Herr Volery, im ersten Quartal 2005 sind klar weniger Firmen gegründet worden als in der Vorjahresperiode. Zugleich gingen die Konkurse stark zurück. Wie interpretieren Sie diese gegenläufigen Tendenzen?

Thierry Volery: Der erste Punkt ist sicher nicht erfreulich. Mehr oder weniger Gründungen reflektieren immer den Gesundheitszustand der Wirtschaft. Man kann es aber auch positiv sehen: Ein schwächeres Wachstum bei Neugründungen könnte auch eine grössere Jobsicherheit bei bestehenden Firmen bedeuten.

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Relativ viele Gründer geben aber rasch wieder auf. Was spricht bei diesen Aussichten für die Selbstständigkeit?

Unternehmer sein heisst, Chancen zu erkennen, zu bewerten und zu nutzen. Aber bevor jemand eine Firma gründet, weiss er nicht, ob er erfolgreich sein wird. Er kann den besten Businessplan aufstellen, die beste Marktforschung betreiben, entscheidend ist der Sprung ins kalte Wasser der Selbstständigkeit.

Niemand springt einfach so ins Wasser.

Unternehmertum bedeutet Unsicherheit. Niemand weiss im Voraus, ob er am Markt auf die Dauer bestehen wird.

Es gibt ja drei Phasen für KMU: Gründung, Aufbau und Reifephase. Worauf muss ein KMU dabei besonders achten?

Bei der Gründung ist die Orientierung auf die Kunden entscheidend. Diese müssen davon überzeugt werden, dass die Firma ein gutes Produkt oder eine gute Dienstleistung hat. Es gilt, einen Fuss in den Markt zu setzen. Beim Firmenaufbau heisst es, den Unternehmer zum Manager zu machen. Dies umfasst die Fähigkeit zu delegieren, Führungssysteme zu implementieren und Prozesse zu strukturieren. In der Reifephase geht es darum, die Firma zu restrukturieren. Gefragt sind Innovationen oder auch, dass man sich überlegt, andere Firmen zu übernehmen oder strategische Allianzen einzugehen.

Wie bewerten Sie das Umfeld für ein KMU in der Schweiz?

Es wird zwar immer gejammert, aber die hiesigen Rahmenbedingungen sind recht gut. Ich habe in diversen Ländern gelebt, zuletzt in Frankreich, wo ich die Einführung der 35-Stunden-Woche und des Euro erlebte. Da können wir uns nur beglückwünschen. Unsere Vorteile sind die politische und monetäre Stabilität und die gut ausgebildeten, motivierten Arbeitnehmer.

Und was müsste besser werden?

In der Weiterbildung der Arbeitnehmer hinkt die Schweiz hinterher. Unter Weiterbildung verstehe ich aber nicht die Fachhochschul- oder die universitäre Bildung. Weiterbildung für die Mitarbeiter ist eine Aufgabe der Arbeitgeber – sowohl «on the job» wie auch durch öffentliche und private Institutionen. Man muss sich einfach weiterbilden, der Druck durch die Globalisierung und der technische Fortschritt nehmen permanent zu.

Wirtschaftsminister Joseph Deiss hat immer wieder KMU-Initiativen gestartet. Hat das etwas gebracht?

Diese KMU-Intiativen sind eher kosmetischer Natur. Das KMU-Portal zur Online-Registrierung von Start-ups geht zwar in die richtige Richtung. Der Bund sollte aber viel weiter gehen. Das Problem der Überregulierung der Schweiz ist nicht gelöst. Etwa bei der Mehrwertsteuer oder in der Baubranche.

Da müsste Deiss forscher vorgehen?

Unbedingt. Man könnte die unsinnigen Deklarationsvorschriften für Joghurt oder Zahnpasta sofort ändern, wie auch gewisse technische Vorschriften im Baugewerbe. So gibt es zwischen St. Gallen und Zürich zehn verschiedene Normen, wie man die Höhe eines Gebäudes misst. Mit wenig Aufwand könnten schmerzlos Milliarden eingespart werden.