Zum G20-Gipfel am Freitag und Samstag zieht es nicht nur die mächtigsten Staats- und Regierungschefs der Welt nach Hamburg, sondern auch Scharen militanter Gegner des Spitzentreffens. Mit bis zu 8000 gewaltbereiten Demonstranten ist in der Hansestadt nach Angaben der Polizei zu rechnen. Darunter dürften mehrere tausend Anhänger der autonomen Szene sein, zu deren Hochburgen Hamburg zählt.

Gewalt ist nach Einschätzung der Experten aber nicht nur von den Linksextremisten zu befürchten: Auch gewaltbereite Anhänger der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK und mit diesen verfeindete nationalistische Türken seien in Hamburg zu erwarten, heisst es in Sicherheitskreisen.

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Drei Reizfiguren

Mit Teilnehmern wie dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, seinem russischen Kollegen Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump bietet der Gipfel dieses Mal Reizfiguren für die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen.

Hinzu kommt, dass sich die Politiker in den Messehallen mitten in der Stadt treffen - nur «einen Steinwurf vom Schanzenviertel», wie genervte Vertreter der Sicherheitsbehörden hinter vorgehaltener Hand die Wahl des Tagungsorts kommentierten. Die Politik, die die Geburtsstadt von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Gipfel als weltoffene Metropole präsentieren will, habe sich durch die Bedenken der Sicherheitsexperten nicht von ihrer Entscheidung abbringen lassen.

«Wir wollen ihnen die Hölle heiss machen»

Dies sorgt auch im Schanzenviertel selbst für Verwunderung. Dort ist die Rote Flora, ein seit 1989 besetztes Theater, eines der Zentren der Autonomen in Deutschland. Schon Wochen vor dem Gipfel rufen hier Plakate zum Widerstand auf. «Capitalism will end anyway, you decide when» (Der Kapitalismus wird ohnehin enden, Du entscheidest, wann) steht darauf oder auch «Le Temps passe, la Rage reste» (Die Zeit vergeht, die Wut bleibt). An der Seite hat jemand «Join the Black Block» (Schließt Euch dem schwarzen Block an) an die Wand gepinselt, darüber hängt ein grosser Aufruf zur Demonstration am Donnerstagabend vor dem Gipfel unter dem Motto «G20 - Welcome to Hell» (G20 - Willkommen in der Hölle).

Die Protestveranstaltung zählt zu der Handvoll Demonstrationen, bei denen die Polizei Ausschreitungen erwartet. «Die Politik des G20 sorgt in vielen Ländern dieser Welt für höllische Verhältnisse», sagt Andreas Blechschmidt, der die Kundgebung angemeldet hat und mit 10'000 Teilnehmern rechnet. «Wir wollen denen da schon deutlich machen, dass wir ihnen tatsächlich im übertragenen Sinne die Hölle heiss machen wollen.» Für den ersten Gipfeltag seien zudem Blockaden geplant, um die Teilnehmer am Erreichen des Tagungsortes zu hindern. Als Symbol neoliberaler Wirtschaftspolitik solle auch der Hafen - der drittgrösste Container-Hafen Europas - blockiert werden.

«Widerstand durch Sachbeschädigung»

Von Gewalt will sich Blechschmidt nicht distanzieren. «Ich wiederhole mich, wenn ich an der Stelle jetzt sage, dass ich für ein politisches Spektrum stehe, das sich von Gewalt nicht distanziert», sagt der Aktivist, der lieber von militantem Widerstand spricht. «Wir haben kein Interesse, Menschen an ihrer Physis zu schädigen.» Bei autonomer Militanz gehe deswegen um «Widerstand durch Sachbeschädigung». Bewusste Regelübertretungen seien in der politischen Auseinandersetzung notwendig.

