Im Handymarkt gibt es viel Dynamik: Gemäss den Marktforschern IDC und Gartner werden dieses Jahr über 50 Prozent mehr Smartphones verkauft als 2009. Nokia, Research in Motion (RIM) und Microsoft gehören zu den Verlierern, Apples Absatzzahlen zeigen dank dem neuen iPhone 4 weiter nach oben, und die grossen Abräumer sind Smartphones mit dem Google-Betriebssystem Android. Im Angebot sind hier weit über ein Dutzend Modelle, unter anderem das erfolgreiche Galaxy S GT-i9000 von Samsung.
Gartner prognostiziert, dass dieses Jahr 47 Millionen Android-Handys verkauft werden, siebenmal mehr als 2009. Damit würde die offene Plattform den Blackberry von RIM und iOS von Apple überholen und sich hinter Nokia (Symbian) als Nummer 2 einreihen. Bedienungskonzepte sind Geschmacks- und Gewöhnungssache, doch scheint die von Apple eingeführte und auch von Android angebotene Multi-Touch-Bedienung mit Fingergesten die Anwender zu überzeugen. Für viele gibt es diesbezüglich keinen Weg zurück. Als Antwort auf diesen Trend bringt RIM demnächst das neue Flaggschiff Blackberry Torch. Leider konnte uns der Hersteller noch kein serienreifes Testexemplar zur Verfügung stellen. So tritt der Anfang Jahr eingeführte Blackberry Bold 9700 im Leistungsvergleich mit den führenden Touch-Handys iPhone 4 und Galaxy S an.
Schöne Aussichten beim Surfen. Der Schlüssel zum Erfolg der Touch-Handys ist ihre Bedienung. Es ist ein Leichtes, auf Webseiten zu surfen, mit dem Finger Texte und Bilder zu zoomen und Apps komfortabel zu bedienen. Der Blackberry kann zwar mit seiner kompakten Grösse und der physischen Tastatur punkten, doch was an Fläche für das Display übrig bleibt, reicht nicht für eine komfortable Nutzung von Apps und Web-Infos. Ausserdem ist die Bedienung über das Mini-Trackpad für die Navigation auf Webseiten und die Steuerung von Apps umständlicher. Diesbezüglich sind die beiden Touch-Handys mit der bis auf Details gleichen Bedienungsphilosophie gleichauf.
Dank seinem riesigen, kontrastreichen Display bringt Galaxy das grosszügigste Fenster für Web und Multimedia. Im grellen Sonnenlicht ist das Display aber klar schlechter lesbar als bei den Konkurrenten. Das iPhone trumpft dagegen mit der höchsten Auflösung und 329 Punkten pro Inch (DPI) auf. Ein durchschnittliches Magazin hat eine gröbere Druckauflösung. Konkurrenzlos scharf ist denn auch die Schriftdarstellung. Einen Minuspunkt holt Apple wegen der fehlenden Flash-Unterstützung, womit das iPhone nicht alle Webinhalte darstellen kann. Die Telefonfunktion sollte bei Handys eigentlich keine grossen Schwierigkeiten mehr bereiten, doch Apple hat sich mit der speziellen Antennen-Konstruktion im Gehäuserahmen ein vor allem in den USA diskutiertes Problem eingehandelt. Dass die Antennenleistung sinkt, wenn man das Gerät auf eine bestimmte Weise hält, ist messbar, doch mit Gesprächsabbrüchen hat man in den qualitativ guten Schweizer Netzen nicht zu kämpfen. Das iPhone 4 klingt aber mitunter etwas blechiger als die Konkurrenz.
Blackberry bleibt Mail-König. Wenn es um das schnelle Sichten, Verwalten und Schreiben von Mails geht, setzt das Blackberry-System mit Push-Benachrichtigung immer noch die Messlatte. Ein Schönheitsfehler sind allerdings die fehlenden Tasten für Umlaute und der dafür erforderliche Umweg über das Trackpad. Das lässt sich mit einem Finger auf dem iPhone und dem Galaxy eleganter lösen. Der Blackberry biete die umfassendste Synchronisation mit Microsoft Outlook. Exchange ActiveSync von Microsoft unterstützen zwar auch die beiden Touch-Handys von Apple und Samsung, doch nicht ganz vollständig. Sie können Mails, Adressen und die Agenda synchronisieren, nicht aber Aufgaben.
