Als die drei Parteivorsitzenden der grossen Koalition Frank-Walter Steinmeier als gemeinsamen Kandidaten für das Amt des deutschen Bundespräsidenten vorstellten, lieferte der frühere Aussenminister eine ganz zentrale Begründung für seine Eignung: Er beschrieb sich als Bindeglied zwischen Deutschland und der Welt. Seine Personalentscheidungen legen den Eindruck nahe, der frühere Aussenminister könnte im Schloss Bellevue ein Art Mini-Aussenamt aufbauen - mit dem Anspruch, in der Aussendarstellung Deutschlands ein gewichtiges Wörtchen mitreden zu wollen.

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In den vergangenen Wochen reiste Steinmeier durch die Republik, um sich in den Länderparlamenten den dortigen Mitglieder der Bundesversammlung vorzustellen, die ihn am Sonntag zum neuen Präsidenten wählen sollen. In München sprach sich Steinmeier gleich gegen neue EU-Integrationsschritte aus und deutete schon einmal an, wie er sich in Bezug auf die USA aufstellen will: «Der Bundespräsident, vor allem die Mitglieder der Bundesregierung müssen Überzeugungsarbeit leisten, dass das transatlantische Fundament nicht infrage gestellt wird», sagte er.

Scharnierfunktion zwischen innen und aussen

In dieser Scharnierfunktion zwischen innen und aussen sieht Steinmeier nach seiner Zeit als Top-Diplomat Deutschlands ganz offensichtlich seine Berufung. Denn es gebe eine merkwürdige Kluft zwischen dem Blick der Deutschen auf die Welt und dem der Welt auf die Deutschen, sagte der Weltreisende in Sachen Diplomatie schon im November.

Die Deutschen blickten eher mit Sorgen und Ängsten auf die Globalisierung. Aber viele Menschen weltweit schauten dagegen mit besonderen Hoffnungen und auch Sympathie auf Deutschland. Kein anderes Land habe gezeigt, wie aus Krieg Versöhnung, aus Raserei, Nationalismus und Ideologie politische Vernunft werden könnten. Dieses Lob hat Steinmeier in seinen zwei Amtszeiten als Aussenminister von 2005 bis 2009 und 2013 bis 2017 hundertfach zu hören bekommen.

Aderlass im Auswärtigen Amt

Dass sich deutsche Bundespräsidenten gelegentlich in die Aussen- und Sicherheitspolitik einschalten, gab es auch schon früher. Der frühere IWF-Chef Horst Köhler etwa engagierte sich auch als Staatsoberhaupt für Afrika und thematisierte Globalisierungsthemen. Amtsinhaber Joachim Gauck mahnte auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 eine grössere deutsche Verantwortung in Welt an - auch militärisch.

Steinmeier will sich nun den Unterbau schaffen, um dies auszubauen: Aussenamts-Staatssekretär Stephan Steinlein wird Chef des Präsidialamtes. Auch der bisherige Leiter des Planungsstabes, Thomas Bagger, der bisherige Kultur-Abteilungsleiter Andreas Görgen und Redenschreiber Wolfgang Silbermann wechseln ins Schloss Bellevue.

Zumindest die Aussenpolitiker in Berlin setzen durchaus grosse Hoffnungen auf den künftigen Präsidenten: «Frank-Walter Steinmeier kann mit seiner langjährigen aussenpolitischen Erfahrung sicherlich die Eckpfeiler der internationalen Rolle Deutschlands, Völkerrecht, Partnerschaft und Verlässlichkeit stärken», sagte der SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich zu Reuters. «Es ist hilfreich, wenn der Präsident aussenpolitische Erfahrung hat», sagte auch sein Grünen-Kollege Omid Nouripour. «Sollte Steinmeier gewählt werden, wird er einen guten internationalen Kompass mitbringen.»

 

Grenzen des Amtes

Allerdings täuscht die Zahl der Hochkaräter, die aus dem Aussenministerium abwandern, etwas. Denn die meisten der Genannten sind mit der Karriere Steinmeiers schon länger verbunden und kamen mit ihm als Seiteneinsteiger in die Diplomaten-Zentrale. Steinlein etwa arbeitet seit mehr als 17 Jahren mit dem früheren SPD-Spitzenkandidaten zusammen - in den verschiedensten Funktionen vom Kanzleramt über die SPD-Fraktion. Görgen war ebenfalls in anderen Funktionen für Steinmeier tätig.

Ohnehin dürfte Steinmeier gebremst werden, wenn der aussenpolitische Ideenreichtum des künftigen Präsidenten und seiner Mitarbeiter zu weit überschwappen sollte. Bei einer zu aktiven Rolle in der Tagespolitik dürften ihn aktive Politiker daran erinnern, dass dies der Regierung vorbehalten ist. Und für grosse eigene diplomatische Initiativen würde Steinmeier nach Einschätzung von Diplomaten der Apparat des Aussenamtes mit seinen 5000 Mitarbeitern fehlen. In der Union gibt es allerdings schon Unruhe, dass er im Konzert mit SPD-Aussenminister Sigmar Gabriel und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz der Kanzlerin im Wahlkampf durchaus gezielt in die Parade fahren könnte - etwa beim Thema Russland.

«Ein Job ohne Job-Beschreibung»

«Ich bin mir sicher, dass er auch ein guter Bundespräsident in Zeiten innenpolitischer Herausforderungen sein wird und den Anforderungen des Grundgesetzes gerecht wird», wiegelt Mützenich ab. Auch Steinmeier selbst verweist immer wieder darauf, er wolle sich innenpolitisch als Aussöhner, Vermittler und Mahner gegen die «Vereinfacher» in der seit der Flüchtlingskrise aufgeheizten politischen Auseinandersetzung betätigen. 

Dennoch erwartet etwa Grünen-Aussenpolitiker Nouripour ein neues Profil: «Das Bundespräsidentenamt ist ein Job ohne Job-Beschreibung», sagte er. Im Klartext: Jeder Amtsinhaber kann sehr wohl seine eigene Note setzen, wenn er will. 

(reuters/ccr)

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