Der Unternehmer und verurteilte Betrüger Rolf Erb ist tot. Der 65-Jährige wurde am Samstag in seinem Schloss Eugensberg in Salenstein TG tot aufgefunden, wie die Polizei einen Bericht der Zeitung «Blick» bestätigte.

Die Meldung vom Tod Erbs ging bei der Thurgauer Kantonspolizei am späten Samstagnachmittag ein, wie ein Polizeisprecher der Nachrichtenagentur SDA sagte. Die Rechtsmedizin klärt ab, ob es sich um einen natürlichen Tod oder um einen Suizid handelt. Ein Verschulden Dritter schliesst die Polizei aus.

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Suizidgefahr angekündigt

Erb war der letzte Konzernchef der Winterthurer Erb-Gruppe, die 2003 Konkurs ging. Der Fall gilt nach dem Swissair-Konkurs als zweitgrösste Firmenpleite der Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Der Schaden soll sich auf mehrere Milliarden belaufen haben. Erb wurde zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Vor rund 14 Tagen entschied das Bundesgericht, dass Erb seine Freiheitsstrafe verbüssen sollte. Er hatte sich als suizidgefährdet bezeichnet und ein neues Gutachten zu seiner Hafterstehungsfähigkeit gefordert. Erb wollte nicht ins Gefängnis. Doch die Richter in Lausanne wiesen seine Beschwerde ab.

Wegen allfälliger Suizidgefahr könne die Haft nicht aufgeschoben werden. Das bestehende Gutachten weise keine Mängel auf, begründete das Bundesgericht. Es dürfe nicht sein, dass eine Selbstgefährdung zum gängigen letzten Argument von Verurteilen und ihren Anwälten werde.

Erb sollte am 1. Mai ausziehen

Dies war nicht die einzige Niederlage vor Bundesgericht: Mitte Februar entschied das oberste Gericht, dass Rolf Erb mit seiner Lebensgefährtin und seinen Kindern am 1. Mai 2017 das Schloss Eugensberg in Salenstein TG räumen sollte. Es bestätigte damit frühere Gerichtsentscheide im Rahmen des Konkursverfahrens.

Eugensberg und weitere Vermögenswerte waren nach dem Zusammenbruch der Erb-Gruppe der Konkursmasse zugeschlagen worden. Erb hatte das Schloss, das Inventar, Aktien, 13 Autos und Geld kurz vorher seiner Familie verschenkt. Im November 2015 bestätigte das Bundesgericht jedoch, dass die Werte zur Konkursmasse gehören.

Erb stritt stets alle Vorwürfe am Erb-Konkurs ab und schob die Schuld seinem verstorbenen Vater Hugo zu. Dieser habe die Fäden in der Hand gehabt.

Von Autowerkstatt zu Imperium

Grossvater Hugo Erb hatte in Winterthur in den 1920er Jahren eine Autowerkstatt aufgebaut. Sein Sohn stieg 1946 ins Geschäft ein. Die Familie verdiente mit dem Autohandel viel Geld. Aus der ehemaligen Werkstatt entstand ein Firmenimperium.

In den sechziger Jahren ging in der Schweiz der Autoboom los und Hugo Erb führte bald eine Kette von Garagen in der ganzen Schweiz. Er übernahm immer mehr Markenvertretungen, neben Mercedes bald auch Fiat, dann Opel, General Motors und schliesslich in den Siebzigern Mitsubishi und Suzuki. Der Import von Autos war in dieser Zeit wie eine Lizenz zum Gelddrucken.

Immobilien, Kaffee, Holz

Mit den Gewinnen kaufte sich Erb Immobilien-Beteiligungen und schuf mit der Uniwood Holding 1983 auch ein Standbein in der Bau- und Holzbranche. Dazu kam der Einstieg in den Kaffeehandel: Volcafé gehörte auch zur Erb-Gruppen, die inzwischen ein Mischkonzern mit über 80 Firmen war. Doch die Gruppe geriet in den 1990er Jahren in finanzielle Schieflage. Um die Überschuldung zu kaschieren, schönten die Erbs Bilanzen und kamen so immer wieder zu neuen Krediten. 1998 soll der Schuldenberg schon 1,5 Milliarden Franken betragen haben. Die Erb-Gruppe generierte ein Jahr vor dem Zusammenbruch 2003 einen Umsatz von rund 4,5 Milliarden Franken, beschäftigte fast 5000 Leute und war weltweit aktiv.

