch immer wieder dabei: Leute fragen mich etwas und ich sage wie es laufen soll – aber das ist genau der falsche Ansatz.

Zum Thema Leadership hat beim Forum der amerikanische U-Boot-Kapitän gesprochen. Wie kamen Sie auf die Idee, gerade einen U-Boot-Kapitän einzuladen?
Kennengelernt habe ich ihn durch Zufall in San Francisco, als ich jemanden bei Twitter besuchte. Marquet war bei 9/11 im Einsatz im Iranischen Golf. Ich hab mit ihm telefoniert und war von seinem Führungsansatz begeistert. Drei Jahre haben wir gebraucht, bis er endlich zugesagt hat.

Sie waren also hartnäckig...
Das zahlt sich in gewissen Lebenslagen aus, ja.

Apropos hartnäckig. Sie müssen sich gegen viele andere digitale Konferenzen wie die DLD, das Websummit in Dublin, die NOAH Conference oder das Tech Open Air behaupten. Wo sehen Sie sich in diesem Geflecht?
Wir sehen das Worldwebforum nicht im Kontext all dieser Konferenzen. Wir lassen uns eher inspirieren vom ‚Burning Man’ oder der Art Basel. Wir suchen Analogien.

Das sind ja alles eher sehr kreative, künstlerische Events...
Wir suchen nach Inspiration und versuchen sie umzusetzen. Unser Forum findet zum Beispiel in einer Rock-Location statt, im Komplex 457. Gewisse Prozesse orientieren sich denn auch an einem Rockkonzert.

Herrscht Krawattenpflicht auf dem WorldWebForum?
Es gibt keinen Dresscode. Aber die Präsenz von C-Level Gästen aus grossen Schweizer Corporates steigert natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass man auch auf dem Worldwebforum auf Krawatten trifft. Mein Dresscode fürs Forum sind Turnschuhe und Krawatte.

Also machen Sie da schon einen Kompromiss. Auch die Krawatte, die Sie jetzt tragen, ist keine typische Seiden-Krawatte, sondern ein gehäkeltes Modell, fast schon ‚Hipster-like’!
Ich hab mir sagen lassen, so eine Strickkrawatte sei wieder ‚in’. Aber ich habe sie schon viel länger. Als ich in der Modebranche in Paris ein Jahr lang ein Praktikum gemacht habe, bekam ich sie von Thierry Mugler – persönlich. Das war 1996. Und jetzt ist sie wieder in! (lacht laut)

Was ist der grösste Unterschied zwischen der Startup-Kultur hier und der im Silicon Valley?
Was mir aufgefallen ist, auch bei den Speakern des Forums: Während die Leute sich hier mit Ihrem Namen und dann mit dem Jobtitel CEO vorstellen, stellen sich die Leute im Silicon Valley bevorzugt als Founder vor. Wenn ich hier auf meine Visitenkarte ‚Fabian Hediger, Founder’ schreiben würde, dann wär das doch irgendwie anbiedernd, oder?

Sie meinen, in der Schweiz gilt: Founder gleich Loser?
Die meisten Leute würden doch denken: ‚Was ist denn das für ein komischer Selbstoffenbarungs-Typ?’ Hier in der Schweiz ist der CEO das höchste aller Dinge auf der Visitenkarte, hab ich das Gefühl. Bei mir steht auch CEO und nicht Founder auf der Karte.

Und im Silicon Valley?
Da sagen die Leute: ‚Den CEO leiste ich mir. Ich bin in erster Linie Founder’ – und das sind dort die geilen Typen. Und hier sind das die CEOs. Aber wie es in Berlin als Tech-Hub schon ein Umdenken gibt, kommt das hier auch langsam zu uns.

Schwappt diese Gründermentalität also verstärkt in die Schweiz?
Die Schweizer sind sowieso sehr erfinderisch. Aber wenn es darum geht es auf dem Markt durchzusetzen, da sind sie nicht so ehrgeizig und nicht die Schnellsten. Aber wenn sie es mal machen, dann machen sie es richtig. Das Potenzial der Schweiz, auch ein Silicon Valley hervorzubringen, halte ich im Grossraum Zürich für hoch.

Tatsächlich?
Wir haben mit der ETH und der Universität Zürich sowie der EPFL in Lausanne die besten Computer-Science-Abteilungen in Europa, zusammen mit Oxford. Und weltweit sind wir unter den Top sieben.

Gibt es zu wenig Startups in der Schweiz?
Definitiv. Man hört immer, es habe zu wenig Geld, das investiert wird, weil die Gesetze nicht gut sind. Vermutlich fehlt es den Schweizer Gründern auch an echten grossen Ideen.

Spielen auch zu hohe Personalkosten eine Rolle?
Ich glaube, das ist gar nicht so schlimm und auch nicht das entscheidende. Die Personalkosten im Silicon Valley sind auch exorbitant hoch – aber das ist dort egal. Schlussendlich hat das alles eher mit der Kultur zu tun.

Wie meinen Sie das?
Kommen wir auf die Kultur des Scheiterns und des Try & Errors: Ausprobieren heisst ja per Definition ‚Ich scheitere, ich mache Fehler.’ Aber wenn ich A und B ausprobiere und eines davon geht in die Hose und das andere läuft, lerne ich daraus. Kinder machen alles nach diesem Lernprinzip. Das sollten Erwachsene auch häufiger anwenden. Scheitern ist nicht das Gegenteil von Erfolg, sondern eine Voraussetzung, um später erfolgreich sein zu können.