Schon als Kind wollte Theresa May Premierministerin von Grossbritannien werden. Geschickt taktierend schaffte sie es bis ganz nach oben: Die Konservative beerbte nach dem Brexit-Referendum vor einem Jahr den zurückgetretenen David Cameron. Ausgerechnet ihr Ehrgeiz könnte diesen Traum nun platzen lassen.

In einer vorgezogenen Parlamentswahl wollte sie die Mehrheit der Konservativen ausbauen und so mehr Rückenwind für die Brexit-Verhandlungen bekommen. Doch am Freitag kam das böse Erwachen: May verlor die absolute Mehrheit ihrer Partei im Parlament.

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Führungsstärke demonstrativ gezeigt

Schon als May britische Innenministerin wurde, orakelten Mitarbeiter: «Die wird bestimmt einmal Premierministerin.» So übereifrig trat die Konservative auf.

Führungsstärke zeigte sie demonstrativ nach den drei Terroranschlägen, die London und Manchester erschütterten. «Jetzt reicht's», polterte sie und legte sogleich einen - nicht sehr in die Tiefe gehenden - Plan zur Terrorbekämpfung vor. Peinlich wurde es, als Labour-Chef Jeremy Corbyn ihren Rücktritt verlangte, weil sie einst für das Streichen von 20'000 Polizeijobs mitverantwortlich war.

Fleissig, verbissen, nachtragend

Verbissen und irgendwie anders - so beschreiben viele Weggefährten die 60-Jährige. Auf die Frage einer britischen TV-Journalistin, was denn das Frechste war, was sie je gemacht habe, rief die Politikerin «Meine Güte!», überlegte kurz und antwortete fast staatsmännisch: «Als ich und meine Freunde als Kinder durch die Weizenfelder gerannt sind. Die Bauern waren darüber nicht sehr erfreut.»

Spontanes Zugehen auf Leute, Smalltalk - das ist nicht ihre Sache. Darunter haben auch ihre Wahlkampfauftritte gelitten. Kritiker werfen ihr vor, sie sei kalt und herzlos.

Die Journalistin Rosa Prince zeichnet in ihrer Biografie «Theresa May. Die rätselhafte Premierministerin» das Bild einer Politikerin, die von vielen Mitarbeitern für ihren Fleiss geschätzt wird, aber auch nachtragend sein kann. «Auge um Auge, Zahn um Zahn» sei ihr Motto. Wer ihr in die Quere komme, könne noch Jahre später seinen Posten verlieren.

«Theresa Maybe»

Seit ihrem Amtsantritt vor knapp einem Jahr zeigt sich die Premierministerin besonders kampfbereit. Doch oft wurde sie auch als Zauderin wahrgenommen, die rhetorisch geschickt wenig Inhalt in viel Verpackung hüllt, gerade beim heiklen Thema Brexit. So erschien ein Foto von ihr auf dem Titelblatt des Magazins «Economist». Überschrift: «Theresa Maybe» - «Theresa Vielleicht».

Sie hänge die Fahne nach dem Wind, um politische Lager zu besänftigen und für sich das Beste herauszuholen, kritisierte Simon Hix von der London School of Economics and Political Science. «Mal tritt sie für einen harten Brexit ein, dann für einen etwas weicheren», sagte der Politikwissenschaftler. Zuerst schloss sie eine Neuwahl aus, jetzt mussten die Briten doch vorzeitig ihre Stimme abgeben.

Im Anlauf zum Brexit-Referendum schlug sie sich auf die Seite von Camerons Pro-EU-Lager, blieb aber EU-kritisch. Auch hier: Sie wollte es sich mit keiner Seite verderben. Das machte sie zur idealen Kompromisskandidatin für die zerstrittenen Lager der Konservativen.

Karriereleiter zielstrebig hochgeklettert

May, eine kinderlose Pastorentochter, studierte Geografie in Oxford und arbeitete für die englische Notenbank. Sie machte schon früh Lokalpolitik und erklomm Sprosse für Sprosse die Karriereleiter.

Ihr bester Freund ist Ehemann Philip. Bei einem der seltenen gemeinsamen Fernsehauftritte in der BBC gab der Finanzmanager einen Einblick in das Eheleben: «Ich übernehme die traditionellen Aufgaben für Jungs», aber seine Frau könne sehr gut kochen.

Die pakistanische Politikerin Benazir Bhutto hatte die beiden einander in einer Disco in Grossbritannien vorgestellt. Der Entschluss zur Neuwahl sei bei Wanderferien mit ihrem Mann gefallen, berichtete May.

Schuhe als Markenzeichen

Mit ihrem strengen Auftreten erinnert die Premierministerin manchmal auch an ihre einzige weibliche Vorgängerin, an die «Eiserne Lady» Margaret Thatcher. Deren Markenzeichen waren die Handtaschen. Jeder Brite versteht daher den Begriff «handbagging» - die Bezeichnung für den Moment, in dem ein männlicher Politiker von der Eisernen Lady verbal eins übergezogen bekam.

Mays Markenzeichen sind ausgefallene Schuhe. Bei der Stimmabgabe in ihrem Wahlkreis Maidenhead westlich von London trug sie flache Ballerinas mit Leopardenfellmuster und schwarzer Schleife. Oft wird die Auswahl ihres Schuhwerks politisch gedeutet - mal verkörpert sie demnach Aufbruchstimmung, mal Angriffslust.

In schwarzen, oberschenkellangen Lackstiefeln empfing sie 2015 den mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto und machte vor der anwesenden Queen einen Hofknicks. «Ihr Stil ist eine Mischung aus strenger Schuldirektorin und Domina», lästerte eine Boulevardzeitung.

(sda/ccr)

Das sind die wichtigsten Akteure der britischen Politik: