Die wertvollsten Marken der Schweiz: Die Rangliste
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Zum Frühstück darfs ein Nestlé-Joghurt sein, zum Einkaufen gehts in den Coop, am Handgelenk führt man Swatch oder Rolex spazieren – die Schweizer sind ein markenverrücktes Volk. Entsprechend viel Geld stecken die Schweizer Firmen in den Aufbau und die Pflege einer zugkräftigen Marke.

Doch wie erfolgreich sie dabei sind, wissen nur die wenigsten Unternehmen. Für sie gilt das alte Dilemma, dass sie die Hälfte ihrer Marketingausgaben zum Fenster hinauswerfen, aber leider nicht wissen, welche Hälfte. Denn den Wert einer Marke zu berechnen und deren Entwicklung über längere Zeit zu kontrollieren, ist eine komplizierte Aufgabe, die nicht viele Firmen auf sich nehmen. Dabei müssen ab nächstem Jahr die Markenwerte nach einer Übernahme oder Fusion sogar in der Bilanz ausgewiesen werden.

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Wer also ist am erfolgreichsten, wenn es um den Aufbau und die Pflege eines zugkräftigen Brands geht? Welches sind die wertvollsten Schweizer Marken? Und wie viel genau sind sie wert?

Wie berechnet man den Wert einer Marke?
Wie bekannt eine Marke ist, lässt sich in Umfragen herausfinden. Ebenso, welche Attribute der Konsument damit verbindet. Mercedes wird von vielen als zuverlässig, luxuriös, vielleicht auch snobistisch angesehen, Apple gilt als cool, stylish und technologisch avantgardistisch. Solche Attribute sind ein Asset für ein Unternehmen. Aber was ist dieser Asset wert?


Die Interbrand-Methode, die dem BILANZ-Ranking der 50 wertvollsten Schweizer Marken zu Grunde liegt, ist vergleichbar mit jener Methodik, mit der Bankanalysten die anderen Vermögenswerte eines Unternehmens bewerten: Welchen ökonomischen Nutzen kann die Marke in Zukunft erwirtschaften?


Nik Stucky und Stefan Rüssli, Markenexperten bei Interbrand, Zintzmeyer & Lux, berechneten dazu in einem ersten Schritt mit Hilfe der klassischen Finanzanalyse, welche Erträge in den nächsten fünf Jahren im Geschäftsfeld der Marke erzielt werden dürften (Economic Value Added, EVA). In einem zweiten Schritt ermittelten sie mit Hilfe von Marktforschungszahlen, welcher Stellenwert die Marke für das jeweilige Geschäft hat – mit anderen Worten: Wie wichtig ist die Marke beim Kaufentscheid? Das kann von einem geringen Stellenwert bei Beton (Holcim) bis zu einem hohen Stellenwert bei Luxusuhren (Rolex) reichen.


Das Ergebnis, nämlich die erwarteten Markenerträge, liegt in der Zukunft, ihr tatsächliches Eintreten unterliegt also einem Risiko. So müssen sie mit einem Risikofaktor diskontiert werden – eine starke Marke (wie Nestlé) mit einem geringen Risikofaktor, eine relativ schwache Marke (wie Mövenpick) mit einem höheren. Als wie stark oder schwach eine Marke einzuschätzen ist, haben Stucky und Rüssli mit Hilfe weiterer Marktforschungsdaten wie Bekanntheit oder Wertschätzung der Marke bestimmt. Die Summe dieser diskontierten Erträge ergibt den heutigen Wert einer Marke.

Diese Fragen hat zum ersten Mal und exklusiv für die BILANZ die Agentur Interbrand Zintzmeyer & Lux beantwortet. Die Agentur mit Büros in Amsterdam, Hamburg, Köln, München und Zürich ist spezialisiert auf die Kreation, das Management und die Bewertung von Marken. Einmal im Jahr berechnet sie die 100 wertvollsten Marken der Welt und publiziert die Liste in der amerikanischen Wirtschaftszeitschrift «Business Week».
Nach der gleichen Methodik (siehe Artikel zum Thema «Wie berechnet man den Wert einer Marke?») hat Interbrand die 200 bekanntesten und beliebtesten Schweizer Marken (ein bestehendes Panel, das vom D&S Institut für Markt- und Kommunikationsforschung in Zürich definiert ist) auf ihren Wert hin untersucht.

«Die Ergebnisse der Rangliste widerspiegeln die Zusammensetzung der Schweizer Wirtschaftswelt», sagt Nik Stucky, Projektleiter des Markenratings. So finden sich unter den top 50 viele Finanzdienstleister, einige Pharmaunternehmen, zahllose Uhrenmarken und natürlich die besonders marketingstarken Lebensmittelhersteller.

