Roman Ochsner ist ein weitsichtiger Mann. Als die Luft für den Thurgauer Landwirt - er war einer der drei gröss-ten Schweinezüchter im Land - immer dünner wurde, entdeckte er den aufstrebenden Golfsport. 1992 stellte er ein Drittel von 100 Hektaren Boden für das Golfprojekt Lipperswil zur Verfügung; den Rest steuerte eine Handvoll weiterer Bauern bei, die sich von einer Zukunft als Greenkeeper mehr versprachen als vom Umgang mit Egge und Pflug. Ochsner gründete einen Förderverein, erhielt bis Herbst 1996 alle Bewilligungen und wusste überdies einen Geldgeber im Rücken, der sieben Millionen Franken investieren wollte; die zweite Hälfte für das 14-Millionen-Projekt sollte von den Banken kommen.

Ochsners Pech war es, dass in der ersten Hälfte der neunziger Jahre gleich mehrere neue Golfprojekte schon kurz nach ihrer Fertigstellung arg ins Schleudern geraten waren (Bodensee Weissensberg, Erlen, Obere Alp und andere). Deren Sanierung kostete die Banken Millionen, und danach wurde der Hahn zugedreht. Kein Geldinstitut war bereit, auch nur einen Franken in Lipperswil zu investieren. Ochsner blieb in der Folge nichts anderes übrig, als sein Projekt auf Eis zu legen. Aus dem Dornröschenschlaf aufgeweckt wurde Lipperswil recht unerwartet vor anderthalb Jahren, als Ochsners Schwiegersohn, ein Amerikaner, in Kontakt zur Club Corporation International (ClubCorp) trat. Deren Golfmanager reisten in den Thurgau, prüften und rechneten, und danach lief plötzlich alles wie am Schnürchen. Ende 1998 erfolgte der erste Spatenstich, und bereits im kommenden Sommer sollen die Driving Range (Übungsanlage) sowie neun Spielbahnen in Betrieb genommen werden.

Die Eröffnung der gesamten Anlage mit Klubhaus und Topinfrastruktur ist auf den 1. Juni 2000 geplant. Die 18-Loch-Anlage bleibt reserviert für Klubmitglieder und Gäste, der 9-Loch-Kurs wird der Öffentlichkeit zugänglich sein. Für die Baukosten in Höhe von 14 Millionen Franken kommt vollumfänglich die ClubCorp auf, die den deutschen Golfarchitekten Kurt Rossknecht verpflichtete, einen der international renommiertesten Golfplatzdesigner. An sich wäre die Tatsache nicht sonderlich aufsehenerregend, dass ein ausländischer Investor bei einem Schweizer Golfprojekt einsteigt, das den behördlichen Slalomlauf bereits hinter sich und alle Bewilligungen auf dem Tisch liegen hat. Doch weil es sich um die ClubCorp handelt, liegen die Dinge grundlegend anders.

Denn die club corporation in-ternational, 1957 von Robert Dedman, 73, vor den Toren von Dallas mit dem Aufbau des Brookhavens Country Club gegründet, ist das weltweit grösste Unternehmen der Privatklubbranche und setzt derzeit mit gegen einer Viertelmillion Mitgliedern in mehr als 250 Klubs und Resorts in über 30 Ländern etwa 1,5 Milliarden Franken um. ClubCorp-Gründer Dedmans Vermögen wird von «Forbes» auf gegen zwei Milliarden Franken beziffert; das US-Magazin kommt zum Schluss, mit einem perfekt organisierten, weltweiten Netz von Privatklubs lasse sich nicht bloss viel Geld umsetzen, sondern auch viel verdienen.

Nach einem schnellen Wachstum während der sechziger und siebziger Jahre in den USA und der raschen Expansion nach Asien sowie Latein- und Südamerika in den achtziger und neunziger Jahren sollen die Kassen nun auch in Europa klingeln. Mit der Akquisition des Drift Golf Club in Surrey bei London setzten die Amerikaner 1997 erstmals den Fuss auf unseren Kontinent. Im vergangenen Jahr kam der neue Golfpark Winnerod in der Nähe von Frankfurt dazu; Lipperswil ist die Nummer drei. Von mehreren weiteren Projekten sind jene in Warschau und Budapest spruchreif.

Parallel zu den Golfanlagen baut die ClubCorp derzeit auf dem Kirchberg in Luxemburg für über zehn Millionen Franken ihren ersten City Club in Europa, eine Art vornehmer Gesellschaftsklub, von denen es zwischen New York und Tokio schon über 70 gibt. Als Mitglieder sollen 1200 Banker und Manager aus der aufstrebenden Elite der luxemburgischen Wirtschafts- und Finanzwelt gewonnen werden und sich in das feingesponnene, weltweite Netz einbinden lassen, das man als «Business Community» bezeichnen könnte.

«ClubCorp ist auch eine einzigartige Gemeinschaft von internationalen Führungskräften», sagt Bread Millsap, der den Auftrag hat, das Europageschäft zu lancieren. «Wir können unseren Mitgliedern von heute auf morgen auf der anderen Seite des Globus die benötigten Räumlichkeiten für ihre geschäftlichen Besprechungen kostenlos bereitstellen lassen, und einen eigenen Golfplatz, wo sie mit Namen willkommen geheissen werden, haben wir ziemlich sicher auch in der Nähe.»

