Nanu, ein Rohölmann beim Ericsson-Standfest? Tatsächlich machte Carl-Henric Svanberg ehemaliger CEO von Ericsson und jetziger Aufsichtsratsvorsitzender von BP, in Barcelona einen kurzen Stop bei seinem ehemaligen Arbeitgeber. «Die Telecom-Ausrüster und die Ölkonzerne haben mehr Gemeinsamkeiten, als man denkt» sagte der gegenüber «Handelszeitung Online», beide sind hoch reguliert, in einem hoch politischen Umfeld unterwegs und bei beiden muss man mal drei Milliarden für ein neues Förderprojekt oder eine Technologie in die Hand nehmen, ohne dass man weiss, was dabei genau herauskommt.» Der Ausflug nach Barcelona hat für Svanberg noch eine weitere Bedeutung: «Hier treffe ich eine Menge alter Kollegen, es ist fast wie bei einem Klassentreffen.» Und eine Menge Kollegen trifft er auch in seiner neuen Position wieder. «Etliche Ölkonzerne in aufstrebenden Ländern haben eine Telecom-Sparte – ich spreche jetzt einfach immer mit den Kollegen der Kollegen von früher.»

In der Mobilkommunikationswelt verkomplizieren sich die Dinge hingegen noch. Neue Produkte, Betriebssysteme und App Stores dominierten in diesem den Mobile World Congress in Barcelona – und führen zu einer weiteren Aufsplitterung dieses bisher schon gut abgedeckten Bereichs. Samsung lancierte sein erstes Smartphone auf der Basis des eigenen «Bada»-Betriebssystems, Microsoft stellte sein von Beobachtern besser als erwartetes Microsoft Mobile 7 vor und laut Nokia soll Symbian 3 im Sommer auf den Markt kommen.

Samsung hat damit sowohl mit Bada als auch mit Android und Windows Mobile den Fuss in der Türe (bzw. das Smartphone im Geschäft), Nokia investiert weiter in Symbian und legt das eigene «Maemo»-Betriebssystem mit Intels «Moblin» zusammen und die Welt wird sich jetzt an die Bezeichnung «MeeGo» gewöhnen müssen. Und Samsung und SonyEricsson kündigten weitere App Stores an und unterstützen das von 15 Netzbetreibern ins Leben gerufene «Application Store Consortium». Nur Research-in-Motion blieb beim Altbewährten und Apple ist, wie immer, nicht präsent.

Der Wettbewerb bei Smartphones spitzt sich zu – und etliche Analysten sind bezüglich der Aussichten der Nischenanbieter Palm und Motorola mehr als nur skeptisch. In einer einzigartigen Position ist lediglich Qualcomm – egal, wer sich durchsetzt, dank den Patenten gewinnt man über all.



Windows Mobile: Der Chef präsentierte



Steve Ballmers Auftritt signalisierte die Bedeutung dieser Ankündigung von «WiMo 7». Damit möchte Microsoft die verloren gegangenen Marktanteile zurück holen. Die Aussichten stehen nicht schlecht, denn WiMo 7 hat eine deutlich verbesserte Navigation, einen voll funktionstüchtigen Browser mit intuitiven «pinch» und «zoom»-Funktionen und ist mit weiteren Services wie Xbox Life integriert. Gleich drei wichtige Blogger (gizmodo.com, boygeniusreport.com, gigaom.com) meldeten sich umgehend mit wohlwollenden Kommentaren.

WiMo 7 dürfte vor allem kleineren Anbietern wie Motorola und Palm, die zwar teilweise ausgezeichnete Hardware und gute Betriebssysteme (Android sowie ein Palm-eigenes) haben, aber nicht die nötige Marketingmacht aufbringen können, um gegen die ganz grossen Firmen zu bestehen, Schwierigkeiten bereiten, erwarten die Analysten von Goldman Sachs. «Es sieht so aus, als ob sich die Smartphone-Welt noch in Zillionen von Plattformen aufteilen wird» kommentieren die Analysten von Morgan Stanley. Zumal jetzt Apple, RIM, Android, Palm und Symbian eigene Stores haben, Ericsson einen weiteren für Netzbetreiber organisiert und viele Netzbetreiber ihre eigenen Plattformen betreiben. «Wir glauben, wenn man die mobile Welt als Durcheinander von nicht kompatiblen Systemen beschreibt, dass es sich um eine Untertreibung handelt» sagen die Analysten weiter. Sie gehen übrigens davon aus, dass vertikal integrierte, das heisst, eng mit der Hanrdware verzahnte Betriebssysteme dermassen viele Vorteile und zusätzliche Funktionalitäten gegenüber den «horizontalen», geräteunspezifischen Ansätzen haben, dass Firmen wie RIM oder Palm ihre besten Zeiten noch vor sich haben könnten.