Der Grösste, Nestlé, führt auch die meisten Markenartikel. Mit den Plätzen 1 (Nescafé, Markenwert 14,8 Milliarden Franken), 4 (Dachmarke Nestlé, 6,3 Milliarden) und 18 (Nespresso, 585 Millionen) ist das Unternehmen einer der grossen Gewinner des Rankings. Zweiter ist die Swatch Group, die gleich fünf ihrer Brands unter den top 50 platzieren konnte. Die Markenführung ist vorbildlich: Jeder Brand wird von einer eigenen Marketing- und Markenführungsorganisation gemanagt und geniesst so eine völlig eigene Identität. Damit sich die 18 Uhrenmarken des Konzerns nicht gegenseitig konkurrenzieren, hat Swatch-Gründer Nicolas G. Hayek senior bereits vor Jahren eine Markenpyramide definiert, welche die Rollen klar verteilt: Ganz oben die kleinen, aber feinen Topmarken wie Blancpain und Breguet, darunter die Luxusmarken wie Omega (Platz 10 im Ranking) und Rado (Platz 30), dann das mittlere Segment mit Marken wie Tissot (Platz 28), ganz unten die Massenmarken wie Swatch (Platz 17). Ob Luxus- oder Massenware macht für die Markenführung keinen Unterschied, findet Konzernchef Nick Hayek junior: «Wir verkaufen jeweils ein emotionales Konsumgut, das in seinem Bereich Gefallen finden muss.» Wobei er es viel einfacher findet, ein Luxusprodukt an einige wenige begüterte Kunden zu verkaufen als Massenware an Hunderttausende von Konsumenten.

Aus dem gleichen Grund schätzt er die Bedeutung von Marken im Industriebereich geringer ein als bei Konsumgütern. «Würde Omega in Alpha umbenannt werden und optisch anders daherkommen, müssten wir wieder viele Jahre und Milliarden Franken in die Markenbildung investieren, um auf die gleichen Verkaufszahlen zu kommen wie heute mit Omega», sagt er. «Wenn jedoch ABB morgen CDD hiesse und nicht rot-weiss, sondern blau-grün wäre, würde das Unternehmen nicht eine Roboterstrasse weniger verkaufen, da ihre Kunden nicht aus Hunderttausenden Konsumenten bestehen, sondern aus einigen wenigen Einkäufern, die man per Rundschreiben über eine Namensänderung informieren kann.» Zumal Konsumgüter emotional gekauft werden, Industriegüter hingegen nach rationalen Kriterien ausgewählt werden.

Bei ABB sieht man das naturgemäss etwas anders. «Der Einkäufer einer Papierfabrik ist nicht weniger emotional als die feine Dame, die eine Luxusuhr kauft», sagt Björn Edlund, Kommunikationschef bei ABB und als solcher für die Markenpflege zuständig. In der Tat müssen bei einem Industriegut die technischen Daten stimmen. Doch darüber hinaus verkörpert ein starker Brand Werte wie Zuverlässigkeit und einen guten Kundendienst. Deswegen schaltet ABB Imageanzeigen in der Weltpresse und an den Flughäfen rund um den Globus. Der Brand hat sogar zum Überleben der Firma beigetragen: «Die Marke ist so stark, dass die Kunden unsere Anlagen auch während der grossen Krise weiter bestellt haben», erinnert sich Edlund. Mit einem Markenwert von 1,5 Milliarden und Platz zwölf im Ranking ist ABB die erfolgreichste Schweizer Business-to-Business-Marke.

Eine entscheidende Rolle spielt die Marke bei den Banken. Denn deren Dienstleistungen unterscheiden sich nicht von denen der Konkurrenz und sind in der Regel auch nicht mit einem berührbaren Produkt verbunden. Der Brand ist hier fast der einzige Weg, um sich von den Mitbewerbern zu differenzieren. Die UBS als stärkste Bankmarke kommt im Ranking auf Platz drei mit einem Markenwert von 8,7 Milliarden, obwohl die Marke erst seit der Fusion Ende 1997 konsequent gepflegt wird. Konzernchef Peter Wuffli bezeichnete es gar als den wichtigsten Managemententscheid des Jahres, als er 2002 die neue Markenstrategie der UBS festzurrte. Eine Milliarde Franken Goodwill-Abschreibungen liess es sich die Grossbank kosten, ihre Untermarken Paine Webber und Warburg aufzugeben. Seither werden alle Kundengruppen mit derselben Marke bedient. «Die Erwartungen von Geschäfts- und Privatkunden unterscheiden sich nicht grundsätzlich», sagt Bernhard Eggli, der bei der UBS für das weltweite Brand-Management verantwortlich ist. «Vielleicht gibt es unterschiedliche Ausprägungen der Botschaft, aber die grundsätzlichen Markenwerte und -versprechen bleiben deshalb die gleichen.»

Die Strategie der Einheitsmarke UBS hat Erfolg. Das grösste Problem war es daher auch nicht, die Kunden vom geänderten Marktauftritt zu überzeugen, sondern die Mitarbeiter. «Wir mussten darauf Rücksicht nehmen, dass bei manchen Angestellten, die vielleicht jahrzehntelang für Paine Webber oder Warburg gearbeitet haben, die emotionale Bindung sehr gross war», erinnert sich Eggli. Ein Beispiel, welche Wirkung eine Marke auch intern erzielen kann.

