Wie die ebenfalls in Südfrankreich verbreiteten Traubensorten Carignan und Grenache stammt auch die Mourvèdre-Rebe aus der Region Aragón im Nordosten Spaniens. Dort wird sie 1381 unter ihrem spanischen Namen Monastrell erstmals schriftlich erwähnt. Doch fasste sie erst im 16. Jahrhundert in der Provence Fuss und breitete sich im Roussillon und im südlichen Rhonetal aus. Die Mourvèdre gilt als launische Diva, die viel Zeit, Wärme und Sonne braucht, um vollständig auszureifen. Dabei markiert die Provence die klimatische Grenze.
Ideale Wachstumsbedingungen findet die Mourvèdre in Südfrankreich in der kleinen, westlich von Toulon gelegenen Appellation Bandol. Dieser besonders geschützte Winkel Südfrankreichs ist einer der wenigen, wo die Mourvèdre-Trauben voll ausreifen können. Verteilt auf acht Gemeinden liegen die steilen, terrassierten Weinberge im Hinterland des Ferienortes Bandol in einem grossen, von schroffen Hügeln umschlossenen, amphitheaterähnlichen Kessel. Die mit Eichen- und Pinienwäldern bewachsenen Hügel und Felsketten bieten Schutz vor den kühlen Nordwinden. Zudem weht oft eine Meeresbrise, die die abendliche Feuchtigkeit vertreibt und die dichten, auf Graufäule anfälligen Trauben gesund hält.
Die Appellation Bandol ist mit rund 1500 Hektaren Rebfläche ein Winzling im Vergleich zu anderen Anbaugebieten der Provence. Doch gehören die hier erzeugten Rotweine zu Frankreichs Vorzeigekreszenzen. Dies verdankt die Appellation einigen visionären Winzerpersönlichkeiten, die schon früh erkannt hatten, dass die Mourvèdre-Traube hier ideale Bedingungen vorfindet, um sich von ihrer besten Seite zeigen und ihr volles Potenzial entwickeln zu können. Ihrer Initiative und Weitsicht ist es zu verdanken, dass die Herstellung und die Herkunft der Bandol-Weine bereits seit 1941 mit einer kontrollierten Ursprungsbezeichnung (AOC) geschützt werden.
Das AOC-Reglement sieht vor, dass der Mourvèdre-Anteil der roten Bandol-Weine 50 bis 95 Prozent betragen muss und mit den Sorten Grenache und/oder Cinsault assembliert werden darf. Zusätzlich sind kleine Anteile von Syrah und Carignan erlaubt. Die Trauben dürfen nur von Hand gelesen werden. Zudem ist ein Fassausbau von mindestens 18 Monaten vorgeschrieben.
Mit ihrem dominierenden Anteil prägt die Mourvèdre die Aromatik und die Charakteristik der noblen und komplexen Bandol-Weine. Mit ihrer soliden Tanninstruktur präsentieren sie sich in ihrer Jugend noch verschlossen und streng, mit zunehmendem Alter werden die Tannine feiner und runder und verschmelzen mit den sich nun offenbarenden Aromen von roten Früchten, Trüffeln, Unterholz und Gewürzen wie Lakritze, Pfeffer und Zimt zu einem vielschichtigen, tiefgründigen, harmonischen Ganzen, wie man es in südlichen Weinbauregionen nur selten findet. Wie alle grossen Weine haben auch die besten Bandol-Gewächse ein beeindruckendes Alterungspotenzial, und in jedem Entwicklungsstadium geben sie einige neue Facetten ihres noblen Charakters preis. Mit anderen Worten: Mit den roten Bandol-Weinen muss man viel Geduld haben, ihnen einige Jahre Zeit geben, damit sie ihre jugendliche Kantigkeit zu überwinden und ihren vornehmen Charakter und ihre aromatische Tiefe in vollem Masse zu zeigen vermögen. Da die Mourvèdre anfällig auf reduktive Noten ist, empfiehlt es sich, die Bandol-Weine vor dem Genuss zu dekantieren.
Rotweine und erstklassige Rosés
Zu den Vorzeige- und Pionierweingütern der Appellation gehört die Domaine Tempier. Die Weine des 1834 gegründeten Guts gehören zu den Klassikern des Gebiets und vereinen auf mustergültige Weise Kraft und Finessenreichtum. Hochstehende Bandol-Interpretationen keltern auch die Domaine Lafran-Veyrolles, die Domaine de la Tour du Bon sowie Château de Pibarnon. Übrigens ist die Appellation Bandol nicht nur für Rotweine bekannt, sondern auch für ihre erstklassigen, gut strukturierten Rosés, die sich dank ihres Mourvèdre-Anteils auch bestens lagern lassen. Wie ihre roten Pendants zählen auch sie zu den besten provenzalischen Vertretern ihrer Gattung. Dies als kleiner Vorgeschmack für den nächsten Sommer!
1 Domaine de la Tour du Bon (www.divo.ch), 2 Château de Pibarnon (www.martel.ch), 3 Domaine Lafran-Veyrolles (www.rebwein.ch, www.bandol.ch) (v.l.n.r.)