Die Präzision von Schweizer Uhren ist legendär. Doch wer darauf vertraut, dass die Zeitmesser zu hundert Prozent «Swiss made» sind und sich das etwas kosten lässt, könnte sich irren. Denn in China, Thailand und Mauritius boomt die Produktion von Zifferblättern, Zeigern, Gehäusen und Saphirgläsern. Und manches davon wird auch in Schweizer Uhren verbaut.

Um den Ruf der Schweizer Uhren zu schützen und die Branche vor asiatischer Konkurrenz abzuschirmen, wurden strengere Regeln in Kraft gesetzt: Mindestens 60 Prozent der Wertschöpfung muss nun in der Schweiz erfolgen. Zuvor lag die Schwelle bei 50 Prozent und betraf nur das Kernstück, das Uhrwerk. Doch die neuen Vorschriften machen vor allem Herstellern von günstigeren Uhren das Leben schwerer, nicht leichter.

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Kostendruck und mehr Konkurrenz

Schon länger leiden die Schweizer Uhrenhersteller unter einer sinkenden Nachfrage, weil das Geschäft in China und Europa schwächelt. Zwar schöpft die Branche nach der Durststrecke wieder Hoffnung - nach Angaben des Branchenverbands FHS legten die Ausfuhren in den ersten zehn Monaten 2017 wertmäßig um 2,4 Prozent zu. Doch der Kostendruck durch den gesunkenen Absatz und die gewachsene Konkurrenz aus Asien bleibt.

«Bisher haben mehrere Marken aus dem Hochpreissegment aus ethischen Gründen, aber auch wegen der exzessiven Einzelhandelspreise und den hohen Margen den Kauf von Komponenten im Ausland nicht in Betracht gezogen», sagt ein Schweizer Zifferblatthersteller, der anonym bleiben wollte. «Die tiefere Nachfrage hat fast alle Marken gezwungen, ihre Produkte neu zu positionieren.» Nach Angaben mehrerer Brancheninsider importieren inzwischen fast alle Uhrengehäusehersteller Saphirglas aus Asien.

Weniger «Swiss-made»-Modelle

Gerade für Hersteller günstigerer Uhren haben es die neuen Regeln schwieriger gemacht, dem Preisdruck mit billigeren Komponenten aus dem Ausland standhalten zu können. Sie können die höheren Kosten mit ihren geringeren Margen kaum ausgleichen. «Seit die Swiss made-Regeln verschärft wurden, haben wir weniger Aufträge, nicht mehr», klagte Alain Marietta des Zifferblattherstellers Metalem aus dem Schweizer Uhrenzentrum Le Locle. «Einige Kunden verlangen von uns, die Hälfte der Komponenten in China zu produzieren, um billiger zu werden.»

Die Konsequenz: Manche Anbieter schränken die Verwendung des «Swiss Made»-Labels ein oder verzichten gar gänzlich darauf. So gab die Mondaine Group, die die bekannte Schweizer Bahnhofsuhr produziert, einige Modelle auf, die mit den neuen «Swiss-made»-Regeln auf der Kippe gestanden hätten.

Die zu Citychamp gehörende Schweizer Traditionsmarke Rotary verzichtet in ihren neuesten Kollektionen ganz auf die Auszeichnung «Swiss made». Die neuen Regeln machten es schwerer, dem Kunden Qualität zu einem ansprechendem Preis zu bieten. Auch die High-End-Marke H. Moser & Cie aus Schaffhausen kippte dieses Jahr das Label «Swiss made», obwohl ihre Uhren über 95 Prozent Schweizer Ursprungs sind. Sie nannte das offizielle Label unzulänglich und zu lasch.

Swatch, deren Sortiment alle Preisklassen umfasst und die umfangreiche Produktionsstätten in der Schweiz betreibt, profitiert nach eigenen Angaben von den strengeren Vorschriften, auf deren Einführung sie gedrängt hatte. Im Einstiegssegment könnte Swatch bald der einzige Anbieter mit «Swiss made»-Auszeichnung sein, sagte Konzernchef Nick Hayek jüngst in einem Zeitungsinterview.

(reuters/ccr)