Die Hauptaufgabe einer Marke ist es jedoch, Wertschöpfung zu generieren. Das eindrücklichste Beispiel dafür ist Nespresso. Eigentlich ist Kaffee eine Commodity. Doch Nespresso vermarktet ihn als Super-Premium-Produkt. «Wir lehnen uns im Markenauftritt stark an die Luxusgüterindustrie an», sagt Olivier Quillet, International Marketing Director bei Nespresso. Anzeigenkampagnen werden mit Starfotografen realisiert, die sonst für Christian Dior oder Yves Saint Laurent arbeiten. In den Nespresso-Boutiquen setzt man auf edles und entsprechend teures Design, und auch bei den Verpackungsmaterialien spart man nicht. Originell auch das Clubkonzept: Jeder Nespresso-Kunde erhält zweimal im Jahr spezielle, seltene Kaffeesorten angeboten, hat bei Reparatur seiner Kaffeemaschine Anspruch auf ein Leihgerät oder geniesst Sonderkonditionen bei der Neuanschaffung. All das erhöht die Bindung des Kunden an die Marke ungemein. So kann Nespresso den vorportionierten Kaffe umgerechnet mit bis zu 89 Franken pro Kilo in Rechnung stellen, dem Elffachen dessen, was ein Kilo Kaffee im Supermarkt kostet. Ein gewaltiger Markenaufpreis.

Nicht alle Markenartikler bedienen sich bei ihrer Positionierung so originärer Methoden wie Swatch Group, UBS, ABB oder Nespresso. Stattdessen lehnen sie sich an andere Marken an. Der prominenteste Fall ist die Swiss. Ihre frappante Ähnlichkeit in Namen, Logo und Schriftzug zur untergegangenen Swissair lässt Stefan Rüssli von Interbrand einen «krassen Fall von Markenpiraterie» vermuten. Swissair-Liquidator Karl Wüthrich versuchte sogar gerichtlich durchzusetzen, dass Swiss für die Nutzung der Markenrechte zahlen muss – vergeblich. Recht hätte er, denn den Wert der Marke Swissair taxierte Interbrand auch noch nach dem Grounding auf 660 Millionen Franken; das würde heute noch für Platz 18 im Ranking reichen! Die Swiss kommt trotzdem nicht unter die 50 wertvollsten Schweizer Marken: Da sie noch nie ein positives Jahresergebnis abgeliefert hat, hat die Marke auch noch nichts zur Wertschöpfung beigetragen. Und wenn eine Marke langfristig kein Geld erwirtschaftet, ist sie auch nichts wert. Das erklärt auch, warum die Detailhändler im Ranking verhältnismässig schlecht abschneiden. Natürlich ist die Migros eine Schweizer Markenikone. Doch im Einzelhandel werden traditionell nur schlechte Renditen erzielt. Damit kann auch die Marke nur wenig Wertschöpfung generieren. So kommt die Migros im Ranking nur auf Platz 20 (422 Millionen).

Womit wir bei den anderen prominenten Abwesenden wären: Chopard ist zwar sehr erfolgreich mit Uhren und Schmuck; im Panel der 200 bekanntesten und beliebtesten Schweizer Marken, die als Ausgangsbasis für die Wertberechnung dienten, taucht Chopard aber nicht auf und wurde konsequenterweise bei der Bewertung auch nicht berücksichtigt.

Bally und Mövenpick, einstige Schweizer Markenikonen, finden sich zwar in diesem Panel. Beide Marken haben aber in den letzten Jahren konstant an Glanz verloren und schaffen es knapp nicht mehr in die top 50. Ein Sonderfall sind schliesslich die SBB: Sie verfügen in ihrem Gebiet über das Monopol. Würde die Marke SBB heute verschwinden, wären die Züge genauso voll. Die Marke SBB, auch wenn sie hier zu Lande sehr beliebt ist, spielt für den Geschäftserfolg der staatlichen Eisenbahnbetriebe eine untergeordnete Rolle und wurde daher nicht berücksichtigt. (Die Post, Rang 26, ist ein anderer Fall, weil sie nur in eingeschränktem Masse, nämlich bei Briefen und Päckchen, eine Monopolstellung hat).

Ausser Konkurrenz berechnete Interbrand den Wert einer weiteren Marke im Premium-Consumer-Bereich. Sie ist in ihrem Segment seit 27 Jahren erfolgreich, klar fokussiert und kann eine hohe Markentreue ihrer Kunden nachweisen. Leider ist die Branche, in der die Marke agiert, grundsätzlich nicht sehr renditestark. Den Brand-Value beziffern die Spezialisten dennoch mit zwölf Millionen Franken. Zum Verkauf steht der Power-Brand allerdings nicht. Sein Name: BILANZ, das Schweizer Wirtschaftsmagazin.