Mal bewirbt er kurz einen Anlass seiner Organisation. Dann wieder verkündet er stolz die Gründung eines neuen Stützpunktes. Und manchmal zwitschert Daniel Küng en route auch einfach so aus dem Leben. So wie kürzlich aus einem Taxi in Brasilien: «Wenn der Verkehr in Rio und São Paulo schon heute so chaotisch ist – wie wird das während der Fussball-WM sein?» Der CEO der halbstaatlichen Handelsförderungsorganisaton Switzerland Global Enterprise (S-GE) ist ein sogenannter «Social CEO», der sich via Online-Medien verbreitet. Und damit heute noch weitgehend ein Exot in den Schweizer Teppichetagen.

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Seit Februar 2010 ist Küng dabei auf dem Mikroblogging-Dienst Twitter, er spricht in Kurzmitteilungen zu seinen 259 Followers. «Wer Themenführerschaft erreichen will», sagt der 61-Jährige, «schafft das heute nicht mehr ohne Social Media. Der Chef darf das nicht delegieren, er muss beim Going Digital selber an der Front dabeisein.» Zehn Minuten am Tag investiert Küng ins Online-Zwitschern. Er empfiehlt den Dienst all jenen, die ihr «Persönlichkeitsprofil schärfen» wollen. Man müsse, sagt Küng, sein Alleinstellungsmerkmal finden und dieses dann – zum Nutzen der Firma und für sich selbst – gezielt bewirtschaften: «Ich komme viel in der Welt herum, treffe mich mit interessanten Wirtschaftsakteuren – auf dieser Stärke baue ich meine Tweets auf.»

Küng ist heute noch einer der wenigen Social CEO in der Schweiz. Hiesige Topfirmen entscheiden sich in den Social Media meist nur für eine Firmenpräsenz – und gegen einen Auftritt ihrer gegen aussen wichtigsten Person: des CEO. Während zahlreiche tonangebende Schweizer Politiker die schnellen sozialen Medien für sich und ihre Zwecke des Ego-Brandings benutzen, sieht man von den wichtigsten Chefs wenig bis gar nichts.

So auch bei der UBS: Die grösste Bank der Schweiz schwang im grossen Digital-Check der BILANZ (15–16/2013) in der Zehnerliste der wichtigsten Schweizer Finanzhäuser obenaus – doch ihre Galionsfiguren Sergio Ermotti oder Axel Weber zeigen sich persönlich nicht auf jenen Kanälen, wo heute die digitale Post abgeht: auf Twitter, LinkedIn, Blogs und Facebook. Zwar machen interne Spezialisten diesbezüglich Handlungsbedarf aus, ob aber die UBS ihren operativen Chef Sergio Ermotti zum ersten Social CEO im Swiss Market Index macht, ist unklar. Man habe dazu derzeit «kein fertiges Konzept», heisst es bei der Bank.

Angst, Statusverlust, Unwissen

Ebenso dürftig wie bei den CEOs sieht es im SMI – mit Ausnahme des Water-Challenge-Blogs von Nestlé-Chairman Peter Brabeck – auf Präsidentenstufe aus. Anders als in US-Firmen existiert hierzulande an der Spitze der Topfirmen keine Social-Media-Strategie. Wohl weil weder die CEOs noch ihre Berater damit aufgewachsen sind und weil die Meinung verbreitet ist, dass man auf Twitter oder Blogs einen gewissen Kontrollverlust riskiert. Tatsächlich macht sich der Chef angreifbar. Fühlt sich auch nur ein Stakeholder oder eine Minderheitengruppe falsch dargestellt, kann dies einen Shitstorm auslösen.

Susanne Müller-Zantop, Gründerin der Zürcher Firma CEO Positions, macht als Grund der selbst verordneten Social Absentia der meisten Schweizer Wirtschaftskapitäne einen Paradigmenwechsel in der Kommunikation aus: «Firmenchefs sind oder waren es gewohnt, drei bis vier Sekretärinnen zu haben, aus Eckzimmern heraus zu regieren und feines Briefpapier mit persönlichem Namens-Print zu verwenden.» Auf Twitter oder per Blog steht der Chef dann aber ohne Pomp da: «Social Media sind eine komplett nichthierarchische Form der Kommunikation; CEOs sind hier aller Insignien entledigt, die ihre Macht angezeigt haben.»

Komme dazu, dass Social Media für die meisten Firmenchefs Terra incognita seien: «Kein CEO weiss, wie die Compliance einzuhalten ist, was zu einem passt und wie man den Zeitbedarf überschaubar hält.» Um das Thema in geneigten Kreisen gezielt abzuhandeln, hat Müller-Zantop vor einem Jahr die Vereinigung CEO Future Communications Community (CFCC) ins Leben gerufen, die sich zweimal jährlich trifft, um sich zu einer «brennenden Social-Media-Angelegenheit» auszutauschen.