Indien: Übertriebene Kundenzahlen



Steve Ballmer war indes nicht der einzige prominente Gast. Sir Howard Stringer, CEO von Sony, machte dem MWC zum ersten Mal seit drei Jahren seine Aufwartung - «das deutet auf engere Zusammenarbeit von SonyEricsson und Sony im Bereich von Content und Plattformen hin» spekulierten die Analysten von JP Morgan.

Bei den Ausrüstern dominierte der 2-Mrd.-Dollar-Vertragsgewinn von Ericsson beim indischen Netzbetreiber Bharti die Nachrichten. Offiziell gab es hierzu indes keine Bestätigung. In 15 Distrikten in Indien soll Bharti seine Kapazitäten ausbauen, Ericsson ist hier über die Services bereits vertreten. Über der Sache hängt allerdings noch etwas zusätzliche Ungewissheit, zumal die indischen Behörden die Vergabe von 93 Mio. Anschlüssen aufgrund von «Unregelmässigkeiten» neu ausschreiben sollen und das Ergebnis der bereits abgeschlossenen Auktion annuliert werden soll. Für Ericsson wäre dann nicht nur der jetzt bekannt gewordene Deal gefährdet, sondern auch weitere Lieferungen um Wert von 2,5 Mrd. Dollar.

Auch Bharti-CEO Sanjay Kapoor wollte sich nicht zu diesen Gerüchten äussern. Er gab aber einige bemerkenswerte Einblicke in den Wachstumsmarkt Indien: So sei die Situation mit 14 Netzbetreibern völlig unbefriedigend, aber der Wechsel zu 3G werde eine Konzentration auf vier bis fünf Anbieter bringen, von denen dann auch nur drei profitable arbeiten würden. Weil aktuell 25% der Kunden in Indien mehr als ein Handy haben und ein Viertel der Handies «ohne wirkliche Kunden auf den Markt geworfen werden», sind laut Kapoor die aktuellen Zahlen zu den Benutzerzahlen in Indien doppelt so hoch ausgewiesen, wie sie tatsächlich sind.



Swisscom: Ericsson stellt LTE-Versuchsausrüstung



Ericsson ist auch der – offiziell nicht bestätigte – Lieferant und Partner für die LTE-Trials bei Swisscom. «Wir machen hier kein grosses Geschäftsvolumen, sondern sehen das als Teil der Kosten des gesamten neuen Netzes an» sagte ein Ericsson-Sprecher in Barcelona.

Ericsson gab auch als einziger der grossen europäischen Ausrüster noch keine Prognose für das Gesamtjahr ab. «Es ist noch zu früh, dazu etwas zu sagen» sagte CEO Hans Vestberg gegenüber Handelszeitung Online, «wir warten erst einmal das erste Quartal ab und geben dann eine Einschätzung für den Rest des Jahres heraus.» «Das Ericsson als grösster Anbieter keine Prognose macht, finden wir schon etwas enttäuschend» kommentierten umgehend die Analysten von Morgan Stanley.

Das Ericsson-Management liess durchblicken, dass man sich im «Backhaul»-Bereich, dem Netz, das die Basisstationen untereinander verbindet, durch Zukäufe verstärken könnte.



Nokie Siemens Networks: Aggressives Umsatzwachstum



Vertreter von Nokia Siemens Networks NSN liessen durchblicken, dass man vor allem den Umsatz ausweiten möchte. Die grossen chinesischen Ausrüster ZTE und Huawei erwarten Zuwächse von 20% in diesem Jahr. Es besteht indes bei allen Ausrüstern eine grosse Diskrepanz zwischen den prognostizierten Wachstumsraten bei Daten (Verdopplungen sind eher die Regel als die Ausnahme) und dem allenfalls gehaltenen Umsatz.

ZTE, der zweite grosse chinesische Netzausrüster, kündigte LTE-Tests bei Commnet Wireless, einer Tochter von Atlantic Tele-Netzwork an. In einzelnen US-Bundesstaaten wie Arizona, Colorado, New Mexico und Kansas ist die Abdeckung mit GSM und CDMA noch sehr lückenhaft. ZTE testet hier eine Dual-Mode Plattform, die CDMA und LTE unterstützt.
 

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