«Wir wissen, dass das im Widerspruch zu unserer Rechtsordnung steht», räumt Blechschmidt ein. «Die Konsequenzen müssen wir tragen, aber damit können wir umgehen.» Dass die Wahl des Gipfelorts ausgerechnet auf die Autonomen-Hochburg Hamburg fiel, habe auch ihn überrascht. Selbst der Polizei-Einsatzleiter habe schliesslich gesagt, dass es bessere Austragungsorte gäbe. «Ich bin selten mit der Polizei einer Meinung - aber da stimme ich dann mal ausnahmsweise zu.» Die Organisatoren des Gipfels argumentieren indes, dass eine so hohe Zahl von Staats- und Regierungschefs sowie Tausende Delegierte nur in einer Grossstadt unterzubringen sei.

140 Diensthunde, 110 Polizeipferde, 3000 Polizei-Autos

Für Polizeibeamte aus dem ganzen Bundesgebiet wird der Gipfel zum Großeinsatz: 15'000 bis 20'000 Polizisten aus Bund und Ländern sollen das Spitzentreffen gegen militante Gegner ebenso wie Anschläge schützen. Beim Bundeskriminalamt und der Bundespolizei, die für den Schutz von Bahn und Flughäfen, aber auch Bahn- und Grenzkontrollen verantwortlich sein wird, gelten nach Angaben aus Sicherheitskreisen Urlaubssperren. Spezialeinheiten wie die GSG 9, aber auch Sondereinsatzkommandos (SEKs) und Mobile Einsatzkommandos (MEKs) aus dem gesamten Bundesgebiet werden in Hamburg zusammengezogen.

Dazu kommen 140 Diensthunde, 110 Polizeipferde, elf Hubschrauber, 7,8 Kilometer Absperrgitter und über 3000 Einsatzfahrzeuge. Unterstützung kommt vom Technischen Hilfswerk, das für Verpflegung sorgt. Die Bundeswehr stellt unter anderem Unterwasserdrohnen zur Verfügung, die den Hafenboden auf Sprengsätze absuchen können. Zudem hält die Luftwaffe in Laage eine zusätzliche Alarmrotte aus zwei Kampfjets bereit, um das Flugbeschränkungsgebiet über der Hamburger Innenstadt zu überwachen.

Hilfe bekommt die deutsche Polizei aber auch aus dem Ausland, unter anderem von der österreichischen Spezialeinheit Cobra, die ähnliche Aufgaben wie die GSG 9 hat, und einer niederländischen Spezialtruppe, die mit ihren Booten zum Schutz des Hafens eingesetzt werden soll.

Sehr flexibel und mobil

Vor allem im Fall eines Anschlags soll keine Zeit verloren gehen. «Unser Konzept ist darauf ausgerichtet, in weniger als einer Minute vor Ort zu sein: Die Spezialeinheiten werden in der Innenstadt sehr flexibel, sehr mobil im Einsatz sein, so dass sie sehr schnell reagieren können, wenn es zu einem Terror-Vorfall kommen sollte», sagt Polizei-Präsident Ralf Martin Meyer in seinem Büro im sternförmig gebauten Präsidium, dessen Zaun derzeit zusätzlich mit Stacheldraht gegen Eindringlinge gesichert ist. Nicht nur Bahnstrecken fielen im Vorfeld des Gipfels Brandanschlägen zum Opfer, sondern auch Polizeiautos.

Wie gross die Terrorgefahr angesichts des massiven Polizeiaufgebots sein wird, lässt sich nach Meyers Worten nicht prognostizieren. «Es gibt hier eine sehr hohe Polizeidichte, und bundesweit haben alle Behörden jetzt natürlich den Blick auf ihre speziellen Kandidaten.» Dies mindere das Anschlagsrisiko. Andererseits ziehe der Gipfel grosse Aufmerksamkeit auf sich, was ihn zu einem attraktiven Ziel mache.

In Sicherheitskreisen gibt es allerdings noch eine weitere Befürchtung: Dass Linksextremisten für ihre gewalttätigen Proteste wegen des grossen Polizeiaufgebots schlicht in eine andere Stadt ausweichen könnten. Dies geschah etwa kurz vor dem schwer gesicherten G7-Gipfel in Elmau, als Vermummte plötzlich in Leipzig randalierten. «Da müssen wir reaktionsfähig sein», sagt Meyer. «Sind wir aber, dafür gibt es auch Vorkehrungen.»

(reuters/ccr)

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