Die Wahlen offenbaren es: Alle Kritik an Donald Trump hilft den US-Demokraten nicht auf die Beine. Dringend bräuchten sie Alternativen - personell und inhaltlich. Doch in Sicht sind diese nicht.

Donald Trump macht sich zurecht grosse Sorgen um seinen Job. Der US-Präsident steht in der eigenen Partei unter Druck, ein Sonderermittler prüft seine Verstrickungen in die Russland-Affäre und geht der Frage nach, ob er die Justiz beeinflusst haben könnte. Gleichzeitig laufen mehrere Klagen vor Gerichten. Die Kläger halten Trumps Vermischung von politischen und geschäftlichen Interessen für verfassungswidrig.

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Den US-Demokraten fehlen die Mittel

Vor einer Gruppe muss Donald Trump aber derzeit keine grosse Angst haben: Die US-Demokraten. Nach Hillary Clinton und deren Wahlniederlage in ein Tal der Tränen gerissen, befindet sich die Partei von Barack Obama in einem riesigen Dilemma: Den vielleicht angreifbarsten US-Präsidenten der Geschichte im Visier, fehlen den Demokraten die Mittel, um ihn entscheidend anzugreifen - finanziell, personell und programmatisch.

«Die Partei hat ihr niedrigstes Machtlevel seit 1920 erreicht», schreibt das Politikmagazin «The Atlantic».

Traditionelle Wählerbindungen von Bedeutung

Die Nachwahlen in zwei Stimmbezirken in Georgia und South Carolina haben es am Dienstag erneut gezeigt: Desaströse Umfragewerte für den Präsidenten Trump halten die Wähler nicht davon ab, ihre traditionelle Bindung zur republikanischen Partei beizubehalten.

Eine Umfrage im Auftrag der «Washington Post» und der Kaiser Foundation hat gezeigt, dass traditionelle Wählerbindungen und der Schnitt zwischen ländlichen und urbanen Räumen viel bedeutender für die Wahlentscheidung sind als etwa die aktuelle wirtschaftliche Situation.

Applaus von den Medien

Fast täglich berauschen sich die US-Demokraten am verheerenden Auftritt von Donald Trump. Wenn Charles Schumer, der Oppositionsführer im Senat, den Präsidenten lächerlich macht, Bernie Sanders seine Sozialpolitik vorführt und Nancy Pelosi glühend an Trump appelliert - dann fühlen sie sich überlegen.

Täglich zeigen die Hauptstadt-Demokraten dem Weissen Haus sein Versagen auf - und bekommen Applaus von den Medien. Doch ausserhalb der Washingtoner Politik-Blase bekommen sie kaum einen Fuss auf den Boden.

In Nachwahlen gescheitert

In inzwischen vier Nachwahlen hatten sie versucht, den Republikanern angestammte Sitze im Abgeordnetenhaus streitig zu machen - vergebens. Selbst als sich in Montana der Republikaner-Kandidat am Abend vor der Wahl mit einem Reporter prügelte, konnten die Demokraten nicht entscheidend punkten.

In Georgias 6. Wahldistrikt boten sie sogar eine Rekordsumme für den Wahlkampf ihres Hoffnungsträgers Jon Ossoff auf, für einen einzelnen Wahlbezirk. Es half alles nichts. Auch der junge Ossoff konnte nicht in die republikanische Phalanx einbrechen.

Desaströse Personallage

Die Frage ist drängender denn je: Wer soll die US-Demokraten 2020 in den Wahlkampf führen? Wer könnte die Nachfolge von Donald Trump antreten und in die Fussstapfen Obamas treten? Die Personallage der Demokraten scheint desaströs.

Die wenigen frischen Hoffnungsträger wie Cory Booker sind bisher den Beweis der Durchschlagskraft schuldig geblieben. Jon Ossoff sagte in der Nacht zum Mittwoch: «Dies ist der Start zu etwas viel Grösserem.» Er sagte es nach einer Niederlage.

Die Platzhirsche im liberalen Lager sind alle gesetzten Alters. Nancy Pelosi wäre 2020 schon 80 Jahre alt, Bernie Sanders, immer wieder als möglicher nochmaliger Bewerber genannt, wäre 79. Und Joe Biden, gegenwärtig in Umfragen der Favorit bei den demokratischen Wählern, würde mit 77 Jahren in den Präsidentschaftswahlkampf gehen.

Kritik statt Programm

Programmatisch kam in den fünf Monaten der Trump-Präsidentschaft bisher fast gar nichts aus dem Lager der Demokraten. Die Oppositionsarbeit beschränkt sich praktisch ausschliesslich auf die Kritik an Trump und den Republikanern - egal ob es gerade um Gesundheitsreformen, Steuererleichterungen oder Infrastruktur geht.

Es ist ein gefährlicher Weg. Barack Obama hat den Republikanern einst vorgeworfen, reine Obstruktionspolitik zu betreiben. Jetzt müssen die Demokraten ihren Wählern erklären, warum sie Jahre später genau dasselbe tun. Trump beginnt bereits, das auszuschlachten.

Hass ist grösser als Furcht

Die Demokraten haben sich entscheidend verkalkuliert. Sie setzten alles auf die Präsidentschaft in Person von Hillary Clinton. Bewusst nahmen sie Verluste im ruralen Amerika in Kauf, konzentrierten sich auf die grossen Städte, vor allem an den Küsten. Doch Hillary Clinton war das falsche Pferd.

Sie wollten nicht wahrhaben, was jetzt klar ist: Der Hass auf die E-Mail-Sünderin Clinton auf dem Land ist grösser ist als die Furcht vor dem «Polit-Clown» Trump - so ihre Sicht - in der Stadt. Dass Clinton nach ihrer Niederlage mit harschen Worten die Partei für den Verlust verantwortlich machte, dürfte im Weissen Haus mit Wohlwollen aufgenommen worden sein.

Zerrissene Organisation

Sie hinterliess ein Fiasko. Die Partei ist von den wohl aus Russland kommenden Hacking-Angriffen in ihrer Moral getroffen. Die Enthüllungen stellten eine in sich zerrissene Organisation zur Schau, ohne Bindung zum Volk. Sie führten zu einem personellen Aderlass und zur moralischen Fragwürdigkeit.

Die Wahlen 2016 kosteten die Demokraten nicht nur das Weisse Haus. Sie mussten in den Staaten und den Rathäusern der Kommunen so viele Federn lassen wie noch nie. Abgeordnete, Senatoren, Gouverneure und Bürgermeister - die Wähler straften alle ab.

Neuer Geist in der Partei

Die Probleme sind inzwischen erkannt. «Wir waren vielleicht zu sehr auf die Präsidentschaft aus. Aber jetzt gibt es einen neuen Geist in der Partei», sagt der stellvertretende Vorsitzende Keith Ellison. «Wir sind die Partei von der Ostküste bis zur Westküste und alle zwischendrin.»

Doch wie er das machen will, ist unklar. Bernie Sanders bleibt mit seiner linken Gerechtigkeits-Bewegung das einzige stabile Bollwerk. Dass dies reicht, um bei den Midterm-Wahlen 2018 die republikanische Mehrheit zu brechen, scheint wie Wunschdenken.

(sda/ccr)

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