Christoph Wellendorff (im Bild rechts) weiss, was Frauen wünschen: «Sie wollen Helden.» In Ermangelung des offenen Faustkampfes, des Duells im Morgengrauen oder der Befreiung aus Räuberhand bleibt dem modernen Helden nur eine Möglichkeit: mit der Kreditkarte eine breite Schneise in sein Budget zu schlagen, um schliesslich ein Schmuckstück zu erstehen, das die Herzallerliebste in Verzückung versetzen soll. So gesehen ist Wellendorff also in Sachen Heldenzubehör tätig. Zusammen mit seinem Bruder Georg, dessen Frau Claudia und den Eltern führt er die 117 Jahre alte Schmuckmanufaktur gleichen Namens in Pforzheim. Sie stellt Ringe, Armbänder und Colliers ausschliesslich aus Gold und Brillanten her. Eine kleine Heldentat schlägt mit mindestens 3400 Franken zu Buche, grosse Helden beweisen ihre Stärke mit einer Investition von 30  000 bis 90 000 Franken für ein Goldcollier mit einer Ronde, die dicht mit Brillanten bestückt ist, und die ganz Grossen manifestieren ihre Heldentat mit 300 000 Franken. «Unser Geschäft ist es, Freude zu machen», sagt Wellendorff. Schmuck zu schenken, gehöre zum Schönsten, was man machen könne.

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Dafür braucht es Gold, das Können von Goldschmieden, ihre Erfahrung und Zeit. Fünf Kilogramm reichen für fünf Kilometer eines 0,2 Millimeter dünnen Goldfadens. Rund 160 Meter sind nötig, um daraus eine Kordel aus solidem Gold zu wickeln, die so geschmeidig wie Seide ist. Die Goldkordeln, aus denen Colliers, Armbänder oder Ohrringe gemacht werden, kennzeichnen den Schmuck aus dem Hause Wellendorff. Der Golddraht wird in der Manufaktur gezogen, von Hand gerollt und schliesslich aufwendig zu einer Kordel gewickelt, deren Innenraum mit Gold ausgegossen wird.

Das Markenzeichen von Wellendorff entstand in den siebziger Jahren, als die Seniorchefin, Eva Wellendorff, sich von ihrem Mann ein Collier wünschte, das sie an die samtweichen, schillernden Vorhangkordeln aus dem Haus ihrer Grosseltern erinnern sollte. Nach zwei Jahren und unzähligen Versuchen, die sie als ungenügend taxierte, hatte es ihr Mann geschafft, in der Manufaktur ein Collier aus Goldfäden wickeln zu lassen.

Wahre Werte. Den Aufwand sieht man den Stücken nicht an. «Man muss wissen, wie viel Handwerkskunst und Arbeit darin steckt, um diese wirklich zu schätzen», sagt Claudia Wellendorff. Allein um die Brillanten auf den Ringen oder Colliers zu platzieren, braucht es teilweise mehrere Tage. Erst wer genau hinschaut, sieht, dass sich in den Ringen mindestens ein drehbarer Innenring befindet, die Brillanten dicht gesetzt sind, und merkt, dass die Verschlüsse so konstruiert sind, dass die Frau nicht der Hilfe ihres Partners bedarf, um sich das Collier umzuhängen. «Unsere Schmuckstücke sollen wahre Werte verkörpern», sagt sie: Sorgfalt, Qualität und Dauerhaftigkeit. Dafür steht das kleine, goldene W der Marke, das von einem Brillanten gekrönt ist.

Wer Schmuck sucht, der schon von weitem teuer aussieht, ist bei Wellendorff an der falschen Adresse. Seine Wirkung ist leise, diskret und zurückhaltend und für Frauen gemacht, die ihren Wohlstand und das, was sie in ihrem Leben erreicht haben, mit einem gewissen Understatement zeigen wollen. «Es ist eher das alte Geld, das bei uns kauft, und es sind Menschen, die durch eigene Arbeit zu Reichtum gekommen sind, ihn aber nicht zur Schau stellen wollen», sagt Christoph Wellendorff. Es reicht ja, wenn der Held weiss, was ihn das Stück gekostet hat – und die Beschenkte es ahnt.

