Die Wahl von Urs P. Roth zum neuen Vorsitzenden der Geschäftsleitung der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) war eine Überraschung. Denn der Name des 53-jährigen Chefjuristen der UBS war im Vorfeld nie genannt worden. Doch er gehörte – zusammen mit Botschafter Thomas Borer – von Anfang an zum engsten Kreis der Kandidaten. Roth ist in Basel selber alles andere als ein Unbekannter: Während Jahren war er erfolgreich in verschiedenen Arbeitsgruppen des Verbandes tätig, insbesondere als Präsident des Leitenden Aus-schusses «Schweiz Zweiter Weltkrieg» der SBVg. Seit der Affäre um die Holocaust-Gelder wissen die Schweizer Banken, dass Fehleinschätzungen teuer zu stehen kommen können. Der stille Schaffer Roth, der sich 25 Jahre lang beim gleichen Arbeitgeber hinaufgearbeitet hat, kennt das Problem. Erst noch beweisen muss er, ob er sich auf dem glatten Parkett der internationalen Diplomatie stilsicher bewegen kann. Die heftigen Attacken gegen das Schweizer Bankgeheimnis zeigen, wie hart der Kampf der internationalen Finanzplätze untereinander geworden ist. Der neue Job dürfte also alles andere als ein Zuckerschlecken werden. Der Chefposten bei der SBVg ist mit rund einer halben Million Franken Jahressalär einer der bestbezahlten Verbandsjobs der Schweiz. Der in Bern und Zug aufgewachsene Sohn eines Schneiders gilt als besonnener Mensch und als zielstrebiger und zuverlässiger Manager. Alles andere als ein Partygänger, verbringt er seine Freizeit gerne im engen Freundeskreis oder mit seiner Familie. Nicht aufgeben wird Roth übrigens seinen Lehrauftrag an der Universität Zürich.

Seine Starthelfer
Der 19-köpfige Verwaltungsrat der Bankiervereinigung hat Roth einstimmig zum neuen Delegierten gewählt. Doch die Königsmacher im Gremium sind die fünf Mitglieder des Präsidiums, welche die Entscheidung weit gehend vorspurten. In diesem Quintett wirkten als seine Fürsprecher vor allem Präsident Georg Krayer und Vorgänger Niklaus Blattner. UBS-Chef Marcel Ospel und CS-Präsident Lukas Mühlemann liebäugelten anfänglich aber mit einer Wahl Borers, der ihnen in der Holocaust-Affäre die Kohlen aus dem Feuer geholt hatte. Zudem hatte Borer die beiden Grossbankenchefs einst an einen Tisch mit dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder gebracht. Widerstand erwuchs Roth zunächst seitens der Genfer Privatbanken, die sich fragten, ob er als Grossbankenmann die Interessen der gesamten Branche vertreten könne. Krayer, der als Teilhaber der Bank Sarasin einst ähnliche Vorwürfe von der anderen Seite, den Grossbanken, zu hören bekam, konnte diese Bedenken anscheinend ausräumen. Auch die Genfer Bankiers im Rat, Charles Pictet, Teilhaber bei Pictet & Cie, und Jean Bonna, Teilhaber bei Lombard Odier, stimmten zuletzt für ihn.

