«We will be heroes, just for one day», sang der grosse David Bowie. Der WEF-Jahrgang 2019 inspiriert eher zu dem Fazit: Es gibt keine Helden mehr – nicht mal für einen Tag.

Dieses Jahr erwischte es auch Jamie Dimon, Chef des US-Bankriesens JP Morgan und Leitwolf der globalen Bankenszene. Viele Jahre mietete er das ehrwürdige Kirchner-Museum im Herzen von Davos und begrüsste in Jeans und offenem Hemd die Granden der Finanzwelt mit Champagner und millionenschwerer Kunst. Botschaft: Der letzte Wolf of Wall Street lebt! Doch dieses Jahr: No more party. Banker? Schon lange nicht mehr cool.
 
Aber auch die Tech-Titanen sind es nicht mehr nach all den Skandalen. Die belagerte Facebook-Chefin Sheryl Sandberg wagte sich kaum aus ihrem Pavillon. Die Google-Lenker waren wie üblich unsichtbar. Erstmals war zwar auch Apple-Chef Tim Cook da, doch er liess sich eher verloren durch das Kongresszentrum führen. Nur einer versteckte sich nicht: Dauergast Bill Gates. Das schon totgesagte Microsoft hat gerade Apple als wertvollste Firma überholt – the old empire strikes back. Als jugendlicher Held geht der ergraute Gates dennoch nicht mehr durch. 

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Davos – ein guter Kontra-Indikator

Und die Politiker? Star war noch Angela Merkel, und als WEF-Gründer Schwab sie bat, das nächste Mal bitte nicht als Pensionärin nach Davos zu kommen, befand sie: «Man muss immer froh sein mit dem, was man hat.» Heldentum klingt anders. Anschliessend kamen die Herren Conte und Sanchez auf die Bühne, frische Premiers aus Italien und Spanien. Bella figura, zweifellos: Sie präsentierten die schönsten Massanzüge des WEF. Doch inhaltlich blieb wenig hängen – der Saal lichtete sich zügig. Helden? Schadensbegrenzer.  

Davos ist immer ein guter Kontra-Indikator. Vor zwei Jahren wähnte sich die Globalisierungsgemeinde am Trump-Abgrund, es folgte ein Boomjahr. Letztes Jahr riefen alle das Paradies aus, doch daraus wurden sie schnell und ruppig vertrieben. Dieses Jahr ist die Stimmung leicht pessimistisch, doch eben auch nicht massiv. Es gibt keine frischen Helden, keine neuen Trends – nur das normale Leben. Wie sagte mir doch ein WEF-Veteran: «Das ehrlichste Davos seit Jahren».

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Chinesische Schalmeien

Ein Land war jedoch nicht besonders ehrlich: China nutzte wie vor zwei Jahren die Abwesenheit Trumps, um sich als Hoheprediger von Globalisierung und Freihandel aufzuspielen. Vizepräsident Wang führte die grösste ausländische Delegation und schickte seine Abgesandten auf zahlreiche Podien, wo sie sich als Vertreter der freien Weltordnung gerierten, die sich dem bösen Handelsfeind Trump entgegenstellten.

Leider ist man in Davos zu höflich, um den Chinesen direkt ins Gesicht zu sagen, dass ihr autoritäres Regime mit zahlreichen Handelsbarrieren eine Hochburg des Protektionismus ist. Im Gegenteil: Sie dürfen sogar ohne Gegenwehr in die Offensive gehen. «Wir werden beim Kauf von Firmen in Europa massiv mit administrativen Hindernissen belegt», klagte etwa der Chef eines chinesischen Baukonzerns. Niemand widersprach. Dass die Europäer dagegen in China gar keine Firmen kaufen dürfen, behielten die vornehmen Zuhörer für sich. Wenig heldenhaft. Da wünschte man sich plötzlich Trump zurück.

Dirk Schütz
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