Wellendorff gehört zu den wenigen Unternehmen der Luxusbranche, in denen eine Familie das Sagen hat. Noch vor weniger als zwei Jahrzehnten waren die meisten berühmten Namen unabhängig. Egal ob Gucci, Prada oder Van Cleef & Arpels – ihren Aufstieg hatten sie dem Engagement von begeisterten Gründern und deren Erben zu verdanken. Sie investierten in Handwerk, legten Wert auf sorgfältige Produktion und hatten nicht das Ziel, Massenprodukte herzustellen. Familienunternehmen wurden zum Kern der Luxusindustrie, weil sie sich langfristig orientierten, Wert auf Qualität legten und mit dem eigenen Namen dafür bürgten. Die Zeiten haben sich gewandelt. Heute gehören viele klingende Namen zu grossen Konzernen wie Richemont oder LVMH und erinnern nur noch an die einstigen Familienunternehmen.

Gemeinsame Vision. Wellendorff aber gehört der Familie, die auch das Management stellt. Georg Wellendorff kümmert sich um Produktion und Entwicklung, seine Frau Claudia ist für das Marketing verantwortlich, und Bruder Christoph wacht über den Vertrieb und treibt die Expansion voran. Die Eltern kümmern sich um Werbung und Finanzen. Während sich andere Unternehmen bei der Besetzung des Managements am freien Markt orientieren, beschränkt sich der Talentpool eines Familienunternehmens auf den Nachwuchs und deren Partner. Das kann ein Nachteil sein – im Fall von Wellendorff ist es eher ein Vorteil. «Uns verbinden gemeinsame Werte», sagt Christoph Wellendorff. Das macht Grundsatzdiskussionen in der familiären Führungsspitze über Unternehmenskultur, die unternehmerische Zielsetzung und die Art und Weise, wie man sein Geschäft betreibt, überflüssig. «Wir haben eine gemeinsame Vision, was wir mit Wellendorff erreichen möchten, welche Ziele uns wichtig sind und welche Wege wir gehen wollen», sagt Georg Wellendorff. Die Tatsache, dass die Manufaktur von den Mitgliedern der vierten Generation geführt wird, ist Ansporn und Verpflichtung zugleich. Andere Unternehmen denken in Quartalsberichten, die derzeit Verantwortlichen des Schmuckherstellers planen, einen Generationenbericht abzugeben, wenn sie in zwei oder drei Jahrzehnten der folgenden Generation den Stab übergeben werden. «Dann wollen wir Rechenschaft darüber ablegen, was wir in unserem Leben aus der Firma gemacht haben», so Georg Wellendorff.

Duft der Freiheit. Andere Schmuckmanufakturen haben den Sprung an die Börse gewagt wie etwa Bulgari, die 1995 ihr IPO in Mailand durchgeführt hat und auf fast 3000 Mitarbeitende angewachsen ist. Für Wellendorffs ist das nicht einmal einen Gedanken wert. «Wieso sollten wir ein Geschäft verkaufen, das uns so viel Spass macht und uns die Freiheit lässt zu tun, was wir für richtig halten?», sagt Christoph Wellendorff. Ohne die Erwartungen von Aktionären und ohne den Druck einer Bank kann das mittelständische Unternehmen autonom agieren. Mit knapp 70 Mitarbeitenden, den überschaubaren Strukturen und dem direkten Kontakt zu den Juwelieren, die ihre Stücke vertreiben, ist man zufrieden. «Wir geniessen die unternehmerische Freiheit und sind niemandem ausser uns selber verantwortlich», sagt Wellendorff.

Die Expansion schreitet in einem Tempo voran, das sich mit den Flagship-Store-Eröffnungsorgien der Grosskonzerne nicht vergleichen lässt. Dieses Jahr hat Wellendorff erstmals ausserhalb Deutschlands eigene Boutiquen eröffnet und damit den Sprung auf zwei verschiedene Kontinente gleichzeitig gewagt. In den USA und in China entstehen eigene Shops. Damit ist die Führunsgcrew erst einmal ausgelastet. Selbstverständlich sieht sie die Chancen, die der indische Luxusmarkt bietet. Hier findet sich eine zahlungskräftige und weiter wachsende Mittelschicht, die sich sehr für Schmuck und die schönen Dinge des Lebens interessiert. Doch an einen Eintritt in den dortigen Markt ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu denken. «Darum können wir uns kümmern, wenn China und die USA laufen», sagt Christoph Wellendorff. Er sieht keinen Grund, sich nur aus Gründen des raschen Umsatzes unter Druck setzen zu lassen. «Wir entwickeln unser Geschäft in unserem eigenen Tempo.» Im Zweifelsfall müssen sich potenzielle Helden halt etwas gedulden.