Ein Gmail-Konto lässt sich auf dem Galaxy bestens nutzen, das mitgelieferte Programm, damit man vom Firmenserver Mails per IMAP-Protokoll abholen kann, überzeugt aber nicht. Es kann gelesene Botschaften nicht in einen Ordner verschieben, da diese nicht vom Server abonniert werden können. Beim Lesen und Bearbeiten von Mail-Anhängen mit Office-Dokumenten geben sich alle drei keine Blösse, für alle Plattformen gibt es mehrere käufliche Apps.
Sicherheitsstandards. Aus der Warte der Sicherheit ist der Blackberry dank Verschlüsselung und der zentralen Verwaltung der Handys über den Blackberry-Enterprise-Server für viele Firmen erste Wahl. Der IT-Administrator kann für jedes Gerät separat Rechte und Optionen freischalten und verlorene Blackberrys aus der Ferne löschen. Letzteres beherrscht auch das iPhone, das mittels Zahlencode oder Passwort geschützt werden kann. Galaxy-Besitzer müssen für diese Optionen noch auf ein Update auf die neuste Android-Version 2.2 warten. Insgesamt ist die Android-Plattform für den professionellen Einsatz wohl noch nicht ganz reif. Das iPhone 4 hat sich hingegen langsam zum Status «Enterprise ready» gemausert.
Die verbesserte Sicherheit hat dazu geführt, dass viele Firmen dem Blackberry den Rücken kehren. Im Mai hat erstmals eine grosse britische Bank, die mit sehr sensiblen Daten arbeitet, ihre Mitarbeiter mit iPhones ausgerüstet. Auch andere Banken überlegen sich, iPhones und Androids zuzulassen.
Zwei tolle Entertainer. Ein Businessphone soll professionelle Bedürfnisse abdecken, so die Theorie. Doch Berufsleute haben auch Freizeit, in der sie gerne Fotos knipsen, Musik hören und private Apps nutzen. Besitzer eines Bold 9700 sind in Sachen Multimedia schlecht bedient und müssen diese Bedürfnisse mit einem zweiten Gerät befriedigen. iPhone und Galaxy hingegen sind zwei tolle Entertainer mit vielen Möglichkeiten. Unterschiede gibt es im Detail. Die Kamera des Galaxy etwa wartet mit mehr Optionen auf, doch das iPhone überzeugt bei knappen Lichtverhältnissen durch bessere Bildqualität hinsichtlich Schärfe und Farbsättigung. Es bietet auch einen Blitz. Als Musikplayer hat sich das iPhone schon lange bewährt und stellt mit iTunes eine einfach zu bedienende Synchronisation und einen Online-Shop für Windows und Mac bereit. Samsung liefert nur eine Software für Windows, die einige Schwächen hat, wie die überquellenden Internetforen hilfesuchender Anwender zeigen. Dafür punktet das Galaxy mit einem FM-Radio und liefert mit dem In-Ear-Kopfhörer einen satteren Klang, als es die Ohrhörer des iPhones tun. Für Fotos und Videos ist das Galaxy dank dem grossen Display einen Tick attraktiver.
iPhone dominiert den App-Markt. Ein entscheidender Faktor für den Erfolg einer Handyplattform ist das Anwendungsangebot. Hier ist das iPhone mit über 225 000 Apps klar führend. Der Android Market holt zwar mächtig auf, mittlerweile gibt es über 120 000 Apps. Noch werden allerdings viele Anwendungen für professionelle Bedürfnisse zuerst für die iOS-Plattform entwickelt. So gibt es die für den Blackberry schon verfügbaren Apps von IBMs Collaboration Software Lotus Notes und Domino auch fürs iPhone, nicht aber für Android. Für den Blackberry Bold gibt es in der AppWorld von RIM erst rund 11 000 Anwendungen. Für den kanadischen Hersteller wird es eine der grossen Herausforderungen sein, mehr Entwickler für seine Plattform zu gewinnen.
Fazit. Alle drei Plattformen haben ihre Stärke, eine Kaufentscheidung hängt von persönlichen Präferenzen und der IT-Policy des Unternehmens ab. Da das iPhone in den sicherheitsrelevanten Bereichen zugelegt hat und Google die Android-Plattform diesbezüglich optimieren dürfte, wird der Druck auf den Blackberry weiter steigen.
Der kommende Blackberry Torch wird zeigen, wie gut RIM die Herausforderung meistert. Spannend wird der Smartphonemarkt auch bleiben, da sowohl Microsoft mit dem überarbeiteten Windows Phone 7 als auch Nokia mit dem Symbian 3 und dem Modell N8 verlorene Marktanteile zurückzuerobern versuchen.
Die wichtigsten Mobile-Apps im Vergleich:
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