Seine Widersacher
Konkurrent im Rennen um den Chefsessel war der Schweizer Botschafter in Berlin, Thomas Borer. Der geschickte Diplomat hatte die Schweizer Bankiers als Leiter der Task-Force in der Holocaust-Auseinandersetzung beeindruckt. Doch Borer, der zusammen mit seiner Gattin Shawne Fielding Borer bekannt ist für gross angelegte Partys und schrille Medienauftritte, beging in der Endphase des Rennens einen entscheidenden Fauxpas: In einer TV-Sendung des Kabarettisten Viktor Giacobbo bezeichnete er einen Musiker, auf dessen Schoss sich Gattin Shawne fotografieren liess, scherzhaft als schwul. Ein Aufschrei der Entrüstung ging durchs Land. Auch die Spitze der Bankiervereinigung, allen voran Krayer, war wenig amüsiert. Borer hatte sich damit selber aus dem Rennen genommen. Immer wieder die Klingen gekreuzt hat Roth mit BZ-Banker Martin Ebner. Als Leiter des Rechtsdienstes der Bankgesellschaft war er entscheidend daran beteiligt, die verschiedenen Attacken des Grossinvestors abzuwehren, etwa bei der Auseinandersetzung um die Einheitsaktie im Herbst 1994. In Zukunft wird es Roth mit den Powerplayern im Kampf zwischen den internationalen Finanzplätzen zu tun bekommen. Mit Paul O’Neill, dem Finanzminister des neuen US-Präsidenten George W. Bush, dürfte er es aber voraussichtlich leichter haben als mit dem abtretenden Clinton-Mann Larry Summers, der die Schweiz verbissen unter Druck setzte. Seitens Jonathan Faulls, Kommissionssprecher der EU, den er persönlich kennt, dürften die Hiebe indes kaum abnehmen. Im Inland wird Roth unvermeidlich mit Rudolf Strahm übers Kreuz geraten. Der eloquente SP-Nationalrat ist der amtsälteste Kämpfer gegen die Bankenmacht. Trotz unterschiedlichen politischen Ansichten kommen die beiden allerdings gut miteinander aus: Sie haben jahrelang zusammen Militärdienst geleistet, als Oberleutnants in einer Flab-Batterie.

Seine UBS-Connection
Als langjähriger Mitarbeiter der UBS – Roth ist seit 1976 bei der Bank – hat der umgängliche Jurist intern einige Seilschaften bilden können. Ein wichtiger Förderer war Beat Kleiner, von 1974 bis 1992 Leiter des Rechtsdienstes, dessen Nachfolger er wurde. Als juristische Drehscheibe der UBS hat er mit mehreren Bankpräsidenten eng zusammengearbeitet, besonders mit Nikolaus Senn, mit dem zusammen er manchen Kampf gegen Ebner focht, aber auch mit Robert Studer und Mathis Cabiallavetta im Rahmen der Fusion zwischen Bankgesellschaft und Bankverein. Er war einer der wenigen Topleute der Bankgesellschaft, die Cabiallavetta in das sonst stark vom Bankverein dominierte Fusionsgebilde retten konnte. Verbunden fühlt er sich denn auch mit Stephan Haeringer, der heute die UBS Schweiz führt. Befreundet ist Roth auch mit Walter Stürzinger, dem neuen Group Chief Risk Officer der UBS, und mit Marcel Rohner, dem neuen COO Private Banking.

Sein Politnetz
Das Netzwerk von Roth in der Politik ist spärlich. Diesen Nachteil muss er schnell ausgleichen. In Bern ist er nicht richtig verankert. So kennt er die wichtigsten Ansprechpartner im Bundesrat, Finanzminister Kaspar Villiger und Volkswirtschaftsminister Pascal Couchepin, nicht persönlich. Persönlich bekannt sind ihm aber zwei Schweizer Vertreter an jenen Orten, wo der Kampf der Finanzplätze ausgefochten werden wird: in Washington der Botschafter Alfred Defago, in Brüssel der Statthalter der Schweiz in der EU, Dante Martinelli. Befreundet ist Roth mit dem ehemaligen Zürcher Regierungsrat Eric Honegger, der heute Präsident der Swissair ist. Seit Honegger auch im Verwaltungsrat der UBS Einsitz hat, trifft man sich noch häufiger. Roth hat ihn Mitte der Siebzigerjahre kennen gelernt. Damals arbeitete er im Parteisekretariat der FDP Zürich. Aus jener Zeit kennt er auch alt Bundesrat Rudolf Friedrich.
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