Wahlkampf auf Hochtouren: Das Flügelschlagen der Parteien ist wenige Tage vor der Neuwahl des britischen Parlaments besonders laut. Diese fünf Politiker sind die Hauptakteure bei der Wahl am 8. Juni:

Die Frau in der Poleposition

Einmal Premierministerin sein – darauf hat Theresa May seit Jahren hingearbeitet. Nicht selten wird die Konservative wegen ihres kühlen Auftretens und ihres starken Willens mit ihrer einzigen weiblichen Vorgängerin im Amt, der «Eisernen Lady» Margaret Thatcher, verglichen. Doch der Vergleich hinkt: Wie verletzlich sie sein kann, zeigt die Pfarrerstochter manchmal für Sekunden in den raren privaten Interviews, etwa wenn es um den frühen Tod ihrer Eltern geht.

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Nach Geografie-Studium und Jobs in der Finanzbranche kam May 1997 als Abgeordnete ins Parlament. Sechs Jahre lang war sie Innenministerin unter David Cameron – ein Knochenjob mit heiklen Themen wie Terrorismus. Erst 2016 wurde sie Premierministerin. Für ihre Karriere ändert die 60-Jährige durchaus ihre Meinung – so auch bei der Neuwahl, die sie zunächst ausgeschlossen hatte. Sie gilt als sehr nachtragend; Kritik von Parteimitgliedern vergisst sie nie. Beratend an ihrer Seite ist oft ihr Mann Philip. Das Paar ist seit fast 40 Jahren verheiratet. Ihre Hobbys: Wandern, Kochen und auffallende Schuhe.

Guru oder zerstreuter Professor

Der 68-jährige Labour-Chef Jeremy Corbyn ist ein Meister der Polarisierung. Die einen verehren den Alt-Linken mit dem ausgeprägten Sinn für soziale Gerechtigkeit wie einen Guru. Er bescherte der Arbeiterpartei einen enormen Mitgliederzuwachs. Die anderen sehen in ihm nur einen Sturkopf, der sich nicht stark genug gegen den Brexit gestellt hat und dadurch viele Wähler verprellte. Das britische Magazin «Economist» bezeichnete ihn als Politiker, «der ideologischen Extremismus mit politischer Inkompetenz vereint».

Umfragen zeigen, dass ihm nur eine kleine Minderheit der Briten das Amt des Premierministers zutraut. Trotz aller Angriffe hält Corbyn aber wie in den vergangenen Jahrzehnten an seinem Kurs fest und bleibt dabei stets sachlich. Angriffe, Schmähungen, widersprüchliche Aussagen? «Das ist nicht mein Stil», sagte der in dritter Ehe verheiratete Politiker, der mit seinem weissen Bart und seinen alten braunen Schuhen ein bisschen wie ein zerstreuter Professor wirkt.

Gläubiger Liberaldemokrat

Die Liberaldemokraten sind immer gegen den Brexit gewesen. Sie haben stets ihren Kurs beibehalten, ebenso wie ihr 47-jähriger Chef Tim Farron. Schon mit 16 Jahren ist er in die Partei eingetreten. Seit 2005 sitzt er im Parlament, 2015 wurde er zum Chef der Liberaldemokraten gewählt. Aufsehen erregte Farron, als er mit einigen anderen Abgeordneten gegen ein geplantes Gesetz zur Erhöhung der Studiengebühren und damit gegen die Parteilinie stimmte.

Farron ist sehr gläubig. Einige in der Partei würden ihm das als Schwäche auslegen, sagte er einmal. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne und zwei Töchter. Als Hobbys nennt er Fussball und Musik.

«Königin von Schottland» mit sanfter Seite

Die kämpferische Chefin der Regionalregierung in Edinburgh, Nicola Sturgeon, wird augenzwinkernd als «Königin von Schottland» bezeichnet. Schon als Jugendliche trat sie in die Schottische Nationalpartei (SNP) ein, deren Ziel die Unabhängigkeit des Landesteils von Grossbritannien ist. Sie mischt kräftig im Wahlkampf für das Londoner Parlament mit, obwohl sie selbst nicht zur Wahl steht. Die Mehrheit der Schotten ist gegen den Brexit und will im Europäischen Binnenmarkt bleiben. Sturgeon liegt im Clinch mit Premierministerin May und hat ein neues Unabhängigkeitsreferendum angekündigt.

Die energische Art der 46-jährigen Anwältin wird gern von der Schauspielerin Tracey Ullman parodiert. Sie stellt Sturgeon als weiblichen James-Bond-Bösewicht dar, der mit absurden Mitteln versucht, eine schottische Weltherrschaft zu etablieren. Die echte Sturgeon hat auch eine sanfte Seite: Sie sprach öffentlich über ihren unerfüllten Kinderwunsch. Neben der schottischen Unabhängigkeit sind nukleare Abrüstung und Sozialpolitik ihre Herzensangelegenheiten.

Chef der schlingernden Extremen

Eigentlich sollte Paul Nuttall die zerstrittene, EU-feindliche UK Independence Party (Ukip) wieder auf Kurs bringen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Dem 40-Jährigen gelang es bei einer Nachwahl nicht, einen Sitz im Parlament zu erobern – und das ausgerechnet in der Brexit-Hochburg Stoke-on-Trent. Dann kollabierte seine Partei nahezu bei den Kommunalwahlen. Der einzige Ukip-Abgeordnete im Parlament gab auch noch sein Mandat auf. Kurzum: Die Rechtspopulisten kämpfen mittlerweile ums Überleben.

Nuttall inszeniert sich als «very british» mit Tweed-Jackett und Schiebermütze; von dem dandyhaften Charisma des Ex-Ukip-Chefs Nigel Farage ist er aber weit entfernt. Mehrfach musste er sich für falsche Angaben über seine Vergangenheit entschuldigen. Der studierte Historiker aus dem Grossraum Liverpool sitzt seit 2009 für Ukip im EU-Parlament. Viele frühere Ukip-Anhänger fühlen sich mit Blick auf den Brexit nun besser bei den Konservativen aufgehoben. Nuttall ist für Volksabstimmungen zur Wiedereinführung der Todesstrafe.

(sda/jfr)