Millenials, Generation Z, Babyboomers – es gibt Raster für Generationen. Und innerhalb dieser Generationen-Bezeichnungen scheinen Lebensstil-Gruppen auf. Einst gab es «Yuppies», später «Slacker». Heute gibt es: «Henrys». Das steht für «High Earners, Not Rich Yet». Gut verdienend, aber (noch) nicht reich.

Das Kürzel wurde – unter anderem – jüngst thematisiert in der «New York Post» oder im Wirtschaftsmagazin «Fortune». Die Beschreibung der «Henrys» mag dabei schillernd sein, aber prinzipiell gilt: «Henrys» sind Menschen, die zwischen 100'000 bis 250'000 Dollar pro Jahr verdienen, aber sich trotzdem pleite fühlen. So fasst es etwa Melkorka Licea in der «New York Post» zusammen

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Über 100'000 Franken? Das geht in der Schweiz auch in jungen Jahren

Aufnahmebedingung: ein sechstelliges Jahresgehalt. Man könnte also leicht behaupten, dass die Schweiz ein «Henry»-Land ist: Die Lohnstudie 2019 des Dachverbands der Fachhochschulen zeigt etwa auf, dass der Medianlohn der Teilnehmer 101'000 Franken betrug. Das heisst: Die Hälfte der Befragten verdiente mehr. Eine andere Zahl: In der Stadt Zürich verdienen Beschäftigte mit Hochschulabschluss im Schnitt 10'388 Franken pro Monat.

Und das tun sie oft schon im jungen Alter: Laut der IT-Fachzeitschrift «Netzwoche» verdienen Programmierer mit 35 Jahren im Monats-Schnitt rund 10'466 Franken. Wer in der Schweiz mit knapp 20 Jahren nach der Ausbildung einen ersten Job antritt und die Karriereleiter rasch nach oben klettert, hat gute Chancen, noch in der Alterskategorie eines Millenials über 100'000 Franken zu verdienen. Laut Vergütungsexperte Urs Klingler liegen die Einstiegslöhne für Hochschulabsolventen bei internationalen Konzernen in der Schweiz zwischen 65'000 und 120'000 Franken.

Von einem Toplohn zum nächsten

Die «Henrys» zeichnen sich aber auch durch einen relativ luxuriösen Lebensstil aus – oft auf Kosten der Vermögensbildung. Sie übernachten lieber in Designerhotels, verreisen am Wochenende gerne in eine Shopping-Metropole, halten sich teilweise zwei Wohnungen und schreiben sich bei Yoga-Klassen ein (die gerne auch mehr als 200 Franken im Monat kosten). 

Sind die «Henrys» knapp bei Kasse, kaufen sie günstige Kleider ein, um dafür Geld zum Reisen zu haben. Auch wenn sie sich immer wieder vornehmen, mehr auf die Seite zu legen – und es Ihnen auch von zahlreichen Vorsorgeexperten geraten wird – möchten sie nicht auf ihr Fitness-Abo und ihren Sonntagsbrunch mit Freunden verzichten. 

So wird der «Henry» immer vom Gefühl erdrückt, pleite zu sein – obwohl er mit 100'000 Franken weitaus mehr einnimmt als den Schweizer Medianlohn von rund 6500 Franken pro Monat. Die «Henrys» schwanken ständig zwischen den realen Lebenshaltungskosten und der Aufrechterhaltung eines üppigen Lifestyles, schreibt Licea von der «New York Post». Sie würden von einem Lohn zum nächsten leben. 

Die «Working Rich»

Drei Merkmale zeichnen einen «Henry» aus: Überdurchschnittliches Einkommen, wenig bis gar keine Ersparnisse, wenig Verständnis für Sachvermögen. Das rechtfertigen «Henrys» damit, dass sie sich vom Materialismus befreien wollen. Das Fachlexikon «Investopedia» nennt die «Henrys» die arbeitenden Reichen, «working rich». Sie sind reich, solange sie arbeiten – aber danach nicht mehr. Das unterscheidet sie von den zahlreichen «fils à papa», die in jungen Jahren durch Erbe reich geworden sind. 

Damit geraten die «Henry» in eine ermüdende Sackgasse, die Investopedia folgendermassen erklärt: Es wird von ihnen als Gutverdiener erwartet, dass sie einen Lebensstil wie Wohlhabende pflegen. Aber das können sie nur, «weil sie ihre Fähigkeit opfern, Vermögen aufzubauen», heisst es. 

Wichtige Zielgruppe für die Luxusindustrie

Die Schweiz ist aber auch noch aus einem zweiten Grund ein «Henry»-Land. Sie ist Heimat der Luxusgüterindustrie. Für sie sind «Henrys» trotz ihrem Dilemma eine wichtige Zielgruppe. Schliesslich sind sie ausgabefreudig und auf dem Weg zum Wohlstand. Diese Schwelle ist das optimale Umfeld für Luxusmarken.

Denn die «Henrys» wollen ihren Wohlstand zeigen – im Vergleich zu wirklich reichen Menschen, die gerne auf Understatement machen. Die Luxusmarken schleichen sich in den Lebensstil der Millenials hinein und schaffen damit ihre Loyalität. Und dafür sprechen auch die Fakten: Schliesslich gibt es weitaus mehr «Henrys» als Ultra-Reiche auf der Welt. Und eines ist ganz entscheidend: Mit Luxusbrands können sie die Merkmale des Lifestyles kaufen, den sie sich versprechen, eines Tages zu erreichen. Das tragende Element ihres Lebensstils ist ein eher ein Hermès-Schal als eine dritte Säule. 

  • Dieser Beitrag wurde erstmals am 30. November 2019 publiziert.