Das ist das Bestechende am perfekt funktionierenden Konzept der ClubCorp und hat sie derart erfolgreich gemacht: Wer seinen Obolus einmal entrichtet hat, gehört ab sofort weltweit sämtlichen Klubs der Vereinigung an. Mitglieder eines ClubCorp-Golfklubs sind folglich auch Member in den vornehmen City Clubs - und umgekehrt. Und dieses Konzept spielt dem auf halber Distanz zwischen Frauenfeld und Kreuzlingen gelegenen Golf-Club Lipperswil, der in diesen Tagen gegründet wird, gewichtige Trümpfe in die Hand.

Interessant ist allein schon die Eintrittsgebühr: Mit 18 000 Franken für eine Einzelmitgliedschaft liegt Lipperswil gleich um mehrere tausend Franken unter jedem anderen Schweizer Klub mit vergleichbarer Anlage. Diese tiefe Eintrittsschwelle dürfte die Anstrengungen der steigenden Anzahl von Klubs, die derzeit auf Mitgliedersuche sind (siehe Kasten «Klubs suchen Mitglieder» auf Seite 167), weiter erschweren.

Als schlagendes Argument indes kann Lipperswil ins Feld führen, dass seine Mitglieder gleichzeitig Member sind in weltweit über 200 privaten Golfklubs und Resorts, wo sie jederzeit willkommen sind - in den USA genauso wie in China, Panama, Südafrika, Mexiko, Singapur, auf den Philippinen oder neuerdings eben in Europa. Zu den berühmtesten unter den ausnahmslos erstklassig unterhaltenen, professionell geführten ClubCorp-Anlagen zählen Golfeldorados wie das Pinehurst Resort in North Carolina (das weltweit grösste Golfresort ist in diesem Jahr Schauplatz des US Open, eines der vier bedeutendsten Turniere der Welt), The Homestead in Hot Springs, Virginia (1766 gegründet, Amerikas ältestes Resort), Mission Hills Country Club in Rancho Miraga, California (Heimatanlage der Nabisco Dinah Shore Classic), oder der Firestone Country Club in Akron, Ohio, wo heuer das Topturnier NEC Invitational über die Bühne geht.

Auf diesen fast schon legendären Anlagen haben die Mitglieder eines ClubCorp-Golfklubs - oder eines City Clubs - zu saisonalen Spitzenzeiten ein reduziertes Greenfee (Spielgebühr) zu bezahlen; dafür können sie die Supercourses garantiert und ohne bürokratische Hindernisse zu den gewünschten Zeiten absolvieren, was für andere Golfer keineswegs selbstverständlich ist. Auf allen übrigen Plätzen sind die Mitglieder der «Vereinigten Internationalen Clubs» kostenlos spielberechtigt. Und das Angebot wächst konstant. In welchen Dimensionen die Texaner bei der Expansion denken und vorgehen, zeigt ein exemplarischer Deal: In Florida hat die ClubCorp jüngst auf einen Schlag 45 zusätzliche Golfanlagen erworben; finden sich darunter solche, die punkto Pflegezustand und Infrastruktur Mängel aufweisen, werden sie schonungslos auf das vom Unternehmen geforderte hohe Niveau getrimmt.

Die ersten Gehversuche der ClubCorp in Europa nehmen sich dagegen vergleichsweise bescheiden aus, doch jetzt ist auch hier rasches Wachstum angesagt. Zu geographischen Hauptzielen hat der Konzern just jene Ferienregionen erklärt, von denen sich Europas Golfer schon immer besonders angesprochen fühlten: das spanische Festland, die portugiesische Algarveküste und Mallorca. Dort wird die ClubCorp nicht in erster Linie neue Plätze bauen, sondern bestehende Golfklubs und Resorts mittels langfristiger Managementverträge übernehmen - angesichts der vielen Anlagen, die sich mehr schlecht als recht über Wasser halten, ein aussichtsreiches Unterfangen.

Wachstum ist aber auch in der Schweiz angesagt. Drei bis vier weitere Topklubs möchte die ClubCorp hier neben Lipperswil so rasch wie möglich betreiben. Dass die Aussicht für Golfer verlockend ist, mit dem Erwerb einer einzigen Mitgliedschaft automatisch auch Member von vielleicht vier weiteren Schweizer Klubs zu werden und überall die entsprechenden Privilegien zu geniessen, ist nicht hinwegzudiskutieren.

Bei der Migros funktioniert das anders. Nachdem die Genossenschaft Luzern den Public-Golfpark Holzhäusern zum Blühen gebracht hatte, zogen die St. Galler in Waldkirch (Teileröffnung in diesem Jahr) und die Zürcher in Otelfingen (Betriebsaufnahme voraussichtlich nächstes Jahr) nach. Doch wer Mitglied eines der in diesen Golfparks integrierten Klubs ist, hat auf den übrigen Migros-Anlagen nichts davon. Was die Club Corporation weltweit mit grösstem Erfolg vorexerziert und eine Mitgliedschaft ganz besonders attraktiv macht, scheitert bei der Migros schon in der Schweiz am kleinkarierten Denken konkurrierender Genossenschaften.
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