Für BILANZ hat Social-Media-Experte Manuel Nappo (siehe Interview) die Social-Kompetenzen von sechs Schweizer Business-Leadern untersucht. Deren Klout-Score, die harte Währung der digitalen Meinungsmacht (siehe Seite 59), dümpelt zwischen 18 und 51. Weit höher rangiert Investment-Guru Marc Faber (67), der es mit über 25 000 Followers auf einen Klout-Wert von 57 bringt – für Nappo ein Star unter denjenigen Schweizer Wirtschaftsköpfen, die sich persönlich ins Social-Media-Schaufenster trauen.

Schlummerndes Know-how

Der Social-Media-Experte stellt auch Daniel Küng wegen seiner Aktivität, dem ansprechenden Mix aus geschäftlichen und persönlichen Inputs sowie seiner Präsenz auf vielen Plattformen ein gutes Zeugnis aus. Dieser will den Social Gospel intern weiter verbreiten. Der CEO von Switzerland Global Enterprise ermuntert seine Führungskräfte und Berater, ebenfalls aktiv zu werden: «In unserer Organisation schlummern Unmengen von Wissen, deshalb befürworte ich es, wenn unsere Spezialisten die Initiative ergreifen und auch social werden.»

Darf sich jeder, auch im Namen der Firma, für die er arbeitet, in den Social Media einbringen und so zum Unternehmens-Ambassador werden? Etwa auch ohne Ermunterung der Geschäftsleitung als Filialleiter einer Kantonalbank per Twitter seinen Frust über das US-Rechtssystem kundtun? Kein einfaches Thema, sagt Robert Briner, Partner bei der Zürcher Anwaltskanzlei CMS von Erlach Henrici. Zwar müssten Arbeitgeber die Privatsphäre ihrer Angestellten respektieren, diese gingen mit ihrem Vertrag aber auch eine Loyalitätsverpflichtung der Firma gegenüber ein. «Solange man in seiner Freizeit unter eigenem Namen rein privat twittert oder bloggt, ist man auf der sicheren Seite. Bringt man sich aber mit seinem Arbeitgeber in Verbindung, kann es problematisch werden. Vor allem wenn man die Leitplanken der Firmen-Policy durchbricht.» Unternehmen beginnen deshalb, Passagen punkto unerlaubten Bloggens in die Arbeitsverträge einzubringen. «Solche Weisungen und Leitplanken werden vertraglich immer stärker festgesetzt», sagt Briner, der sich unter anderem mit Software-, Computer- und E-Commerce-Recht befasst.

Bezüglich Firmenchefs, die sich in den Social Media selber einbringen, hat Briner eine dezidierte Meinung: Um eine vernünftige Anzahl Likers oder Retweets zu erreichen, müsse die Unterhaltung im persönlichen Ton erfolgen, was aber Leser auch erbosen «und grauenhaft schiefgehen» könne. Der Anwalt macht ein «Social Minenfeld» aus: «Es ist nicht trivial, mit der Aussenwelt zu kommunizieren.» Auf jeden Fall, sagt Briner, «sollte ein CEO seine Beiträge nicht selber verfassen. Um die Compliance zu wahren und den richtigen Ton zu treffen, muss der Chef das Schreiben seiner PR-Abteilung überlassen und die Rechtsabteilung einen Blick darauf werfen lassen.»

Identitätsklau

Genau andersherum sieht das Daniel Küng: «Natürlich schreibe ich die Beiträge selber. Allerdings achte ich darauf, nie eine emotionale Stimmung ungefiltert in einen Tweet einzubringen. Man muss schon gut überlegen, was man mitteilt. Und was nicht.» Die riskanten Seiten der Media-Welt hat er am eigenen virtuellen Leib erlebt: Im Februar 2013 wurde sein Twitter-Account gehackt; jemand anders setzte in seinem Namen Kurzbotschaften ab. Seit Monaten gibt sich zudem auf Twitter jemand als Daniel Vasella aus, gemäss seiner Pressesprecherin aber ohne Bezug zum Ex-Novartis-Präsidenten – offenbar ein klassisches «Fake Account», ein Schwindel.

Daniel Küng hat die kurzzeitige Entführung seiner Twitter-Identität weggesteckt. Der nächste Schritt ist angedacht. Der CEO von S-GE will 2014 auch einen eigenen Blog lancieren, «denn auf diesem Feld haben wir noch eine Schwachstelle». Die Ängste vieler anderer Chefs, sich damit zu stark zu exponieren, teilt Küng nicht. In dieser Hinsicht hat er ein Motto, das auch in der Offline-Welt funktioniert: «Nur wer kriecht, fällt nicht.»

Die Schweizer Chefs auf Twitter - Ein Überblick:

    

    

      

*Mit dem Klout-Score wird die Meinungsmacht einer Person in den Social Media gemessen. Hinter Klout steht das gleichnamige Unternehmen, das die digitale Schlagkraft von 0 (kein Einfluss) bis 100 (Top-Meinungsmacher) ausdrückt. Übersicht Schweizer CEOs: www.einflussreich.ch

Andreas Güntert
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