An der Spitze der Gruppe stand Rolf Erb. Dessen Bruder Heinz Erb, vom Vater ursprünglich als Nachfolger auserkoren, war 23-jährig bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Rolf Erb wohnte standesgemäss in einem Schloss, das zum Treffpunkt für Prominenz wurde. 2001, zu Rolf Erbs 50. Geburtstag, waren Christoph und Silvia Blocher, Klaus J. Jacobs oder der frühere UBS-Chef Mathis Cabiallavetta geladen. Walter Frey, ehemaliger SVP-Nationalrat und mit der Amag ärgster Erb-Konkurrent, hielt die Festrede auf den Jubilar.

Devisenspekulationen...

1988 kaufte sich die Familie Erb auch diverse Finanzinstitute. Damit erhielt sie Zugang zum Londoner Finanzmarkt und konnte gross in Devisentransaktionen mitmischen. In den neunziger Jahren wurden Devisenspekulationen zu einer Hauptbeschäftigung der Erbs, die zusammen bald Devisenumsätze wie eine mittelgrosse Bank machten.

1995 resultierten Verluste in dreistelliger Millionenhöhe. Auch im Jahr vor dem Zusammenbruch der Gruppe gab es Verluste. In guten Jahren machte sie hingegen dreistellige Millionengewinne.

... und ein Loch in Deutschland

Matchentscheidend fürs Erb-Imperium wurde eine Beteiligung in Deutschland, bei der Concordia Bau und Boden AG (CBB). Die CBB kaufte viele Immobilien in Ostdeutschland zusammen. Die Substanz der Wohnungen war solide, doch weil die Mieten wegen des Ausbleibens des Aufschwungs stark gesunken waren, bekam die Gruppe ein Liquiditätsproblem. Der Hauptgrund 
für die desolate Lage der CBB waren  Leerstände von teilweise bis zu 80 Prozent. Obwohl die CBB 1995 eigentlich pleite war, kauften die Erbs Mitte des folgenden Jahres 
31 Prozent der CBB und stockten diesen Anteil bis 2003 auf 90 Prozent auf.

Statt in Konkurs zu gehen, wurde die CBB ständig mit Millionen aus Erbs Winterthurer-Gruppe versorgt. Die Erbs hatten sich verpflichtet, sämtliche Verluste der CBB zu decken. Bis Oktober 2003 summierten sich diese Beträge auf rund 900 Millionen Franken. Niemand ausser dem engeren Kreis der Familie Erb wusste von diesen Zahlungen. Um die immer grösser werdenden Löcher zu stopfen, wurden die Liegenschaften bis unters Dach mit Hypotheken belastet. Und bei immer mehr Banken nahm die Erb-Gruppe Kredite auf. Ende 2002 hatte sie bei 80 Banken Kredite von insgesamt 1,5 Milliarden Franken beansprucht.

ZKB wusste mehr

Ausser der ZKB blieben alle anderen Banken auf ihren Krediten sitzen. 1998 wechselte Erb-Finanzchef Hans Vögeli zur ZKB, wo er später CEO wurde. Vier Wochen später kündigte die ZKB für Hugo Erb völlig überraschend eine Kreditlimite von 30 Millionen Franken an und baute sukzessive ihr Engagement auf wenige Millionen ab. Die ZKB hat stets bestritten, dass der Wechsel Vögelis etwas mit dieser Kreditreduktion zu tun hatte.

Nach einem kritischen Artikel in der Bilanz am 1. Dezember 2003 wurde der hoffnungslose Zustand der Erb-Gruppe öffentlich. Nach jahrelangen juristischen Verfahren wurde Rolf Erb im Jahr 2015 wegen gewerbsmässigen Betrugs, Urkundenfälschung und Gläubigerschädigung verurteilt.

«Geldgierig», «egoistisch» und mit «sehr grosser krimineller Energie» war das Fazit des Winterthurer Bezirksgerichts. Wegen seiner enormen Länge wurde das Urteil nicht in Papierform abgegeben, sondern auf einem USB-Stick. Fast tausend Seiten brauchte das Bezirksgericht, um die Machenschaften des letzten Konzernchefs der Erb-Gruppe nachzuzeichnen und seine Vergehen zu beurteilen.

Mit Material von SDA und Beobachter.