Gemeinhin müsste man meinen, die Profis der Kategorie Ü50 würden es deutlich gemütlicher und lockerer angehen lassen, das Training vielleicht um die Hälfte reduzieren. Dies ist nicht so. Der Zürcher André Bossert, vergangenen November 50 geworden, bestätigt: «Ich mache überhaupt nicht weniger als früher. Ich gebe Vollgas.»

Wozu selbst deutlich über 50 Jahre alte Senioren fähig sind, zeigt sich immer wieder, wenn sie sich an den grossen Turnieren, den Majors, mit den Jungen messen. Der Zigarrenliebhaber Miguel Angel Jimenez, eben 50 geworden, spielte vorletzte Woche am US Masters in Augusta lange um den Sieg mit und wurde Vierter. Deutschlands Golf-Ikone Bernhard Langer klassierte sich mit 57 Jahren ebenfalls unter den ersten zehn – schlaggleich mit dem Superstar Rory McIlroy und vor Vorjahressieger Adam Scott. Das beeindruckendste Beispiel lieferte der amerikanische Veteran Tom Watson am British Open 2009. Er vergab mit damals 59 Jahren am letzten Loch den Sieg – es wäre die grösste Sensation der Golfgeschichte gewesen – und unterlag im Stechen seinem Landsmann Stewart Cink.

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Die älteren Spieler können den Ball nicht mehr derart weit schlagen wie die jungen. Aber sie haben verschiedene Kniffe auf Lager, um das Defizit wettzumachen. Routine und Präzision bei den kurzen Schlägen sind zwei Trümpfe, die sie immer im Ärmel parat haben. Dieses Jahr misst sich Bossert deshalb mit den «50-Golfern» in Europa. Das erste Turnier dieser Tour hat er bereits hinter sich. Es fand im November 2013 unmittelbar nach Bosserts Geburtstag in Taiwan statt. Der Zufall wollte es, dass Bossert in der ersten Runde mit einem seiner Vorbilder spielen konnte, mit T.C. Chen. Dieser war der erste Taiwanese, der – in den 1980er-Jahren – den Sprung auf den grossen amerikanischen Circuit schaffte. Legendär wurden die Vorkommnisse am US Open 1985. Chen spielte in der Schlussrunde um den Sieg mit, als ihm ein bei Profis fast nie vorkommender Lapsus passierte. Beim Durchschwung eines Schlages, eines Chip, berührte er den Ball mit dem Schlägerkopf zweimal. Er musste deswegen zwei Strafschläge hinnehmen. Das US Open verlor er gegen den Amerikaner Andy North um einen Schlag. In den USA wird er seither statt T.C. Chen auch «Two-Chip-Chen» genannt. So konnte sich Bossert an jenem Novembertag – zur Hauptsache natürlich nach der Runde – mit dem erfahrenen Asiaten trefflich unterhalten. Ganz nebenbei spielte Bossert mit 68 Schlägen die beste Runde im Feld. Am Schluss belegte er den guten 13. Platz.

Als einziger Schweizer am British Open dabei

André Bossert hat selber viele gute Erinnerungen. Dazu gehört nicht nur der April 1995, als er das Cannes Open gewann und sich damit zum bis heute einzigen Schweizer Sieger auf der grossen Europa-PGA-Tour kürte. Genauso gerne erinnert er sich an den November 1992. Er behauptete sich damals im zermürbenden Qualifikationsturnier und sicherte sich das Spielrecht für die Europa-PGA-Tour. Zu den Höhepunkten der langen Karriere gehören auch zwei Teilnahmen am British Open, dem ältesten Golfturnier der Welt. Nie vergessen wird er das Open 2005 in St. Andrews, dem «Home of Golf» in Schottland. Es war das Turnier, an dem der legendäre Rekordsieger Jack Nicklaus seinen Ausstand gab. Bis heute ist Bossert der einzige Schweizer, der je an Major-Turnieren – dem Pendant zu den Grand-Slam-Turnieren im Tennis - mitspielen konnte.

Bossert musste aber auch Schattenseiten erleben. Ab 1995 litt er vermehrt an Rückenproblemen. Mitte 1997 wurde eine Operation unumgänglich. Diese setzte ihn für zweieinhalb Jahre ausser Gefecht. Erst Ende 1999 konnte er wieder zu den Schlägern greifen. Bossert lebt damit, durch die Rückenverletzung einen Teil seiner Kraft verloren zu haben. «Aber ich mache alles dafür, meine Stärken so gut als möglich zu erhalten.»

Auf die erste ganze Saison auf der europäischen Senioren-Tour freut er sich. Highlights werden Bosserts erstmaliger Auftritt als Lokalheld am Bad Ragaz Seniors Open vom 4. bis 6. Juli und die Teilnahme am British Seniors Open sein.

 

Senioren Im Schlaraffenland gibt es kein Gratisticket

Champions Tour
Dass die Senioren mit vollem Engagement weiterspielen, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass sie weiterhin gutes Geld verdienen können. Ein wahres Schlaraffenland ist die Senioren-Tour in den USA, die Champions Tour. Von Januar bis November ist der Kalender vollgespickt mit Turnieren, von denen keines schwächer dotiert als mit 1,6 Millionen Dollar Preisgeld. Auch den Schweizer André Bossert zieht es nach Übersee. Der «Eintritt» ist aber nicht frei, vielmehr müssen Neulinge eine schwierige, selektive Qualifikation überstehen. Diese steht Mitte November 2014 an. Bossert ist deshalb bestrebt, seine Saison so aufzubauen, dass er im Spätherbst seine beste Form erreicht.